Gesetzentwurf für Hinweisgebersysteme - Whistleblowerschutz

Am 23.5.2012 hat die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf "zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz)" eingebracht.

Verfahrensstand-Anzeiger

Hinweis: Materialien zu diesem Gesetzgebungsvorhaben können am Ende dieser Seite abgerufen werden.

Den Entwurf hatte die Partei zunächst über ihre Internetpräsenz öffentlich diskutieren und weiterentwickeln lassen (siehe unten). Am 14.6.2012 wurde der Gesetzentwurf im Bundestag beraten und anschließend an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. In der vorangegangenen Debatte kamen die gegensätzlichen Ansichten der Parteien nochmals zu Ausdruck. Während die Opposition eine gesetzliche Regelung für notwendig erachtet, sehen die Regierungspartei von CDU/CSU und FDP hier keinen Handlungsbedarf. Vielmehr sollten, nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion, die Unternehmen selbst für interne Hinweisgebersysteme sorgen.

Rechtsanwalt Benjamin Schütze, LL.M. (Wellington), Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Text der Vorversion(en):


Am 5.7.2011 brachte die Fraktion der Linkspartei im Deutschen Bundestag einen Antrag ein, in welchem der Deutsche Bundestag dazu aufgefordert wird die Bedeutung von Hinweisgebern ("Whistleblower") für die Aufklärung von Missständen in Unternehmen/Organisationen und damit auch für die Gesellschaft anzuerkennen und sich für ihren Schutz einzusetzen. Sie beantragte ferner, der Bundestag möge die Bundesregierung dazu auffordern bis Ende 2011 einen Gesetzentwurf zum Schutz und zur Förderung der Tätigkeit von Hinweisgebern vorzulegen. Damit soll sichergestellt werden, dass Personen die Hinweise gegeben oder Unterstützungsmaßnahmen zu Aufklärungen von Missständen geleistet haben, keine Vergeltungsmaßnahmen befürchten müssen. Das Gesetz solle damit auch ein Beitrag dazu sein die Tätigkeit von Hinweisgebern gesellschaftlich anzuerkennen und "von der Diffamierung als Denunziantentum zu befreien". Um Repressalien wirksam zu verhindern, soll anonymes Whistleblowing ermöglicht und Handlungen die darauf abzielen Hinweisgeber zu behindern oder zu bestrafen sanktioniert werden. Zudem müsse das Gesetz einen Anspruch auf Schadensersatz des Hinweisgebers gewähren. Die Neuregelung solle dabei insbesondere auch arbeitsrechtliche (Kündigungen, Versetzungen etc.), strafrechtliche (z.B. Schutz vor Strafverfolgung wegen übler Nachrede, Verletzung von Amts- oder Geschäftsgeheimnissen) und medienrechtliche Fragenstellungen erfassen. Flankiert werden soll das Gesetzesvorhaben von weiteren Maßnahmen (u.a. Erarbeitung von Grundsätzen für interne Hinweisgebersysteme, Best Practices).

RA Benjamin Schütze, LL.M. (Wellington), Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Am 3.11.2011 veröffentlichte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen einen Gesetzentwurf zum Schutz von Hinweisgebern. Dieser wurde bisher nicht in den Bundestag eingebracht sondern sollte zunächst öffentlich diskutiert und entwickelt werden. Der Vorschlag ist als Artikelgesetz ausgestaltet, welches Änderungen im BGB, Bundesbeamtengesetz (BBG) und Beamtenstatusgesetz vorsieht. Danach soll neben einer Beweislastregel in einem neuen § 612a Abs. 2 BGB ein § 612b BGB eingefügt werden. Dieser regelt die Voraussetzungen eines Anzeigerechts des Arbeitnehmers nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgestuft in sechs Absätzen. Aussagen zu Schadensersatz und Unterlassungsansprüchen des Arbeitnehmers trifft der Vorschlag nicht, insofern sind die allgemeinen Regeln anzuwenden. Für den öffentlichen Dienst sind Änderungen des BBG und des Beamtenstatusgesetzes vorgesehen. Diese sehen im Wesentlichen eine Ausnahme vom Dienstwegprinzip beim Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine Straftat oder eine gegenwärtige Gefahr für eines, in dem Entwurf genannten Rechtsgütern vor. Interessant ist, dass der Entwurf die "Stabilität des Finanzsystems" als Schutzgut aufnimmt.

Dem Gesetzentwurf war eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen an die Bundesregierung vorausgegangen. Darin ging es unter anderem um die Möglichkeit und Notwenigkeit eines Schutzes für Hinweisgeber und ob die Bundesregierung hier eine gesetzliche Regelung vorbereiten wolle.

RA Benjamin Schütze, LL.M. (Wellington), Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Am 07.02.2012 brachte die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern - Whistleblowern (Hinweisgeberschutzgesetz - HinwGebSchG) ein.

Dieser Gesetzesentwurf soll den Schutz von Beschäftigten verbessern, die dazu beitragen, dass in ihren Organisation und Unternehmen Missstände oder sogar Straftaten aufgedeckt werden. Denn nach Ansicht der SPD Fraktion ist dieser Schutz in Deutschland nur unzureichend geregelt. Bisher berechtigen gesetzliche Anzeigerechte Beschäftigte nur ausnahmsweise dazu innerbetriebliche Missstände extern anzuzeigen und häufig muss erst ein innerbetriebliches Beschwerdeverfahren durchlaufen werden. Dies schafft Unsicherheiten für die Betroffenen und verhindert so die Offenlegung und Aufklärung von Missständen. Der von der SPD Fraktion vorgeschlagene Gesetzesentwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes sei daher nötig um Beschäftigte vor arbeitsrechtlichen Nachteilen zu schützen. Gegen eine gesetzliche Regelung wird eingewandt, dass die Einführung eines Hinweisgebersystems ein Klima der Denunziation fördere, wodurch das Betriebsklima nachhaltig Schaden nehme. Dem soll im nun vorgelegten Entwurf mit einem am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Anzeigerecht entgegengewirkt werden. Zudem zeigen Erfahrungen aus andere Staaten (z.B. Sarbanes-Oxley Act, USA; Public Interest Disclosure Act 1998, Großbritannien), in den bereits Regelungen zu Hinweisgebersystemen existieren, dass dadurch keineswegs eine "Klima der Denunziation" geschaffen worden sei.

Der vorgelegte Gesetzentwurf besteht insgesamt aus 15 Vorschriften. In den §§ 2 und 3 finden sich Aussagen zu Anwendungsbereich sowie Begriffsbestimmungen. In § 4 Abs.1 wird festgelegt, dass Hinweisgeber wegen ergangener Hinweise nicht benachteiligt werden dürfen. Dem Arbeitgeber werden in § 5 Maßnahmen und Pflichten auferlegt um zu verhindern, dass Hinweisgeber benachteiligt werden. Zentrale Vorschrift des Gesetzentwurf ist § 6. Darin ist das Anzeigerecht des Hinweisgebers geregelt. Gemäß Abs. 1 kann sich der Hinweisgeber bei Missständen sowohl an den Arbeitgeber oder innerbetrieblich zuständige Stellen (internes Whistleblowing) als auch an externe Stellen (externes Whistleblowing) wenden. Ein Hinweis an Dritte, die keiner Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen oder an die Öffentlichkeit ist nach den Voraussetzungen des Abs. 2 eingeschränkt. Es soll zunächst nur bei gravierenden Rechtsverstößen, bei denen erhebliche private oder öffentliche Interessen verletzt werden, möglich sein. Hier ist es für den Hinweisgeber verhältnismäßig zunächst das Mittel der Behördenanzeige zu nutzen. In § 7 sind Leistungsverweigerungsrechte des hinweisgebenden Arbeitnehmers geregelt, während die §§ 8 und 9 Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche bei rechtswidriger Benachteiligung des Hinweisgebers gewähren. § 10 regelt einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegen den Hinweisgeber aus einem rechtswidrigen Hinweis. Um einem "Klima der Denunziation" vorzubeugen soll § 10 damit die "Verantwortung der Hinweisgebenden als mündige Bürger" unterstreichen, wobei die Anforderungen an einen Schadensersatzanspruch hoch angesetzt sind. § 11 verknüpft den Entwurf mit dem BDSG und schafft für unternehmensinterne Whistleblowingprogramme einen eigenen Rechtfertigungsgrund gemäß § 4 Abs. 1 BDSG. Derzeit agieren gerade international ausgerichtete Unternehmen, die an US-amerikanischen Börsen gehandelt werden, in einer rechtlichen Grauzone, da US-Börsenrecht die Einrichtung von Whistleblowersystemen vorschreibt. § 12 sieht Regelungen zur Beweislast vor und verbessert dadurch die Rechtsposition des Hinweisgebers bei Benachteiligungen. Die §§ 13 und 14 treffen schließlich Regelungen zu Unabdingbarkeit der Vorschriften des Hinweisgeberschutzgesetzes sowie Sanktionsmöglichkeiten (§ 14) bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot.

RA Benjamin Schütze, LL.M. (Wellington), Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Am 5.3.2012 fand im Ausschuss für Arbeit und Soziales des deutschen Bundestages eine Anhörung zum Schutz von Hinweisgebern statt.

Anlass der öffentlichen Sitzung waren insbesondere der Antrag "Die Bedeutung von Whistleblowing für die Gesellschaft anerkennen" der Fraktion Die Linke sowie der zum gleichen Thema eingebrachte Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Angehört wurden 13 Sachverständige, sechs davon Unternehmen oder Verbänden angehörend (Michael Heilmann, Deutscher Gewerkschaftsbund; Hans Ulrich Benra, Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden e.V.; Nora Braun und Roland Wolf, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände; Josef Winter und Klaus Moosmayer, Siemens AG) und sieben Einzelsachverständige (Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. Philipp Kramer, RA Tim Wybitul, Dr. Dieter Deiseroth, Guido Strack, Cathy James, Prof. Dr. Jens Schubert) vorwiegend mit wissenschaftlichem oder anwaltlichen Hintergrund.

Nach Meinung der Arbeitnehmervertreter des DGB sei die bisherige Rechtslage "völlig unzureichend" und daher "jede Aktivität, den Schutz vor Sanktionen von Hinweisgebern vor allem im Beschäftigungsverhältnis zu verbessern" zu begrüßen. Dabei müssten insbesondere arbeitsrechtliche Maßnahmen unzulässig sein. Herr Strack betonte die Wahrung und Förderung öffentlicher Interessen, welche ein "Signal an die Zivilgesellschaft" notwendig mache und sprach sich deshalb ebenfalls für eine klare gesetzliche Regelung aus. Zudem sei der Schutz von Hinweisgebern von den Fachgerichten derzeit nur unzureichend gewährleistet. Prof. Schubert fordert den Schutz von Whistleblowern entweder in einem eigenständigen Gesetz oder einem Artikelgesetz, welches in den §§ 611 ff BGB Neuregelungen schafft. Hierbei sollten auch weitere Schutzgüter (z.B. Funktionieren des Finanzsystems) in das Gesetz aufgenommen werden. Prof. Henssler plädierte für eine schlanke gesetzliche Regelung, vorzugsweise im BGB, welche vor allem bestehende Rechte des Whistleblowers transparenter mache und dadurch effektiver schützen könne. Auch Dr. Deiseroth betonte die Intransparenz der gegenwärtigen Rechtslage. Zudem verwies er auf die Funktion des Whistleblowings als "Frühwarnsystem" und die damit verbundenen Reputationsvorteile, die sich aus einem verantwortungsbewussten Umgang mit Hinweisgebern ergäben. Rechtsanwalt Wybitul betonte die grundsätzliche Zweckmäßigkeit eines Gesetzes, welches gutgläubige Hinweisgeber schützt, verwies aber zugleich auf mögliche Probleme bei der Umsetzung in die rechtliche Praxis. Zudem berichtete er über die Erfahrungen mit Hinweisgeberschutzsystemen in den USA (z.B. durch den Sarbanes-Oxley-Act, False-Claims-Act, Dott-Frank-Act), welche aufgrund des dort schwächer ausgeprägten Kündigungsschutzes nur bedingt auf die Rechtslage in Deutschland übertragbar seien.

Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sah wegen des in § 612a BGB geregelten Maßregelverbots, sowie den in vielen Unternehmen geltenden Betriebsvereinbarungen welche Hinweisgeber ausreichend schütze, keinen Notwendigkeit die bestehende Gesetzeslage zu ändern.

Der Vertreter des Verbands der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden e.V. Herr Benra hob hervor, dass die "voraussetzungslose Entscheidungsfreiheit" des Whistleblowers hinsichtlich interner oder öffentlicher Hinweise wenn überhaupt nur als letztes Mittel und nur ausnahmsweise in Betracht kommen könne. In diesem Zusammenhang betonte auch Dr. Kramer, dass wegen der potentiell erheblichen Auswirkungen für das Ansehen des Unternehmens der interne Berichtsweg für den Arbeitnehmer nicht mehr zumutbar sein dürfe.

Die Vertreter der Siemens AG verwiesen auf die Notwendigkeit von Hinweisgebern und betonten, dass es wichtig sei Anreize zur Complianceförderung insgesamt zu schaffen. Bei Siemens sei dazu eine Unternehmensrichtlinie erstellt worden, nach der von Mitarbeitern erwartet werde - ohne dass hierin eine rechtliche Verpflichtung vorläge -, dass Complianceverstöße gemeldet würden. Das Unternehmen stelle dazu auch ein "Compliance Helpdesk" bereit über welche Verstöße anonym gemeldet werden können.

Abschließend berichtete Frau James über den Schutz von Whistleblowern am Arbeitsplatz in Großbritannien und die Erfahrungen mit dem Public Interest Disclosure Act 1998 welcher den Schutz von Whistleblowern regelt.

Bereits am 1.3.2012 wurden die von den Sachverständigen in Vorbereitung auf die Anhörung gefertigten Gutachten veröffentlicht. Diese umfassen die Stellungnahmen der folgenden Verbände und Einzelsachverständigen: Deutscher Gewerkschaftsbund, Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden e. V, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Siemens AG, Bund der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit (Vertreter hat an der Anhörung nicht teilgenommen), Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. Philipp Kramer, Rechtsanwalt Tim Wybitul, Dr. Dieter Deiseroth, Guido Strack, Cathy James und Prof. Dr. Jens Schubert. Zudem nahm der nicht geladene Handelsverband Deutschland e.V. (HDE) Stellung.

Rechtsanwalt Benjamin Schütze, LL.M. (Wellington), Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Antrag durch "die Linke" v. 5.7.2011

Kleine Anfrage der Grünen (BT-Drs. 17/06902) vom 2.9.2011

Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Grünen (BT-Drs. 17/7053) vom 21.9.2011

Gesetzentwurf vom Bündnis 90 die Grünen vom 26.10.2011

Gesetzentwurf der SPD zum Hinweisgeberschutzgesetz vom 7.2.2012 (BT-Drs. 17/08567)

Materialien zur öffentlichen Anhörung (Ausschussdrucksache 17(11)783) vom 1.3.2012

Ausschusssitzung für Arbeit und Soziales des deutschen Bundestages 5.3.2012

Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23.5.2012 (BT-Drs. 17/9782)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.07.2012 17:02

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