BGH v. 25.2.2025 - VIII ZR 143/24

Zu den Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung in Neuwagenkaufverträgen mit Verbrauchern im Fernabsatz

Verwendet ein Unternehmen nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine selbst formulierte Widerrufsbelehrung und teilt es in einem solchen Fall in der Widerrufsbelehrung (als beispielhafte Kommunikationsmittel für den Widerruf) seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mit, ist die zusätzliche Angabe der Telefonnummer des Unternehmers nicht erforderlich. Dies gilt umso mehr, wenn diese ohne Weiteres auf der Internet-Seite zugänglich ist.

Der Sachverhalt:
Der Kläger erwarb am 18.2.2022 von der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, als Verbraucher ein Neufahrzeug im Wege des Fernabsatzes. Die Beklagte, die auf ihrer Internet-Seite unter "Kontakt" und im Impressum ihre Telefonnummer angegeben hat, verwendete nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine in Teilen davon abweichende Widerrufsbelehrung. Dort werden die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der Beklagten mitgeteilt, nicht aber ihre Telefonnummer. Dazu heißt es, dass der Widerruf mittels einer eindeutigen Erklärung "z.B." durch einen per Post versandten Brief oder eine E-Mail erklärt werden könne. Am 23.2.2022 wurde dem Kläger das Fahrzeug übergeben. Am 20.6.2023 erklärte er per E-Mail den Widerruf seiner auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Erklärung.

LG und OLG wiesen die auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die gegen die Nichtzulassung gerichtete Beschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Es liegt kein Grund für die Zulassung der Revision vor. Insbesondere soweit die Beschwerde im Hinblick auf unionsrechtliche Fragestellungen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) geltend macht, ist für eine hierauf gestützte Zulassung der Revision kein Raum.

Die Beklagte hat nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine selbst formulierte Widerrufsbelehrung verwendet. Teilt der Unternehmer in einem solchen Fall in der Widerrufsbelehrung (als beispielhafte Kommunikationsmittel für den Widerruf) seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mit, ist nach Maßgabe des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, der Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie) umsetzt und demgemäß richtlinienkonform auszulegen ist, die zusätzliche Angabe der Telefonnummer des Unternehmers nicht erforderlich, zumal diese hier ohne Weiteres auf seiner Internet-Seite zugänglich war. Diese Beurteilung der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Aus diesem Grund bedarf es einer Vorlage an den EuGH nicht ("acte clair").

Die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie legt zwar nicht die genaue Art des vom Unternehmer mitzuteilenden Kommunikationsmittels fest. Sie verpflichtet diesen jedoch unzweifelhaft dazu, jedem Verbraucher Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, über die dieser schnell mit ihm in Kontakt treten und effizient mit ihm kommunizieren kann. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es insoweit Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen der Verbraucher mit dem Unternehmer Kontakt aufnehmen kann, die dem Verbraucher von dem Unternehmer mitgeteilten Kommunikationsmittel es dem Verbraucher ermöglichen, mit dem Unternehmer schnell in Kontakt zu treten und effizient mit ihm zu kommunizieren.

In Anbetracht dessen hat das KG zu Recht entschieden, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden ist. Für eine schnelle und effiziente Kontaktaufnahme des Verbrauchers mit dem Unternehmer ist es ohne Zweifel nicht erforderlich, dass in der Widerrufsbelehrung - über die Post- und die E-Mail-Anschrift hinaus - auch eine Telefonnummer des Unternehmers angegeben wird. Bereits durch die Angabe ihrer E-Mail-Adresse, ergänzt durch die Mitteilung ihrer Postanschrift, hat die Beklagte den Verbrauchern Möglichkeiten eröffnet, schnell mit ihr in Kontakt zu treten und effizient mit ihr zu kommunizieren, ohne den Verbrauchern andere Kommunikationswege, wie zum Beispiel ein Telefonat, zu verstellen, zumal die vom Kläger in der Widerrufsbelehrung vermisste Telefonnummer der Beklagten auf ihrer Internetseite (im Impressum und unter "Kontakt") ohne Weiteres verfügbar war.

Selbst wenn aber von einer Unvollständigkeit der Widerrufsbelehrung der Beklagten im Hinblick auf die fehlende Angabe ihrer Telefonnummer auszugehen wäre, stünde dies - woran ebenfalls keine vernünftigen Zweifel bestehen ("acte clair") - bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschriften der § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 BGB dem Anlaufen der Widerrufsfrist hier nicht entgegen. Denn eine - unterstellt - insoweit unvollständige Widerrufsbelehrung ist unter den gegebenen Umständen nicht geeignet, sich auf die Befähigung des Verbrauchers auszuwirken, den Umfang seiner aus dem Fernabsatzvertrag herrührenden Rechte und Pflichten (konkret: seines Widerrufsrechts) einzuschätzen, bzw. auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen. Ihm wird auch nicht die Möglichkeit genommen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei Erteilung vollständiger und inhaltlich zutreffender Informationen im Fernabsatzvertrag auszuüben. Der Umstand, dass die Beklagte in der Widerrufsbelehrung beispielhaft zwar ihre Postanschrift sowie ihre E-Mail-Adresse, nicht jedoch ihre Telefonnummer angegeben hat, hat sich nicht auf die Befähigung des Verbrauchers ausgewirkt, den Widerruf rechtzeitig innerhalb der vierzehntägigen Widerrufsfrist der § 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BGB zu erklären.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.02.2025 17:19
Quelle: BGH PM Nr. 41 vom 26.2.2025

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