Aus einem „geleakten“ Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) zur Bekämpfung „unseriöser Geschäftspraktiken“ (vgl. Härting, „Unseriöse Geschäftspraktiken aus Sicht einer liberalen Ministerin – ein Referentenentwurf“, CRonline Blog v. 21.4.2012) ist nach einem knappen Jahr ein veritabler Gesetzesentwurf der Bundesregierung geworden (Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken v. 19.2.2013). Als „unseriös“ werden unter anderem Rechtsanwälte angesehen, die Forderungen ihrer Mandanten beitreiben („Inkasso“) und Urheber, die per Abmahnung gegen die (tatsächliche oder vermeintliche) Verletzung ihrer Rechte vorgehen.
1. Rechtsanwälte, die Forderungen beitreiben.
Was macht ein Handwerker, der auf unbezahlten Rechnungen sitzt? Er schaltet einen Anwalt ein, der den Kunden zunächst einen Brief schreibt mit der Aufforderung, die überfälligen Rechnungen zu bezahlen. Man mag dies – so der Regierungsentwurf– als eine anwaltliche „Inkassodienstleistung“ bezeichnen.
Die Bundesregierung hält es für nötig, „Inkassodienstleistungen“ des Anwalts zu reglementieren – dies nicht etwa zum Schutz des Handwerkers, der auf unbezahlten Rechnungen sitzt, sondern zum Schutz des säumigen Kunden. Ein neuer § 43 d BRAO-E soll den Anwalt verpflichten, den Kunden detailliert aufzuklären über:
- den Auftraggeber,
- den Forderungsgrund
sowie – auf Nachfrage – über:
- die „wesentlichen Umstände des Vertragsschlusses“,
- die genaue Zins- und Kostenberechnung und sogar
- die Abzugsfähigkeit von Vorsteuer aufklären.
Zu den Grundpflichten des Anwalts gehört, dass er ausschließlich den Interessen einer Partei (seines Mandanten) verpflichtet ist. Die strikte Einhaltung des Verbots der Interessenkollision gehört zu den elementaren Grundpflichten des Anwalts, der Parteiverrat ist sogar eine Straftat. Mit der Stellung des Anwalts als Hüter der Interessen (nur) einer Partei verträgt es sich nicht, dass Anwälte zum Schutz der Interessen der Gegenpartei verpflichtet werden.
Natürlich gibt es schwarze Schafe unter den Anwälten, die sich vor den Karren fragwürdiger Machenschaften ihrer Klienten spannen lassen. Wenn Anwälte sehenden Auges zweifelhafte Forderungen beitreiben, kann dies eine Beihilfe zum Betrug sein oder andere Straftatbestände verwirklichen. Hier ist die Strafjustiz gefragt. Missstände, die es rechtfertigen könnten, dem Handwerker das Recht zu nehmen, einen Anwalt einzuschalten, der ausschließlich seinen Interessen verpflichtet ist, gibt es nicht.
2. Kappung der Streitwerte im gewerblichen Rechtsschutz
Im Urheberrecht, aber auch im gesamten gewerblichen Rechtsschutz sollen die Streitwerte drastisch reduziert werden, wenn:
- der Verletzer: nicht gewerblich (§ 49 GKG-E) gehandelt hat bzw.
- die Rechtsverletzung für den Verletzer (!) nur eine „geringere Bedeutung“ hatte (§ 51 Abs. 3 GKG-E).
In all diesen Fällen soll ein Regelstreitwert von nur noch 1.000 EUR gelten.
Die Musikindustrie führt mit der „Abmahnmaschinerie“, die sie seit vielen Jahren betreibt, einen aussichtslosen Kampf. Und dass man – aus Sicht der Betroffenen – auf die Idee kommen kann, die Abmahnungen für „unseriös“ zu erachten, ist verständlich. Dies indes liegt daran, dass das Urheberrecht keine Antwort auf Phänomene wie das Filesharing getroffen hat. Statt an klugen Reformen für ein Urheberrecht des 21. Jahrhunderts zu arbeiten, hält man am geltenden Recht fest und schwächt zugleich dessen Durchsetzbarkeit. Ungerecht für die Rechteinhaber, deren Rechte geschwächt werden. Ungerecht aber auch für die Internetnutzer, die keine erweiterten Kopierbefugnisse erhalten und sich nur wenig darüber freuen werden, wenn das Filesharing ein wenig preiswerter wird.
Die drastische Kappung der Gebühren soll sich keineswegs auf Filesharing-Abmahnungen beschränken, sondern (unter anderem) für das gesamte Wettbewerbsrecht und auch das Markenrecht gelten. Dies mit einer bemerkenswerten Begründung:
„In vielen lauterkeitsrechtlichen Streitigkeiten werden von abmahnenden Rechtsanwälten Gegenstandswerte festgelegt, die zu Gebühren führen, die von den Abgemahnten als ungerecht hoch empfunden werden und diese teilweise empfindlich treffen.“
Das ist nun wirklich eine Verzerrung der Realität. So waren es keineswegs „abmahnende Rechtsanwälte“, die beispielsweise für Markenrechtsstreitigkeiten einen Streitwert in Größenordnungen von 50.000 EUR ohne Weiteres für angemessen erachteten, sondern die Gerichte (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 16.03.2006 – I ZB 48/05, oder aktuell KG, Urt. v. 19.2.2013 – 5 W 235/12). Und weshalb der „Abgemahnte“, der geltendes Wettbewerbsrecht oder Markenrechte Dritter verletzt hat, vor „Strafe“ (hohen Gebühren) geschützt werden muss, ist nicht ersichtlich.
3. Belehrungspflichten des Abmahnenden
In § 97a UrhG soll ein neuer Abs. 2 eingefügt werden:
“ (2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise:
1. Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
2. die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
3. geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und
4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam. Wenn ein Verletzer aufgrund einer solchen Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgibt, so ist diese Unterlassungserklärung unwirksam.“
Jedenfalls die Nr. 4 ist unstimmig: Eine Unterlassungsverpflichtung geht in aller Regel „über die abgemahnte Rechtsverletzung“ hinaus. Die „abgemahnte Rechtsverletzung“ ist ja zumeist bereits geschehen, während sich die Unterlassungverpflichtung nur auf künftige Verletzungen beziehen kann. Die Belehrungspflicht ergibt somit keinen rechten Sinn.
Nicht durchdacht und potenziell kontraproduktiv sind die Sätze 2 und 3: Eine Unterlassungserklärung dient dazu, einen Gerichtsprozess zu vermeiden. Jetzt versetze man sich einmal in die Position eines Markeninhabers, der von einem Plagiat betroffen ist: Soll der Geschädigte, der erfolgreich abgemahnt hat, demnächst immer damit rechnen müssen, dass der Schädiger sein rechtswidriges Treiben fortsetzt mit der Begründung, er sei in der Abmahnung nicht ausreichend über „die abgemahnte Rechtsverletzung“ belehrt worden? Angesichts eines solchen Risikos werden sich geschädigte Rechteinhaber ernsthaft überlegen müssen, ob sie nicht lieber sogleich die Gerichte einschalten. Ein sofortiger Gang zu Gericht wäre ihnen nämlich durch § 97a UrhG-E in keiner Weise verwehrt, die Kappung der Streitwerte würde das Kostenrisiko (§ 93 ZPO) in vielen Fällen zudem sehr erträglich machen.
4. Ist dies wirklich gewollt?
3 Kommentare
Polemik ist außer halb des Kabaretts höchst unseriös! Das Gesetz bezeichnet selbstverständlich nicht das Eintreiben von Mandantenforderungen per se als unseriös. Es geht vielmehr um die unseriösen Kollegen, die aus Gier oder vielleicht auch purer Existenzangst sich für derartige Schweinereien hergeben! Es zeigt sich halt mal wieder, daß eine Karakterprüfung vielleicht viel wichtiger wäre als gute Examensnoten!
Zur Sache: es ist doch völlig unbestitten unter serösen Betrachtern, daß das Abmahnunwesen was in Deutschland – übrigens weltweit einmalig, was zu denken geben sollte! – wuchert einzig und alleine aus einer Schwachsstelle des RVG wurzelt. Für Massenverfahren ist es schlicht unbillig und sittenwidrig den gleichen Gebührenansatz zu nehmen wie für Einzelfälle.
Weiters ist doch bekannt, daß die Abzukassierenden erst künstlich in eine Falle gelockt wurden um nachher dem verbundenen Inkassounternehmen oder Anwalt Einkommen zu generieren. Oft sitzen Anwalt und Inkasso Tür an Tür – nachtigall ick hört dir trappsen!
Und beim Abmahnen kommt ja noch hinzu, das ganze unseriöse Geschäftsmodell funktioniert ja nur dank einiger Korrupter!
Jedenfalls die Nr. 4 ist unstimmig: Eine Unterlassungsverpflichtung geht in aller Regel ”über die abgemahnte Rechtsverletzung” hinaus. Die “abgemahnte Rechtsverletzung” ist ja zumeist bereits geschehen, während sich die Unterlassungverpflichtung nur auf künftige Verletzungen beziehen kann. Die Belehrungspflicht ergibt somit keinen rechten Sinn.
Doch das macht schon Sinn, denn in den Abmahnungen wird in der Regel versucht zu erreichen, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen! Genau das ist ja das Wesen der Abmahnung, daß ein konkretes zu unterlassen erklärt wird, nicht alle möglichen denkbaren zukünftigen Erscheinungsformen – was ja schon verfassunsgwidrig wird! Warlod
Soll der Geschädigte, der erfolgreich abgemahnt hat, demnächst immer damit rechnen müssen, dass der Schädiger sein rechtswidriges Treiben fortsetzt mit der Begründung, er sei in der Abmahnung nicht ausreichend über “die abgemahnte Rechtsverletzung” belehrt worden?
Wo ist das Problem? Dann soll der Abmahner halt Klartext reden und schon ist die Frage oben obsolet. Und genau darum geht es ja richtiger weise, weil eben dadurch unseriöse Praktiken gegen die Wand fahren sollen. Warum soll eine unseriöse Abmahnung denn erfolgreich sein können? Warlord