Otto Schmidt Verlag

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BGH 27.3.2012, VI ZR 144/11

Betreiber von RSS-Feeds mit erkennbar fremden Inhalten anderer Medien müssen Beiträge nicht vor Veröffentlichung überprüfen

Der Betreiber eines Informationsportals, der erkennbar fremde Nachrichten anderer Medien (hier: RSS-Feeds) ins Internet stellt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf evtl. Rechtsverletzungen zu überprüfen; er ist erst verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch eine Nachricht hin, kann der Betreiber als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Der Sachverhalt:
Die in Luxemburg ansässige Beklagte betreibt unter ihrer Internet-Adresse ein deutschsprachiges Informationsportal. In diesem stellt sie Informationen aus Medien zur Verfügung, die sie über sog. RSS-Dienste bezieht. Diese versorgen ihre Abonnenten ähnlich einem Nachrichtenticker fortlaufend mit kurzen Informationsblöcken, die aus einer Schlagzeile mit kurzem Textanriss und einem Link zur Originalseite bestehen. Der Nutzer kann auf der Internetseite der Beklagten auch Suchbegriffe eingeben und innerhalb des auf dem Portal zur Verfügung stehenden Materials recherchieren.

Am 16.10.2009 verbreitete die Beklagte unter dem Titel "Ex-RAF-Terroristin H. radelt in den Freigang" ein Bildnis, welches H zeigte und heimlich aufgenommen worden war. Das Bild mit dem zugehörigen Artikel stammte aus einem RSS-Feed der Streithelferin, der Inhaltsverantwortlichen für die Website www.bild.de. Diese hatte das Bildnis und den dazugehörigen Artikel bereits am 13.10.2009 aus dem Netz genommen, nachdem die Kläger, von H beauftragte Rechtsanwälte, eine entsprechende einstweilige Verfügung erwirkt hatten.

Im Auftrag von H nahmen die Kläger auch die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Diese entfernte daraufhin ebenfalls den Artikel, verweigerte aber die Zahlung der durch die Inanspruchnahme der Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten, welche die Kläger aus abgetretenem Recht von H im vorliegenden Rechtsstreit geltend machen.

AG und LG wiesen die Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat mit Recht einen Unterlassungsanspruch von H gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, welcher Voraussetzung für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten wäre, verneint.

Die Beklagte haftet nicht deshalb auf Unterlassung, weil sie durch die beanstandete Berichterstattung selbst unzulässig in das Persönlichkeitsrecht von H eingegriffen hätte. Denn die Beklagte hat die Meldung nicht selbst verfasst und sie sich auch nicht zu eigen gemacht. Im Streitfall wird eine redaktionelle Kontrolle nicht durchgeführt; vielmehr ist der beanstandete Feed automatisiert im Rahmen eines bestehenden Abonnementvertrages zwischen der Beklagten und der Streithelferin ungeprüft übernommen worden. Zudem sind die auf der Website der Beklagten dargestellten Inhalte auch als fremd gekennzeichnet worden.

Die Beklagte haftet auch nicht deshalb auf Unterlassung, weil sie die beanstandete Meldung auf ihrem Informationsportal zum Abruf bereitgestellt und dadurch verbreitet hat. Das LG hat unter diesem Gesichtspunkt eine Haftung der Beklagten als Störer mit Recht verneint. Der Betreiber eines Informationsportals, der wie die Beklagte erkennbar fremde Nachrichten anderer Medien und Blogs ins Internet stellt, ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Das würde den Betrieb des dem Informationsinteresse der Mediennutzer dienenden, auf schnelle und aktuelle Information ausgerichteten Informationsportals unzuträglich hemmen.

Den Betreiber eines Informationsportals trifft deshalb erst dann eine Prüfpflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber eines Informationsportals auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt einer in das Portal eingestellten Nachricht hin, kann der Betreiber des Portals als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Im Streitfall hat die Beklagte, nachdem sie von den Klägern auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts ihrer Mandantin durch die Streithelferin hingewiesen worden ist, die beanstandete Berichterstattung aus ihrem Angebot genommen. Infolgedessen ist sie nicht zur Störerin geworden und war auch keinem Unterlassungsanspruch ausgesetzt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.05.2012 15:38
Quelle: BGH