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Pokémon Go und das „digitale Hausrecht“

avatar  Felix Hilgert
@Felix_CGN

Auf einmal jagten Millionen Menschen mit ihrem Smartphone virtuelle Comic-Figuren: Pokémon Go hat zahlreiche Spieler auf die Straße gebracht und war in den Medien auch sicherlich eines der Sommerloch-Themen des Jahres. Während sich Spieler und Entwickler freuten, stellten sich betroffene Grundstückseigentümer vor allem folgende Frage:

Kann man sich gegen virtuelle, real nicht-existente Monster im eigenen Vorgarten wehren?

Hausrechtliche Effekte der Spielfunktion

Pokémon Go ist ein Augmented Reality-Spiel (AR-Spiel) mit location-based Gaming-App, das Spielprinzip ist schnell erklärt: Spieler müssen Comic-Figuren (Pokémons) fangen, trainieren und gegeneinander kämpfen lassen. Dazu benötigen sie ein Smartphone. Im Gegensatz zu gängigen Computerspielen müssen sich die Spieler physisch zu den jeweiligen Orten bewegen, denn die Wesen sind geographisch in der Landschaft verteilt.

Dass sich die Spieler in der realen Welt bewegen, führte zu einem bis dato unbekannten Problem: Die virtuellen Figuren selbst sind in keiner Form sinnlich wahrnehmbar, sie ziehen aber Menschen an. Ist ein Pokémon einmal auf einem Privatgrundstück platziert bzw. lockt eine virtuelle Location eine große Zahl Spieler an, kann die Platzierung des virtuellen Objekts zu realen Beeinträchtigungen führen.

Zwar hat der Entwickler Niantic nach eigenen Angaben versucht, Spielelemente möglichst nur auf öffentlichem Grund zu platzieren. Dennoch gab es zahlreiche Beschwerden. Medien berichteten von fehlplatzierten Elementen auf Privatgrund bis hin zu „Arenen“ an sensiblen Orten wie Friedhöfen oder Denkmälern. Der große Hype um die App tat sein Übriges, öffentliche Plätze und Straßen wurden mehrfach allein durch die Vielzahl an Spielern regelrecht blockiert:

  • Kirche:   Im Kölner Dom mussten Spieler von Domschweizern des Hauses verwiesen werden.
  • Innenstadt:   In Düsseldorf sperrte die Stadt zeitweise eine Brücke in der Innenstadt.
  • Gericht:   Ein Bericht wonach eine Anwältin wegen des Spielens aus dem LG Düsseldorf hinausgeworfen worden sei, stellte sich zwar als Falschmeldung heraus – war der Presse aber offenbar auch plausibel erschienen.

AR-Spieleanbieter als mittelbarer Störer

Eigentümer und Mieter können Spielern unproblematisch Hausverbote erteilen. Wer sich beeinträchtigt fühlt, wird aber gegen die „Quelle“ vorgehen wollen, also eine Löschung oder Verschiebung der virtuellen Objekte erwirken wollen. Regelmäßig können Anbieter von ortsbasierten Apps für Beeinträchtigungen – jedenfalls oberhalb einer von der Rechtsprechung im Einzelnen noch herauszuarbeitenden Bagatellschwelle – als mittelbare Störer haftbar gemacht werden, sofern sie gegen zumutbare Prüfpflichten verstoßen (Hilgert/Sümmermann, CR 9/2016).

  • Prüfpflicht oder Privilegierung

Bei der Entwicklung angemessener Prüfpflichten für AR-Spieleanbieter ist u.a. die Eigenverantwortung der Spieler zu berücksichtigen. Von diesen geht schließlich die Beeinträchtigung unmittelbar aus. Privilegierend wirkt sich für AR-Spieleanbieter aus, wenn beim Start einer AR-Spiele-App darauf hingewiesen wird, dass Spieler auf ihre Umgebung achten und nicht beim Autofahren bzw. in vergleichbaren Situationen spielen sollen.

  • Lösungsansätze bei Pokémon Go

Bei Pokémon Go hat der Entwickler dies geradezu vorbildlich umgesetzt. Niantic hat eine Reihe verschiedener Warnhinweise in die App integriert, die beim Start angezeigt werden. Diese weisen Spieler u.a. darauf hin, keine fremden Grundstücke zu betreten und die App auch nicht beim Autofahren zu verwenden:

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Obwohl vertragsrechtlich rein deklaratorisch, hat auch der entsprechende Hinweis in den Nutzungsbedingungen aufklärenden Charakter. In den Nutzungsbedingungen  von Pokémon Go heißt es unter dem Punkt „Verhalten“:

„Sie stimmen zu, dass Sie für Ihr eigenes Verhalten und Ihre Nutzer-Inhalte im Rahmen der Nutzung der Services und alle hieraus erwachsenden Konsequenzen verantwortlich sind. Bitte lesen Sie hierzu unsere Gemeinschaftsleitlinien (https://pokemongo.nianticlabs.com/support/guidelines/de) zur Information über die Verhaltensweisen und Nutzer-Inhalte, die im Rahmen der Nutzung der Services untersagt sind. Beispielshalber, und nicht als Einschränkung, erklären Sie sich einverstanden, dass Sie im Rahmen der Nutzung der Services und Inhalte nicht: […]

– Hausfriedensbruch oder in irgendeiner Weise unbefugtes Betreten versuchen oder sich Zugang zu einem Grundstück oder Standort verschaffen, an dem Sie nicht die Berechtigung oder die Erlaubnis zum Aufenthalt haben;

  • Haftung erst ab Kenntnis

Eine Vorabkontrolle der Elementplatzierungen zu verlangen, wäre bei Pokémon Go mit Blick auf die Gestaltung des Spiels unzumutbar. Bei Pokémon Go ist daher wie den meisten Spielen das aus der Störerhaftung bekannte „Notice and Take Down“ Modell anzuwenden: Eine Haftung für Beeinträchtigungen durch virtuelle Elemente ist regelmäßig erst ab Kenntnis einer Rechtsverletzung bzw. einer darauf hinweisenden, hinreichend konkreten Beanstandung denkbar. Im Fall von Pokémon Go wird dies Betroffenen übrigens einfach gemacht: Niantic bietet auf seiner Homepage ein Formular, um Pokéstops und Arenen entfernen zu lassen.

Die Nutzerzahlen von Pokémon Go sind schon wieder rückläufig, der erste Hype um das Spiel ist vorbei. Das Genre ortsbasierter AR-Spiele steht aber erst ganz am Anfang. Streitigkeiten um virtuelle Objekte im realen Raum werden daher voraussichtlich in Zukunft noch zunehmen.

Dieser Text basiert auf dem Beitrag „Hausverbot für Pokémons? Die Abwehr virtueller Gegenstände auf Privatgrundstücken“ von Felix Hilgert und Philipp Sümmermann, der in der kommenden CR 9/2016 erscheinen wird.

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