IPTV als Fernsehen über ein digitales Datennetz nutzt – wie sich aus der Bezeichnung ergibt – zur Übertragung der Inhalte das „Internet Protocol“. Durch die Nutzung dieser Übertragungstechnik verfügen Anbieter von IPTV über einen natürlichen Rückkanal zu ihren Kunden. Dieser Rückkanal lässt sich – ähnlich wie beim Surfen im Internet – zur Erfassung des Nutzungsverhaltens nutzen.
Die Frage ist: Muss der IPTV-Anbieter für eine Erfassung des Nutzungsverhaltens seiner Kunden zuvor deren Zustimmung einholen (opt-in) oder darf er seine Kunden auf ihr Recht zum Widerspruch verweisen (opt-out)? Die Antwort auf diese Frage ist für Anbieter von IPTV bedeutend. Sehen die Einstellungen in dem zum Empfang von IPTV erforderlichen Empfangsgeräts standardmäßig die Erfassung des Nutzungsverhaltens vor, so zeigt die Erfahrung, dass die wenigsten Nutzer die einmal vorgegebenen Einstellungen ändern. Ist der IPTV-Anbieter dagegen verpflichtet, von seinen Kunden eine datenschutzrechtlich wirksame Einwilligung einzuholen, so werden diese wohl nur wenige erteilen – entweder aus Bequemlichkeit oder aus der Befürchtung vor einer Überwachung des eigenen Fernsehverhaltens.
Klassische Reichweitenmessung
Über einen langen Zeitraum hat die Frage der Einwilligungspflichtigkeit der Erfassung des Fernsehverhaltens in der Praxis keine große Rolle gespielt. Die bislang vorherrschenden Verbreitungswege für Fernsehinhalte (Kabelnetz, Satellit, DVB-T) hatten schlicht keinen Rückanal. Mit der zunehmenden Modernisierung der TV-Kabelnetze werden diese – vor allem mit Blick auf die Internettauglichkeit – ebenfalls rückkanalfähig ausgebaut.
Der fehlende Rückkanal bei den klassischen Verbreitungswegen für Fernsehen hat aber nicht dazu geführt, dass auf die Erhebung des Nutzungsverhaltens verzichtet worden wäre. So ist die Reichweite von Fernsehinhalten ein wesentliches Element für die Bemessung der Preise für Werbung auf diesem Medium.
Die Reichweitenmessung von Fernsehinhalten erfolgt seit 1988 durch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) in repräsentativ ausgewählten Privathaushalten (sog. Panelgruppe) über spezielle Messgeräte per Fernmessung (sog. Teleskopie). Die erhobenen Daten werden zur Auswertung gebündelt per DFÜ-Verbindung und damit über Telefonleitung zur GfK gesandt.
Der AGF gehören die Senderfamilien ARD, ZDF, ProSiebenSat.1 Media AG und RTL an. Die AGF wird wiederum im Auftrag der KEK, der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, tätig. Die KEK erhält den Auftrag zur Ermittlung der Zuschaueranteile der Fernsehprogramme von den Landesmedienanstalten, vgl. § 27 RStV.
Welche Datenschutzvorschriften gelten für IPTV-Anbieter bei der Erhebung des Nutzungsverhaltens ihrer Kunden?
Die Beantwortung dieser Frage hängt nicht zuletzt davon ab, welches Regelungsregime in datenschutzrechtlicher Hinsicht auf private IPTV-Anbieter Anwendung findet. Gelten die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) oder finden die Vorschriften des Telemediengesetzes (TMG) Anwendung? Das TMG ist jedenfalls aufgrund der negativen Definition von Telemedien (Rundfunk ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG nicht zu den Telemedien zu zählen) auf Rundfunk in der Regel nicht anwendbar.
Vorgaben des RStV
Aktuell ist noch der Rundfunkstaatsvertrag in der noch gültigen Fassung des 13. Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 10.3.2010. Der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 15./17.12.2011 ist von allen Landesparlamenten ratifiziert worden und tritt zum 1.1.2013 in Kraft. Der 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist aufgrund der fehlenden Ratifizierung durch das Landeparlament Nordrhein-Westfalen nie in Kraft getreten.
Der RStV richtet sich primär an Veranstalter von Rundfunk, d.h. an solche Veranstalter, die ein Rundfunkprogramm unter eigener inhaltlicher Verantwortung anbieten, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 14 RStV. Die Anbieter von IPTV sind aber in der Regel keine Veranstalter von Rundfunk, sondern Plattformbetreiber im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 13 RStV, da sie „Rundfunk und vergleichbare Telemedien (Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind) […] mit dem Ziel [zusammenfassen], diese Angebote als Gesamtangebot zugänglich zu machen […]“. Plattformbetreiber werden in einem eigenen Abschnitt des RStV (V. Abschnitt), allerdings nicht in datenschutzrechtlicher Hinsicht (siehe dazu sogleich) der Regulierung durch die Bundesländer unterworfen.
Weiter enthält der RStV Regelungen für Rundfunk (Definition in § 2 Abs. 1 RStV) und Telemedien (VI. Abschnitt des RStV). Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Teledienste und Mediendienste waren bis zum Inkrafttreten des TMG zum einen im Teledienstegesetz und Teledienstedatenschutzgesetz (TDG/TDDSG) und zum anderen im Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) geregelt.
Mit Inkrafttreten des TMG zum 1.3.2007 wurden die wirtschaftsbezogenen rechtlichen Anforderungen und Rahmenbedingungen für Teledienste und Mediendienste (Haftung, Herkunftslandprinzip, Informationspflichten und Datenschutz) einheitlich im TMG geregelt. Insoweit hat der Bund seine Gesetzgebungskompetenz ausgeübt. Für die inhaltsbezogenen Regelungen konnte aus Kompetenzgründen keine Vereinheitlichung zwischen Telemedien- und Rundfunkdiensten herbeigeführt werden. So finden auf Telemedien, die journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote enthalten zusätzlich zum TMG der RStV Anwendung.
Für die Frage nach den anwendbaren Datenschutzbestimmungen für private IPTV-Anbieter kommt es auf die Abgrenzung zwischen Rundfunkveranstalter und Plattformbetreiber sowie auf die Abgrenzung zwischen Rundfunk- und Telemediendiensten nicht entscheidend an (siehe Schmitz, Übersicht über die Neuregelung des TMG und RStV, K&R 2007, 135 ff.). Denn auch für Rundfunkdienste haben die Bundesländer mit § 47 RStV bestimmt, dass sich die Datenverarbeitung einheitlich „nach dem Telemediengesetz in der jeweils aktuellen Fassung“ bestimmt. Für private Plattformbetreiber gilt hinsichtlich der Verbreitung von Rundfunk und Telemedien in Datenschutzfragen einheitlich das TMG.
Anwendbarkeit der Datenschutzvorschriften des TKG?
Anbieter von IPTV sind als sog. Tripple Play-Anbieter (Fernsehen, Telefonie und Internet aus einer Hand) auch Anbieter von Telekommunikationsdiensten iSv § 3 Nr. 6 TKG. Die Erfassung des Nutzungsverhaltens bei IPTV-Angeboten ist aber nicht an den Datenschutzvorschriften des TKG zu messen. Das TMG weist in § 1 Abs. 1 lediglich solche Telekommunikations- und Informationsdienste dem TKG zu, die „ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen“ (§ 3 Nr. 24 TKG) oder die „keine[n] räumlich und zeitlich trennbaren Leistungsfluss auslösen, sondern bei denen die Inhaltsleistung noch während der Telekommunikationsverbindung erfüllt wird.“ (§ 3 Nr. 25 TKG). IP als dem IPTV zugrundeliegende Technik betrifft zwar die dem TKG zugewiesene Transportebene. IPTV selbst, als auf der Transportebene IP aufbauender Dienst, betrifft aber die Inhaltsebene, die dem TMG zugewiesen ist.
Vorgaben des TMG
Das TMG stellt in § 12 Abs. 1 die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten unter Einwilligungsvorbehalt soweit keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung vorliegt. Das TMG selbst erlaubt die Erhebung von Nutzungsdaten grds. nur zur Erbringung und Abrechnung von Telemedien (vgl. § 15 Abs. 1 TMG) und zur Missbrauchsbekämpfung (vgl. § 15 Abs. 8 TMG), nicht aber zur Erfassung des Nutzungsverhaltens zu anderen Zwecken.
§ 15 Abs. 3 TMG enthält aber eine gesetzliche Erlaubnis zur Erfassung des Nutzungsverhaltens„für Zwecke der Werbung, der Marktforschung oder zur bedarfsgerechten Gestaltung der Telemedien Nutzungsprofile bei Verwendung von Pseudonymen [zu] erstellen, sofern der Nutzer dem nicht widerspricht.“ Damit ist beim Einsatz von Pseudonymen eine Erfassung des Nutzungsverhaltens auch ohne vorherige Einwilligung der Kunden bis auf Widerspruch grds. zulässig (opt-out).
Mit der Problematik der Erfassung des Nutzungsverhaltens bei IPTV hat sich z,B. auch Weichert befasst und in diesem Zusammenhang das Vorgehen der Deutschen Telekom AG bei der geplanten Einführung der Überwachung des Nutzungsverhaltens der Kunden des eigenen IPTV-Dienstes „Entertain“ kritisiert. Offen blieb dort aber – auch im Hinblick auf die in Deutschland nicht erfolgte Umsetzung der sog. Cookie-RL – die konkrete Rechtsgrundlage für die Erfassung des Nutzungsverhaltens. Diese Diskussion steht noch an.