BAG v. 19.12.2024 - 8 AZB 22/24

Elektronischer Rechtsverkehr: Verbandssyndikusrechtsanwälte können neben dem beA auch das eBO des Verbands als sicheren Übermittlungsweg nutzen

Syndikusrechtsanwälte, die für einen Verband nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5, Satz 3 ArbGG Rechtsdienstleistungen gegenüber Verbandsmitgliedern erbringen, können sowohl das eigene besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) als auch das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) des Verbands als sichere Übermittlungswege nutzen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens vorrangig darüber, ob der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet ist. Diesen haben die Parteien in der Güteverhandlung geschlossen und die Beklagte hat diesen innerhalb der darin vereinbarten Frist widerrufen. Der Schriftsatz, mit dem der von der Beklagten bevollmächtigte Arbeitgeberverband den Widerruf erklärt hat, schließt mit der maschinenschriftlichen Wiedergabe des Namens einer Syndikusrechtsanwältin ab. Der Schriftsatz wurde über das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) des Arbeitgeberverbands an das Arbeitsgericht übermittelt. Als Absender weist der Authentizitäts- und Integrationsnachweis den Arbeitgeberverband aus. Eine qualifizierte elektronische Signatur ergibt sich aus dem Authentizitäts- und Integrationsnachweis nicht.

Der Kläger hat beim ArbG die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs nebst Rechtskraftvermerk beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, der Vergleich sei nicht wirksam widerrufen worden. Der Widerrufsschriftsatz enthalte keine qualifizierte elektronische Signatur. Ein einfach signiertes elektronisches Dokument könne von einer Verbandssyndikusrechtsanwältin nicht wirksam aus dem eBO des Arbeitgeberverbands übermittelt werden, sondern müsse aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt werden.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat den Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs abgelehnt und der dagegen eingelegten Erinnerung nicht abgeholfen. Der Vorsitzende Richter der Kammer des ArbG hat die Erinnerung des Klägers zurückgewiesen. Das LAG hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.

Das BAG hat nun auch die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Vergleich ist von der Beklagten fristgerecht widerrufen worden. Der Widerruf ist wirksam als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht worden.

Nach § 46c Abs. 1 ArbGG kann der Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Dazu muss dieses nach § 46c Abs. 3 Satz 1 ArbGG mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

Der Schriftsatz, mit dem die Beklagte den Vergleich widerrufen hat, ist iSv. § 46c Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ArbGG von der verantwortenden Verbandssyndikusrechtsanwältin signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden.

Die Syndikusrechtsanwältin des die Beklagte nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ArbGG vertretenden Arbeitgeberverbands hat den Widerrufsschriftsatz durch maschinenschriftliche Wiedergabe ihres Namens einfach signiert (§ 46c Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ArbGG).

Die Einreichung des Widerrufsschriftsatzes als elektronisches Dokument ist auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Satz 1 ArbGG erfolgt. Sichere Übermittlungswege sind sowohl die Übersendung aus dem beA nach § 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ArbGG als auch die Übersendung aus dem eBO nach § 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 ArbGG.

Das LAG hat zutreffend erkannt, dass als Syndikusrechtsanwälte zugelassene Verbandsvertreter, die für Bevollmächtigte iSv. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG auftreten, für die Übermittlung elektronischer Dokumente sowohl das beA als auch das eBO nutzen können.

Aus § 46c Abs. 4 ArbGG ergibt sich kein Rangverhältnis zwischen den unterschiedlichen sicheren Übermittlungswegen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Übersendung aus dem eBO um einen sog. nicht-personenbezogenen sicheren Übermittlungsweg handelt.

Verbandssyndikusrechtsanwälte sind entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aufgrund von § 46g Satz 1 ArbGG gehalten, ausschließlich ihr personenbezogenes beA nach § 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ArbGG als sicheren Übermittlungsweg zu nutzen.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Arbeitsrecht:
Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht. Fachwissen trifft auf Künstliche Intelligenz: Optional Otto Schmidt Answers dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen!
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.01.2025 15:46
Quelle: BAG online

zurück zur vorherigen Seite