OLG Celle v. 2.4.2024 - 5 W 10/24
Zur Auskunftspflicht des Betreibers einer (Arbeitgeber-)Bewertungsplattform
§ 21 Abs. 2 TTDSG beinhaltet eine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage für eine Auskunftspflicht des Betreibers einer (Arbeitgeber-)Bewertungsplattform gegenüber den Betroffenen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Zar kam es im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht darauf an, was an sich einer Zulassung der Rechtsbeschwerde entgegenstehen würde. Aber angesichts dessen, dass Verfahren nach § 21 Abs. 2 TTDSG aller Vermutung nach zukünftig eine große oder zumindest größere praktische Bedeutung haben werden, erschien es als sinnvoll und geboten, dass der BGH die diesbezüglich geltenden Grundsätze klarstellt.
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist Inhaberin eines Unternehmens, bei dem es sich um einen Zusammenschluss von Praxen für Logopädie in Hannover und Umgebung handelt. Die Beteiligte betreibt u.a. eine Arbeitgeberbewertungsplattform, auf der aktuelle und ehemalige Mitarbeiter, Auszubildende sowie Bewerber ihren Arbeitgeber in verschiedenen vorgegebenen Kategorien bewerten können. Die Bewertung erfolgt jeweils in Form einer "Sternebewertung" (von 1 - 5 Sternen). Außerdem besteht die Möglichkeit, die Bewertung des Arbeitgebers in Freitexten weiter auszuführen.
Am 31.1.2023 hatte ein(e) anonymer Nutzer(-in) der Plattform eine negative Bewertung des Unternehmens der Antragstellerin mit dem Titel "Einmal und nie wieder!" gepostet. Darin wurde die Antragstellerin u.a. als einziger Reinfall bezeichnet. Die Zeit sei ein Gang durch die Hölle gewesen. Es habe ein eindeutiges Machtgefälle und unprofessionelles Verhalten gegenüber Angestellten geherrscht. Dabei war die Bewertung mit der geringstmöglichen Anzahl, nämlich einem Stern versehen.
Die Antragstellerin beabsichtigte daraufhin, gegen die Bewertung vorzugehen. Hierzu benötigte sie die mit dem vorliegenden Antrag begehrten Bestandsdaten und wandte sich mit anwaltlichem Schreiben vom 24.2.2023 an die Beteiligte. Diese erklärte mit E-Mail vom 27.2.2023, sie werde die von der Antragstellerin beanstandeten Inhalte vorerst deaktivieren und den Nutzer auffordern, einen Tätigkeits-/Bewerbungsnachweis, die Antragstellerin betreffend, vorzulegen. Mit E-Mail vom 29.4.2023 erklärte die Beteiligte, der anonyme Nutzer habe einen Nachweis für die Tätigkeit/Bewerbung eingereicht, welcher der Antragstellerin in anonymisierter Weise vorgelegt wurde.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt, der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin Auskunft über die Bestandsdaten des hier maßgeblichen Nutzers zu erteilen. Das LG hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde der Beteiligten hat das OLG den Beschluss abgeändert und den Antrag zurückgewiesen. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Nach § 21 Abs. 2 TTDSG darf ein Anbieter von Telemedien im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 10 a Abs. 1 TMG oder § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist. Gem. § 1 Abs. 3 NetzDG sind rechtswidrige Inhalte i.S.v. Abs. 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86 a, 89 a, 91, 100 a, 111, 126, 129 - 129 b, 130, 131,140, 166, 184 b, 185 - 187, 189, 201 a, 241 oder 269 des StGB erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.
Diese Voraussetzungen war vorliegend nicht gegeben. Insoweit bedurfte es nicht der weitergehenden Prüfung, ob die speziellen strafrechtlichen Voraussetzungen der vorgenannten Vorschriften, insbesondere der §§ 185 - 187 StGB, gegeben waren. Denn der Senat vermochte schon im Ausgangspunkt nicht erkennen, dass die streitgegenständlichen Äußerungen der bewertenden Person nach zivilrechtlichen Maßstäben rechtswidrig waren. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Bei dem restlichen Teil des streitgegenständlichen Beitrages handelte es sich um Meinungsäußerungen. Diese sind nicht rechtswidrig.
Ginge man davon aus, dass die hier erörterte Tatsachenbehauptung prozessual streitig wäre, hätte es dem Senat Schwierigkeiten bereitet zu erkennen, welcher der Verfahrensbeteiligten vorliegend die Beweislast oblag. Letztlich war diese Frage aber unerheblich. Der Senat war aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände davon hinreichend überzeugt, dass die bewertende Person nicht nur bei der Antragstellerin in einem Arbeitsverhältnis tätig gewesen war, sondern darüber hinaus auch, dass dieses Arbeitsverhältnis weniger als zwei Monate angedauert hatte. Insofern kam die Verwirklichung von strafrechtlichen Tatbeständen i.S.v. §§ 185 - 187 StGB von vornherein nicht in Betracht. Das LG hatte dies noch anders gesehen.
Dennoch war gem. § 21 Abs. 3 Satz 6 TTDSG, § 70 Abs. 1 FamFG die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergab, vermochte der Senat den bislang ergangenen höchst- und obergerichtlichen Entscheidungen nicht genau zu entnehmen, wie sich bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden die Darlegungs- und Beweislast verteilt. Zar kam es nach Maßgabe der vorstehend gemachten Ausführungen im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht darauf an, was an sich einer Zulassung der Rechtsbeschwerde entgegenstehen würde. Aber angesichts dessen, dass Verfahren nach § 21 Abs. 2 TTDSG aller Vermutung nach zukünftig eine große oder zumindest größere praktische Bedeutung haben werden, erschien es als sinnvoll und geboten, dass der BGH die diesbezüglich geltenden Grundsätze klarstellt.
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