„Wenn der Benützer der Weiterverarbeitung der Daten nicht zustimmt, muss Facebook das entweder akzeptieren oder sagen, dass der Dienst dann nicht mehr betrieben werden kann, und von seinen Kunden Entgelt für die Nutzung verlangen.“ – Dies hat der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht in einem Interview kürzlich gesagt („Datenschutz: ‚Dann soll Facebook Geld verlangen'“, Die Presse.com v. 17.1.2013). Dabei hat Albrecht geflissentlich verschwiegen, dass es nach seinen Vorstellungen die „Weiterverarbeitung“ auch dann verboten sein soll, wenn der Facebook-Nutzer eine solche „Weiterverarbeitung“ ausdrücklich wünscht.
Einwilligungsverbot für Facebook
Anlass des Interviews war der dicken Berichtsentwurf zu der geplanten DS-GVO, den Albrecht kurz zuvor veröffentlicht hatte (Draft Report on the General Data Protection Regulation by Committee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs, 2012/0011 (COD) v. 17.12.2012). In dem Berichtsentwurf schlägt Albrecht ein Einwilligungsverbot vor für Unternehmen, die über „beträchtliche Marktmacht“ verfügen (Änderungsantrag 20, Draft Report, Seite 19). Träte ein solches Einwilligungsverbot in Kraft, müsste Facebook selbst dann auf eine „Weiterverarbeitung der Daten“ verzichten, wenn Nutzer mit einer solchen „Weitervereinbarung“ einverstanden sind. Facebook bliebe nichts anderes übrig, als seine europäischen Kunden zur Kasse zu bitten und Nutzungsgebühren zu erheben.
Einwilligungsverbot für marktmächtige Online-Anbieter
Was für Facebook gilt, würde auch für eine Vielzahl anderer Online-Anbieter gelten, die über „Marktmacht“ verfügen: Apple, Google oder auch Twitter. All diese Dienste würden zwangsläufig kostenpflichtig – europaweit. Twitter könnte Tweets, „Ereignisse“ und andere (Werbe-)Nachrichten nicht mehr „maßschneidern“ und sie würde als entgeltfreie Dienste nicht mehr funktionieren.
Einwilligungsverbot für alle bei „Online-Quellen“
Selbst Unternehmen, die keineswegs marktmächtig sind, wären von dem Einwilligungsverbot betroffen. Auch ohne Marktmacht soll das Einwilligungsverbot nach Albrechts Vorstellungen gelten, wenn es um eine „Online-Quelle“ geht, in die der Nutzer „erhebliche Zeit investiert hat“. Eine Formulierung, die unausgegoren anmutet. Welche „Online-Quellen“ sich Albrecht genau vorstellt (Blogs? Gaming-Plattformen? Soziale Netzwerke?), ist unklar.
Datenschutz und Kostenloskultur
Daten als Entgelt für die Nutzung von Online-Diensten: Google hat dieses Geschäftsmodell vor mehr als einem Jahrzehnt erfunden. Wir Nutzer haben uns daran gewöhnt, „kostenlos“ zu bloggen, zu suchen, zu posten, zu twittern, zu lesen und zu spielen. Finanziert werden die Dienste dadurch, dass unser „Surfverhalten“ systematisch ausgewertet wird, um zielgenaue Werbung zu schalten.
Die gezielte und umfassende Auswertung des Nutzerverhaltens greift massiv in die Privatsphäre ein. Dies lässt sich nicht ernsthaft leugnen. Ebenso wenig kann man jedoch darüber hinwegsehen, dass die „Kostenlos-Dienste“ sehr erfolgreich und beliebt sind. Internetnutzer gehen mit „ihren Daten“ freigiebig um. Wenn Nutzer vor der Alternative „Geld oder Daten“ stehen, öffnen sie lieber die Gardinen als die Geldbörse.
Datenschützern ist die „Kostenlosmentalität“ vieler Internetnutzer ein Dorn im Auge. Und wer die „Kostenloskultur“ bekämpfen möchte, muss sie verbieten. Albrechts Vorschlag weitreichender Einwilligungsverbote ist daher konsequent.  Schade nur, dass es an Bekennermut fehlt. Wer Twitter oder Facebook „maßgeschneiderte Werbung“ vollständig verbieten möchte, sollte dies auch in aller Deutlichkeit sagen.
Ein Kommentar
Die Facebook-Festspiele einiger „Datenschützer“ werden immer skurriler und absurder. Ein besonders zynisches Beispiel aus dem Interview:
„Wenn ich einen Flug buche, kann ich das praktisch nur noch via Internet. Auch hier muss ich meine Kreditkartennummer angeben, ohne zu wissen, wie die Daten verarbeitet werden.
Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass Datenschutzbestimmungen in Zukunft in einfacher Form dargestellt werden.“
Hier wird so getan, als wenn dem Bürger durch die EU-DSVO-E mehr Datenschutz zukommen gelassen wird. Ist dem so? Der Entwurf hat den Datenschutz gegenüber Polizei und Justiz außen vorgelassen. Also werden nach wie vor personenbezogene Daten bei Flügen terabyteweise in das außereuropäische Ausland transferiert (Fluggastdatenabkommen). Im Gegenteil, die EU plant nun selbst eine Vorratsdatenspeicherung von unverdächtigen Bürgern bei Flügen, also eine Verschlechterung des Datenschutzes der Bürger. Aber beim Buchen des Fluges soll er mit Schnickschnack geblendet werden, dass nun alles besser würde.
Bei den Zahlungen (siehe Kreditkarte im Interview) bleibt auch bei SWIFT jeder Datenschutz außen vor. Terabyte werden personenbezogene Daten von unverdächtigen Bürgern ins Ausland geschafft und die EU hat nicht mal einen Plan, dem Bürger dabei den geringsten Datenschutz zukommen zu lassen. Es wird geduldet, dass in Deutschland mit den Schily-Paketen der Bürger rechtlos ist, während in den USA er wenigstens nach dem Patriot Act Auskunft erlangen kann, welcher Geheimdienst bei unverdächtigen Personen personenbezogene Daten einsieht.
In Artikel 97, Absatz 4 finden wir ein besonders für Deutsche heikles Schmankerl: die Wiedereinführung der Sippenhaft. Das soll es dann möglich sein, bei besonders schweren Datenschutzverstößen ein Bußgeld bis zu 250.000 € oder 2% des Unternehmensumsatzes zu verhängen. Man traut sich nicht, für die Täter harte Gefängnisstrafen an zu drohen, sondern nimmt für selbst für schwere Vergehen einzelner Täter die Aktionäre in Sippenhaft. Skurril.
Ich glaube, diese einseitig gegen Facebook gerichteten Pseudodatenschutzfestspiele bei gleichzeitigem Aufweichen des Datenschutzes für die Bürger haben keine Chance durch das EU-Parlament zu kommen. Es wird weiter so sein, dass die Alt68er und ihre Nachfolger ihren Antiamerikanismus mit öffentlicher Bestallung austoben und wie bisher selbst bei Datenschutzproblemen in Irland unbezahlte Jus-Studenten vor geschickt werden, um die Arbeit zu machen. Der Neid auf funktionsfähige amerikanische Geschäftsmodelle ist ja klar herauszulesen und europäische Unternehmen haben jetzt Wettbewerb und die EU gegen die sie kämpfen müssen: chancenlos. Und der Bürger wird weiter enthemmt vom Staat ohne jeden Verdacht im Exzess überwacht.