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Was Merkels Google-Livechat mit Adenauers Staatsfernsehen verbindet

avatar  Niko Härting

Der Versuch der Adenauer-Regierung, das heutige ZDF als Staatsfernsehen auszugestalten, scheiterte am Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urt. v. 28.2.1961 – 2 BvG 1/60 u. 2 BvG 2/60, BVerfGE 12, 205 (262 f.)):

„Art. 5 GG verlangt jedenfalls, daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen also so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und daß für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten. Das läßt sich nur sicherstellen, wenn diese organisatorischen und sachlichen Grundsätze durch Gesetz allgemein verbindlich gemacht werden. Art. 5 GG fordert deshalb den Erlaß solcher Gesetze.“ [Unterstreichung hinzugefügt]

Rundfunkrechtlicher Ansatz

Das Gebot der Ausgewogenheit bringt es mit sich, dass ein Fernsehsender daran gehindert wäre, ausschließlich der Kanzlerin die Gelegenheit zum „Livechat“ zu geben. Vielmehr müsste der Sender auch Kandidat Steinbrück eine entsprechende Gelegenheit einräumen. Ein Fernsehsender würde zudem selbst die Gesprächspartner der  Bundeskanzlerin auswählen.

Hangout bzw. Way Out

All dies ist bei Merkels „Google Hangout“-Chat nicht geplant: Merkels Berater können die Chatpartner nach Belieben aussuchen und die Kanzlerin dadurch vor lästigen Fragen schützen. Proporzregeln gelten nicht, sofern – wie die Medienanstalten meinen – das Rundfunkrecht nicht anwendbar ist (vgl. Härting, „Merkel on Google Hangout stirs up controversy“, CRonline Blog v. 6.4.2013).

Ein fader Beigeschmack

Wohlgemerkt: Auf ein einmaliges Event, wie es der Hangout-Chat darstellt, ist das Rundfunkrecht nicht anwendbar, sodass das Vorhaben der Kanzlerin rundfunkrechtlich nicht zu beanstanden ist. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, da das Verbot des „Staatsfernsehens“ und das Wächteramt der Medien ausgehöhlt zu werden drohen, wenn sich Kanzlerinnen angewöhnen, kritischen Fragen von Bürgern und Journalisten auszuweichen, indem sie sich selbst mit Unterstützung ihrer professionellen PR-Berater online an „die Wähler“ wenden. Vergleichbare Phänomene in Ländern wie Russland und Italien sehen wir für gewöhnlich kritisch.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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