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„Wie der Blinde von der Farbe“ – ein Kommentar

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Man stelle sich vor: Eine EU-Kommissarin schlägt ein europaweites, von der EU-Kommission zu überwachendes Tempolimit auf 80 km/h vor. Eine Journalistin fragt sie nach ihren Fahrgewohnheiten. Die Kommissarin erklärt, sie fahre selbst kein Auto, um ihre Gesundheit zu schützen. Sie benutze lediglich ein Motorrad, da sie dort „die Kontrolle“ habe. Von ihren drei Söhnen lasse sie sich über neue Technologien informieren.

Die Kommissarin ist Viviane Reding, die bei der EU für den Datenschutz zuständig ist. Sie ist die treibende Kraft bei der europaweiten Neuregelung des EU-Datenschutzes, den die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Das Auto ist Facebook, denn eine Regulierung des Datenschutzes bei Facebook liegt Frau Reding erklärtermaßen am Herzen. Und das Motorrad ist Twitter. Dort meint die Kommissarin (aus nicht näher mitgeteilten Gründen), „die Kontrolle“ zu haben.

Ist es richtig, dass eine EU-Kommissarin die Regulierung des Datenschutzes im Netz federführend verantwortet, obwohl sie die Plattform nur aus zweiter Hand kennt, die im Mittelpunkt zahlreicher Kontroversen rund um den Datenschutz steht? Und kann man dem Einschätzungsvermögen der europäischen Datenschützerin vertrauen, wenn sie meint, „die Kontrolle“ sei der Unterschied zwischen Twitter und Facebook, obwohl die Verarbeitung personenbezogener Daten bei Twitter schon wegen der Datenmenge und der komplexen technischen Verarbeitungsvorgänge dieselben Fragen auswerfen muss wie bei Facebook?

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar ist von einem anderen Kaliber. Er nutzt Facebook und sagt: „Ich will nicht wie der Blinde von der Farbe reden.“ Nicht sehr schmeichelhaft, Herr Schaar, aber richtig. Es ist an der Zeit, dass die „Generation Facebook“ die Meinungsführerschaft beim Datenschutz im Netz übernimmt. Damit neue Gesetze nicht von Blinden gemacht werden.

Interview mit Viviane Reding und Peter Schaar, Tagesspiegel vom 21.3.2012

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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