Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens
Nachdem sich Bund und Länder im Vermittlungsausschuss auf einen Kompromiss zum Melderecht geeinigt hatten, haben nun sowohl Bundestag als auch Bundesrat diesem zugestimmt.
Hinweis: Materialien zu diesem Gesetzgebungsvorhaben können am Ende dieser Seite abgerufen werden.
Wesentlicher Streitpunkt war, ob für die Weitergabe persönlicher Daten von Bürgern an Firmen für Werbung und Adresshandel durch die Einwohnermeldeämter die ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen erforderlich sein sollte oder ob die im bisherigen Entwurf vorgesehene Widerspruchslösung den Betroffeneninteressen genüge.
Der am 1.3.2013 schließlich auch durch den Bundesrat verabschiedete Kompromiss sieht vor, dass künftig die Bürger ihre ausdrückliche Einwilligung gegenüber der Meldebehörde oder dem an den Daten interessierten Unternehmen erteilen müssen, damit die Weitergabe und Nutzung der Daten rechtmäßig ist. Verstöße sollen mit Bußgeldern geahndet werden können. Zudem wird die Einwilligung stets nur streng zweckgebunden erteilt. Im Mai 2015 soll die Tragfähigkeit der nun gefundenen Regelungen evaluiert und dem Parlament Bericht erstattet werden.
Das Inkrafttreten des neuen Melderechts ist für Mai 2013 geplant.
Autor: Dipl.-Jur. Phillip Hofmann, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Text der Vorversion(en):Am 27.6.2012 hat der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP den Entwurf zum "Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens" (MeldFortG) angenommen.
Mit dem Gesetz soll das bisher geltende Melderechtsrahmengesetz (MMRG) aus dem Jahre 1980 mit den Landesmeldegesetzen in einem einheitlichen Bundesmeldegesetz zusammengeführt werden. Der nunmehr beschlossene Entwurf des MeldFortG stellt eine geänderte Fassung eines Entwurfs dar, der am 16.11.2011 seitens der Bundesregierung in den Bundestag eingebracht wurde. Ziel sei es, die Regulierbarkeit des Meldewesens, das erhebliche grenzüberschreitende Bezüge aufweise, zu erhöhen, indem es erstmals bundesweit und unmittelbar geltende Vorschriften für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die mit dem Vollzug des Melderechts befassten Behörden geben werde. Bisher sah sich der Bund auf den Erlass umsetzungsbedürftiger Richtlinien nach MMRG beschränkt. Die Zentralisierung sei notwendig, da sich das moderne Meldewesen zum "informationellen Rückgrat" aller Verwaltungsbereiche entwickelt habe.
Ein zweiter Schwerpunkt des Entwurfs bezieht sich auf die Praxis der Bereitstellung von Daten für den öffentlichen Bereich, aber auch für den privaten Sektor. Durch die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für den verbesserten Zugang von öffentlichen Stellen zu bestehenden Meldedatenbeständen sollen Meldedaten noch effizienter zur Erledigung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden können.
Erhebliche Kritik, insbesondere auch seitens der Datenschutzbeauftragten einiger Länder, entzündet sich aktuell an der eingefügten Bestimmung zur Nutzung von Meldedaten für Werbung und Adresshandel. Es wird kritisiert, dass die Vorschrift kurzfristig und unter Umkehr ihres Regelungsinhalts in den nun beschlossenen Entwurf aufgenommen worden sei. In dem ersten Entwurf vom 16.11.2011 in § 44 Abs. 3 Nr. 2 MeldFortG hieß es demnach:
"Die Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft ist nur zulässig, wenn die Auskunft verlangende Person oder Stelle erklärt, die Daten nicht zu verwenden für Zwecke
a) der Werbung oder
b) des Adresshandels,
es sei denn die betroffene Person hat in die Übermittlung für jeweils diesen Zweck eingewilligt."
In dem nun beschlossenen Entwurf heißt es jedoch in dem neu eingefügten § 44 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 MeldFortG:
"Die betroffene Person hat das Recht, der Übermittlung ihrer Daten zu den in Satz 2 genannten Zwecken (Zwecke der Werbung oder des Adresshandels, d. Verf.) zu widersprechen [...]"
und in dem neu eingefügten § 44 Abs. 4 Nr. 2 MeldFortG:
"Es ist verboten, Daten aus einer Melderegisterauskunft zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden, [...] wenn die betroffene Person gegen die Übermittlung für jeweils diesen Zweck Widerspruch eingelegt hat.
Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden."
(Hervorhebungen durch Verf.)
Hieran wird kritisiert, dass die geplante Opt-In-Lösung ("Einwilligung") im Entwurf durch ein Opt-Out-Verfahren ("Widerspruch") ersetzt worden sei. Die Widerspruchslösung sieht auch das derzeit geltende Recht vor. Neu ist, dass dieses Widerspruchsrecht ausgeschlossen sein soll, wenn bei der nachfragenden Stelle bereits Daten wie Name, Anschrift, Titel vorhanden seien, die aktualisiert werden sollen. Dass Adresshändler oder Werbetreibende jedoch schon einige Daten besitzen, sei die Regel, da anders eine konkrete Anfrage auch kaum denkbar sei. Im Zweifel könne eine solche sogar fingiert werden. Deshalb dürfte sich, so die Kritik, die Behörde in den meistens Fällen zur Herausgabe gezwungen sehen.
Der Bundesrat wird sich voraussichtlich in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause am 21.9.2012 mit der Gesetzesvorlage befassen. Einige Länder haben bereits angekündigt, dem Gesetz nicht zuzustimmen und den Vermittlungsausschuss anrufen zu wollen.
Autor: Dipl.-Jur. Phillip Hofmann, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Am 21.9.2012 hat der Bundesrat dem umstrittenen Meldegesetz seine Zustimmung verweigert und den Vermittlungsausschuss angerufen.
Die Länderkammer hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, die derzeit im Entwurf enthaltene Widerspruchslösung gegen die Datenweitergabe durch eine Opt-in-Lösung zu ersetzen. Der bisherige Entwurf sieht vor, dass Meldeämter persönliche Daten der Bürger an Firmen und Adresshändler weitergeben können, sofern die betroffenen Bürger dem nicht ausdrücklich widersprechen (opt-out-Lösung). Künftig soll vor einer solchen Datenweitergabe die ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen stehen. Dementsprechend streichen will der Bundesrat auch den Passus in § 44 Abs. 4 Satz 2 des im Bundestag beschlossenen Entwurfes. Dieser sieht vor, dass der Widerspruch gegen die Datenweitergabe für die Nutzung zu gewerblichen Zwecke unbeachtlich sei, wenn die Weitergabe der Daten nur der Aktualisierung bereits vorhandener Daten diene.
Fraglich ist, auf welche Weise die Einwilligung künftig eingeholt werden soll. Der Rechts- und Innenausschuss des Bundesrates schlägt in seiner nun angenommenen Beschlussempfehlung vor, dass dies durch die Unternehmen selbst geschehen solle. Hierzu heißt es demnach in § 44 Abs. 3 Nr. 2 : "Das Vorliegen einer Einwilligung kann gegenüber der Meldebehörde erklärt werden; auf Verlangen sind der Meldebehörde entsprechende Nachweise vorzulegen." Daten- und Verbraucherschützer kritisieren hieran, dass dies den Einwilligungsvorbehalt wirkungslos werden lasse. Unternehmen könnten die Einwilligung in ihren Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen verstecken oder würden sie auch gar nicht einholen. Die Meldeämter hätten auf der anderen Seite dann nicht die Kapazitäten, das tatsächliche Vorliegen der Einwilligung und deren Wirksamkeit zu überprüfen.
Eine konsensfähige Lösung soll nun im Vermittlungsausschuss erarbeitet werden.
Autor: Dipl.-Jur. Phillip Hofmann, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Beschluss des Bundesrates vom 1.3.2013 |
Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 26.2.2013 |
Beschluss des BRates zur Anrufung des Vermittlungsausschusses vom 21.9.2012 |
Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses vom 10.9.2012 (BT-Drs.489/1/12) |
Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 16.11.2011 (BT-Drs.17/7746) |