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Die europäische KI-Verordnung (AI Act) Teil 2 – Risikomanagement für Hochrisiko-KI-Systeme (Borges, CR 2024, 565)
Die Regeln für sog. Hochrisiko-KI-Systeme sind der Kern der KI-Verordnung. Der Beitrag führt in die Regelung der KI-Verordnung zu sog. Hochrisiko-KI-Systemen ein (I.), erläutert die beiden Konzepte der Verordnung zur Qualifikation von KI-Systemen als Hochrisiko-KI-Systeme (II. und III.), erläutert zentrale Elemente des Risikomanagements (IV.) sowie die Pflichten der Anbieter und Betreiber von Hochrisiko-KI-Systemen (V.) und diskutiert die Herausforderungen der Regelung in der Wertschöpfungskette (VI.).
INHALTSVERZEICHNIS:
Der zentrale Regelungsgegenstand der KI-Verordnung1 sind die im Kapitel III (Art. 6–49 KI-VO), dem mit Abstand umfangreichsten Kapitel der KI-Verordnung, enthaltenen Regeln zu sog. Hochrisiko-KI-Systemen.2 Wesentlicher Gegenstand der Regelung, die stark an die Regeln der Maschinen-VO3 angelehnt ist, ist ein umfassendes Risikomanagement, das von der sog. Data-Governance über Dokumentationspflichten, Pflichten zum Testen und ggf. Zertifizieren sowie zur Registrierung der KI-Systeme bis zur Marktbeobachtung der Systeme nach Inverkehrbringen reicht. Ergänzt werden die Regeln über das Risikomanagement durch eine behördliche Aufsicht, ein europäisches Register und eine Infrastruktur für den Erlass von technischen Normen für das Testen von KI-Systemen.4
2Adressat der Pflichten ist vor allem der Anbieter, der Sache nach der Hersteller des KI-Systems (dazu unten V.1.). Auch dem Betreiber eines KI-Systems werden Pflichten auferlegt (dazu unten V.2.).5 Zudem muss er darauf achten, nicht selbst den Pflichten des Anbieters unterworfen zu werden. Die KI-Verordnung sieht bei Veränderungen des Systems durch den Betreiber einen Rollenwechsel vom Betreiber zum Anbieter vor, der auch unbewusst und unter recht geringen Voraussetzungen erfolgen kann (dazu unten VI.1.a).
3Die Regeln zum Risikomanagement gelten nur für einen kleinen Kreis von KI-Systemen, sog. „Hochrisiko-KI-Systeme“, von deren Betrieb erhebliche Risiken ausgehen.6 Mit diesem Schlüsselbegriff werden in Art. 6 KI-VO zwei Arten von KI-Systemen bezeichnet, die jeweils völlig unterschiedliche Ansätze zur Bestimmung des Hochrisiko-Charakters eines KI-Systems verfolgen: Nach Art. 6 Abs. 1 KI-VO wird ein KI-System zum Hochrisiko-KI-System, wenn es in ein gefährliches Produkt eingebaut wird oder selbst ein solches ist (sogleich II.), während es nach Art. 6 Abs. 2 KI-VO auf die Verwendung des KI-Systems für bestimmte Zwecke ankommt (unten III.).
Nach Art. 6 Abs. 1 KI-VO ist ein KI-System ein Hochrisiko-KI-System, wenn es ein Produkt ist, das unter die in Anhang I aufgeführten Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union fällt oder ein Sicherheitsbauteil eines solchen Produkts ist, und wenn es oder das Produkt nach Maßgabe der anzuwendenden Harmonisierungsrechtsvorschriften einer Konformitätsbewertung durch Dritte zu unterziehen ist.7
5Mit diesen beiden kumulativen Bedingungen verweist die KI-Verordnung auf die Regeln des europäischen Produktsicherheitsrechts. Anhang I zählt insgesamt 20 Rechtsakte auf, die allesamt zum europäischen Produktsicherheitsrecht gehören. Erfasst werden Verkehrsmittel jeglicher Art und Maschinen, aber auch Aufzüge, Spielzeug, Funkanlagen und Druckgeräte sowie Medizinprodukte.
Der Begriff des Produkts i.S.d. Art. 6 Abs. 1 KI-VO ist in der KI-VO nicht definiert. Er ist in einem weiten Sinne zu verstehen und umfasst letztlich jede physische Maschine, daneben auch Software.8 Der Anwendungsbereich wird insofern durch die in Bezug genommenen Rechtsakte ausgefüllt, die jeweils eigene Regeln des Anwendungsbereichs haben.
7KI-Systeme können nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) KI-VO selbst als Produkte i.S.d. europäischen Produktsicherheitsrechts anzusehen sein. Dies wird allerdings eher selten der Fall sein; das Produktsicherheitsrecht bezieht sich bisher im Wesentlichen auf physische Produkte wie Maschinen und Anlagen. Der Sache nach geht es bei Abs. 1 um komplexe Maschinen und Anlagen, die Software – und damit häufig auch KI-Systeme – als Komponenten enthalten.
8Das KI-System wird in der KI-Verordnung als Software definiert.9 Wenn eine Maschine, etwa ein hochautomatisiertes Fahrzeug, ein KI-System enthält, wird die Maschine in der Systematik der KI-Verordnung (...)
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