Gesetz zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (KfiHG)

Am 30.4.2014 hat die Bundesregierung eine Stellungnahme zu dem "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (KfiHG)" des Bundesrates abgegeben.

Verfahrensstand-Anzeiger

Hinweis: Materialien zu diesem Gesetzgebungsvorhaben können am Ende dieser Seite abgerufen werden.

In dieser Stellungnahme wird hervorgehoben, dass die Attraktivität des Justizstandortes Deutschland auch der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen sei. Es wird jedoch ausgeführt, dass sich im praktischen Vollzug erweisen müsse, ob und inwieweit ein tatsächlicher Bedarf für Verfahren, die nach einvernehmlicher Wahl in englischer Sprache geführt werden, besteht und ob die Kammern für internationale Handelssachen die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Dazu wird explizit zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung die im Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Geltung gebrachte Absicht, den Vollzug des Gesetzes zu gegebener Zeit im Einzelnen zu evaluieren, unterstützt. Es wird ferner darauf verwiesen, dass diese sowie die folgenden in der Stellungnahme der Bundesregierung aufgeworfenen Fragen unter Einbeziehung von Vertretern der Wirtschaft, der Anwaltschaft und der Richterschaft diskutiert werden sollen.

Praktische Durchführbarkeit (Eignung der Richter)
In der Stellungnahme der Bundesregierung wird die Frage aufgeworfen, ob die deutsche Justiz über eine zur praktischen Durchführung hinreichende Zahl geeigneter Richter verfügt.
Dass an die Fachsprachenkompetenz der Mitglieder der Kammern für internationale Handelssachen hohe Voraussetzungen gestellt werden müssen, findet bereits in der Gesetzesbegründung zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates Ausdruck. Dazu wird ausgeführt, dass es in Deutschland zahlreiche Richterinnen und Richter gäbe, die die englische Sprache - einschließlich der Fachsprache - hervorragend beherrschen. Bereits die juristische Ausbildung sieht gem. § 5a Absatz 2 Satz 2 DRiG die erfolgreiche Teilnahme an einer Veranstaltung zum Nachweis der fachlichen Fremdsprachenkompetenz vor. Ferner hätten viele Richterinnen und Richter einen LL.M. (Master of Laws) im Ausland erworben und mitunter ihre Fremdsprachenkenntnisse einschließlich des Fachvokabulars im Rahmen beruflicher Tätigkeiten erprobt und erweitert. Es wird hervorgehoben, dass sich die bei einem "LL.M - Examen" geforderten Arbeiten in sprachlicher und gedanklicher Schwierigkeit kaum von üblichen Beschlüssen oder Urteilen unterscheiden würden. Diese Richterinnen und Richter seien in der Lage, in englischer Sprache verfasste Schriftsätze und Dokumente zu verstehen, eine mündliche Verhandlung in englischer Sprache zu führen und Urteile und Beschlüsse in englischer Sprache abzufassen. Abschließend wird auf die Möglichkeit einer Erweiterung der Sach- und Sprachkompetenzen durch Fortbildungen der in Betracht kommenden Richterinnen und Richter verwiesen.

Wenngleich fraglich ist, ob das Absolvieren eines LL.M.s, der einen Studienaufenthalt im Ausland einschließt oder gar die Teilnahme an einer rechtswissenschaftlichen Veranstaltung mit Fremdsprachenbezug per se zur Ausübung richterlicher Tätigkeiten in englischer Sprache qualifizieren kann, ist dennoch davon auszugehen, dass einige Richterinnen und Richter über die erforderlichen Fremdsprachenkenntnisse verfügen. In der Gesetzesbegründung wird in Bezug auf das nichtrichterliche Personal darauf verwiesen, dass davon auszugehen sei, dass bundesweit voraussichtlich nur eine begrenzte Zahl von Kammern für internationale Handelssachen eingerichtet würde, sodass auch nur ein begrenzter Personalbedarf mit entsprechenden Sprachkenntnissen entstehe. Gleiches muss für die Richterinnen und Richter gelten. Zudem ist anzuführen, dass die Gesetzeslage de lege ferenda in § 93 Absatz 2 GVG-E eine fakultative Kompetenzzuweisung zur Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen vorsieht. Den Bedenken kann also auch entgegengehalten werden, dass keine Kammer für internationale Handelssachen eingerichtet werden muss, wenn es aus personellen oder anderen Gründen nicht möglich scheint.

Insbesondere unter Berücksichtigung des begrenzten Bedarfes sowie der Möglichkeit der Fortbildung von Richterinnen und Richtern erscheinen die Bedenken bezüglich des Vorhandenseins einer hinreichenden Zahl geeigneter Richter daher zwar berechtigt, aber im Ergebnis unbegründet zu sein.

Ausweitung des Gesetzesvorhabens zur Berücksichtigung von Schiedsverfahren
Außerdem regt die Bundesregierung mit ihrer Stellungnahme an, in dem Gesetzesvorhaben auch die Schiedsgerichtsbarkeit zu berücksichtigen.
Dabei wird die Relevanz Schiedsgerichtsbarkeit als Methode der Streitentscheidung von Unternehmen im internationalen Wirtschaftsverkehr als solche hervorgehoben. Ferner sei Deutschland inzwischen ein wichtiger Standort für Schiedsverfahren. Die Bestimmung von Deutsch als Gerichtssprache würde sich jedoch als attraktivitätsmindernder Faktor für den Schiedsgerichtsstandort Deutschland auswirken, da nach der Gesetzeslage de lege lata solche Gerichtsverfahren, mit denen Schiedsverfahren unterstützt oder Schiedssprüche überprüft werden, in deutscher Sprache geführt werden müssen. Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit werde jedoch ebenfalls von der englischen Sprache als "lingua franca" der Schiedsgerichtsbarkeit beherrscht. Daher solle Gegenstand einer weiteren Prüfung sein, inwieweit dieses Problem im Rahmen des Gesetzesvorhabens mitgelöst werden kann.

Autor: Joris Wendorf, Institut für Rechtsinformatik, Hannover

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Text der Vorversion(en):


Am 14.3.2014 hat der Bundesrat auf Initiative der Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Niedersachsen beschlossen, den Entwurf "eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (KfiHG)" einzubringen.

Der Gesetzentwurf entspricht im Wesentlichen dem vom Bundesrat am 7.5.2010 beschlossenen Entwurf, der vor Ablauf der 17. Wahlperiode nicht abschließend behandelt wurde und damit nach dem Grundsatz der Diskontinuität als erledigt gilt.

Der Gesetzentwurf dient der Ermöglichung der Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen bei den Landgerichten, vor denen Rechtsstreitigkeiten in englischer Sprache geführt werden können.
Die Ermöglichung der Verfahrensführung in englischer Sprache soll ausländische Parteien in die Lage versetzen, vor deutschen Gerichten in der "lingua franca" des internationalen Wirtschaftsverkehrs zu verhandeln und so einer eventuell befürchteten sprachlichen Benachteiligung entgegenzuwirken. Des Weiteren könnte damit die Auslegung von streitgegenständlichen Verträgen, die in englischer Sprache verfasst sind, erleichtert werden, indem so ein Sprachbruch zwischen Vertrags- und Verfahrenssprache verhindert wird.
Insgesamt soll die Etablierung von Englisch als Gerichtssprache die Attraktivität des Gerichtsstandortes Deutschland als solchen steigern und in der Folge bedeutsame wirtschaftsrechtliche Verfahren anziehen. Es wird auch angenommen, dass die Steigerung der Zahl von Vereinbarungen des deutschen Gerichtstandortes mit einer Häufung der Wahl des deutschen Rechts als anwendbares Recht einherginge, was für am internationalen Wirtschaftsverkehr teilnehmende deutsche Unternehmen vorteilhaft sei, da Diesen so in einem vertrauten Rechtssystem ein höheres Maß an Rechtssicherheit zukommen würde.

Der Entwurf sieht im Wesentlichen folgende Änderungen des GVG und flankierende Anpassungen der ZPO vor:

Ermächtigung zur Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen
Zunächst ist die Änderung des § 93 Absatz 2 GVG vorgesehen, der nunmehr eine Ermächtigung der Landesregierungen enthalten soll, durch Rechtsverordnung bei den Landgerichten für den Bezirk eines oder mehrerer Landgerichte Kammern für Handelssachen als Kammern für internationale Handelssachen einzurichten, die gem. § 93 Absatz 3 GVG-E ebenso wie die Ermächtigung für die Bildung der Kammern für Handelssachen auf die Landesjustizverwaltung übertragbar ist. Nach § 93 Absatz 4 GVG-E soll es möglich sein, dass mehrere Länder eine oder mehrere gemeinsame Kammern für internationale Handelssachen einrichten.

Zuständigkeit der Kammern für internationale Handelssachen und Regelung der Verweisung an das zuständige Gericht
Im Anschluss an § 114 GVG sollen die §§ 114a bis 114c GVG-E eingefügt werden, welche die Zuständigkeit der Kammern für internationale Handelssachen sowie die Verweisung an das zuständige Gericht regeln. Außerdem soll in § 114c Absatz 1 GVG-E geregelt werden, dass auf die Kammern für internationale Handelssachen grundsätzlich jene für die Kammern für Handelssachen geltenden Vorschriften Anwendung finden, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Für internationale Handelssachen tritt die Kammer für internationale Handelssachen gem. § 114a GVG-E an die Stelle der Kammern für Handelssachen. Laut der Legaldefinition des § 114b GVG-E sind internationale Handelssachen:
"Handelssachen gemäß § 95, die einen internationalen Bezug haben und nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien in englischer Sprache durchgeführt werden sollen".
Die Durchführung von Handelssachen in englischer Sprache soll vor der Entstehung der Streitigkeit nur vereinbart werden können, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind, wohingegen diese Voraussetzungen nach der Streitentstehung nicht gefordert werden soll, wenn die Vereinbarung ausdrücklich und schriftlich erfolgt. In einer Ergänzung der ZPO um den § 253 Absatz 3a ZPO-E soll verlangt werden, dass in Verfahren vor den Kammern für internationale Handelssachen nach § 114a GVG-E der Klageschrift die Vereinbarung der Parteien über die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache oder die schriftliche Erklärung der Einwilligung der Gegenpartei zur Verhandlung in englischer Sprache beizufügen ist.
Nach § 114c Absatz 2 GVG-E soll eine Verweisung eines Rechtsstreits um eine Handelssache im Falle der §§97, 99 und 104 Absatz 1 Satz 1 GVG auch an eine Kammer für Handelssachen verwiesen werden können. Ferner wird in § 114c GVG-E bestimmt, dass § 98 GVG auch anzuwenden ist, wenn vor einer Kammer für Handelssachen eine vor die Kammer für internationale Handelssachen gehörige Klage zur Verhandlung gebracht wird.

Regelungen der Verfahrenssprache für die Kammern für internationale Handelssachen, die zweite Tatsacheninstanz und die Revisionsinstanz
Für § 184 GVG ist eine Ergänzung vorgesehen, die die Verfahrensführung in englischer Sprache für Verfahren vor den Kammern für internationale Handelssachen sowie den für Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Kammern für internationale Handelssachen zuständigen Senaten der Oberlandesgerichte als Regelfall bestimmt, § 182 Absatz 2 GVG-E.
Dem Wortlaut des § 184 Absatz 3 GVG-E zur Folge wird die Verfahrensführung in englischer Sprache vor dem Bundesgerichtshof hingegen lediglich ermöglicht.
Dennoch soll es nach § 184 Absatz 2 GVG jedem Gericht jederzeit möglich sein, die Hinzuziehung eines Dolmetschers oder die Fortführung des Verfahrens in deutscher Sprache anzuordnen. Ebenso ist einem Antrag auf Hinzuziehung eines Dolmetschers oder der Fortführung des Verfahrens in deutscher Sprache seitens eines Dritten, der dem Streitverkünder nach § 74 Absatz 1 ZPO beigetreten ist, stattzugeben. Ferner ist vorgesehen, dass § 142 Absatz 3 ZPO unberührt bleibt, also das Gericht die Übersetzung von in fremder Sprache abgefassten Urkunden anordnen kann.
Urteils- und Beschlussformeln von in englischer Sprache abgefassten Entscheidungen des Gerichts sollen, sofern sie einen vollstreckbaren Inhalt haben, in die deutsche Sprache übersetzt werden.

Flankierende/Weitere Verfahrensregeln
Der § 73 ZPO soll durch einen weiteren Absatz dahingehend ergänzt werden, dass einem Dritten das Recht zusteht, in einem nach § 184 GVG-E in englischer Sprache geführten Verfahren die Annahme eines in englischer Sprache abgefassten Schriftsatzes bei der Zustellung zu verweigern oder diesen binnen zwei Wochen an das Gericht zurückzusenden. Wird ein solches Recht ausgeübt, hat das Gericht den Streitverkünder unverzüglich darüber in Kenntnis zu setzen und eine Frist zur Übersetzung des Schriftsatzes zu bestimmen. Wird diese Frist zur Zusendung der Übersetzung gewahrt, soll die Zustellung auf den Zeitpunkt zurückwirken, an dem der erste Schriftsatz zugestellt wurde.

Ausblick
Das Gesetzesvorhaben könnte insbesondere für Rechtsstreitigkeiten im Infomations- und Telekommunikationsbereich bedeutsam sein. Hier liegen dynamische Marktstrukturen vor, in denen viele Teilnehmer unterschiedlicher Nationalitäten interagieren. Verträge im Kontext der Informationstechnologie haben einen potentiell grenzüberschreitenden Charakter, sodass die Möglichkeit zur Verfahrensführung in englischer Sprache für Streitigkeiten im Bereich des ITK-Vertragsrechts erwünscht sein könnte.
Dabei ist zu beachten, dass Englisch nicht nur als "lingua franca" des internationalen Wirtschaftsverkehrs angesehen wird, sondern auch "lingua franca" der Wissenschaft ist. Ebenso ist die Informatik stark durch die englische Sprache geprägt. Die Ermöglichung der Verhandlung in englischer Sprache könnte somit eine Vereinfachung und Präzisierung der Auslegung von technischen Elementen der streitgegenständlichen Verträge mit sich bringen und nicht zuletzt  zu einer Steigerung der Rechtssicherheit in diesem Bereich beitragen.

Autor: Joris Wendorf, Institut für Rechtsinformatik, Hannover

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Gesetzesantrag vom 6.3.2014

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.04.2016 13:17

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