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Beispiel aserbaidschan.de: Ansprüche auf Domainlöschung nach Kennzeichen- und Namensrecht

avatar  Niko Härting

Das Berliner Kammergericht hat in zweiter Instanz einer Klage der Republik Aserbaidschan auf Freigabe der Domain aserbaidschan.de stattgegeben (KG, Urt. v. 7.6.2013 – 5 U 110/12). Die Domain war – offenkundig jahrelang – von einem Dritten genutzt worden zur Weiterleitung auf die Website eines Tourismusunternehmens. Die frühere Sowjetrepublik hatte sich nicht damit begnügt, den Domaininhaber auf Unterlassung der Domainnutzung zu verklagen, sondern forderte zusätzlich – erfolgreich – den Verzicht auf die Domain.

Die Entscheidung des Kammergerichts ist weder in ihrer (sehr ausführlichen) Begründung noch im Ergebnis überraschend. Die Klage stützte sich auf das Namensrecht von Aserbaidschan (§ 12 BGB). Während es bei markenrechtlichen Domainstreitigkeiten die seltene Ausnahme darstellt, dass ein Freigabeanspruch besteht, sind die Anforderungen an einen solchen Anspruch im Namensrecht deutlich geringer.

Verzichtsanspruch im Kennzeichenrecht

Im Bereich des Kennzeichenrechts setzt ein Verzichtsanspruch voraus, dass keine Nutzung durch den Domaininhaber denkbar ist, die die Rechte des Kennzeicheninhabers nicht verletzt (vgl. BGH, Urt. v. 19.7.2007 – I ZR 137/04, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 – Euro Telekom; BGH, Urt. v. 26.6.2008 – I ZR 190/05, WRP 2008, 1319 (1323) – EROS; LG Hamburg, Urt. v. 18.7.2008 – 408 O 274/08, K&R 2009, 61 (63) – wachs.de). Markenrechtlich sind daher Löschungsansprüche keineswegs die Regel, sondern die (seltene) Ausnahme, die im Normalfall nur bei bekannten Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und § 15 Abs. 3 MarkenG) in Betracht kommt Becker, WRP 2010, 467 (468); BGH, Urt. v. 29.7.2009 – I ZR 102/07, WRP 2010, 381 (383 f.) = IPRB 2010, 171 – AIDA/AIDU; vgl. auch LG Köln, Urt. v. 8.2.2007 – 31 O 439/06, K&R 2007, 221 (223) (Vorinstanz)).

Der BGH hat sich mehrfach veranlasst gesehen, auf die engen Voraussetzungen für Verzichtsansprüche in deutlicher Form hinzuweisen (Härting, ITRB 2008, 38 (39 ff.); BGH, Urt. v. 22.7.2004 – I ZR 135/01, NJW 2005, 1198 ff. = CR 2005, 284 = MMR 2005, 191 = WRP 2005, 338 – soco.de.; BGH, Urt. v. 9.9.2004 – I ZR 65/02, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362 m. Anm. Eckhardt = MDR 2005, 765 – mho.de; BGH, Urt. v. 23.6.2005 – I ZR 288/02, CR 2006, 193 ff. – hufeland.de; BGH, Urt. v. 19.7.2007 – I ZR 137/04, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 – Euro Telekom; Kazemi, MMR 2008, 31 f.; BGH, Urt. v. 29.7.2009 – I ZR 102/07, WRP 2010, 381 ff. – AIDA/AIDU; BGH, Urt. v. 31.3.2010 – I ZR 174/07, CR 2010, 519 ff. – Peek & Cloppenburg).

Ein kennzeichenrechtlicher Verzichts- bzw. Freigabeanspruch besteht nur, wenn jede Verwendung des Domainnamens eine Rechtsverletzung nach § 14 Abs. 2 bzw. § 15 Abs. 2 MarkenG darstellen würde (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 14.2.2008 – 3 U 152/05, ITRB 2008, 273 (Elteste)  – emetro.com). Dies kann sich daraus ergeben, dass der Verkehr den unzutreffenden Eindruck gewinnen könne, zwischen den beteiligten Unternehmen bestünden vertragliche, organisatorische oder sonstige wirtschaftliche Verbindungen. Dies kann jedoch nur bei hinreichender Branchennähe und nicht schon allein wegen der von der von einem Reiseveranstalter geltend gemachten erhöhten Kennzeichnungskraft seines bekannten Marke („AIDA“) und einer Ähnlichkeit der beiden Zeichen („AIDU“) angenommen werden (BGH, Urt. v. 29.7.2009 – I ZR 102/07, WRP 2010, 381 (383) – AIDA/AIDU).

Verzichtsanspruch im Namensrecht

Im Namensrecht (§ 12 BGB) sind die Anforderungen an einen Freigabeanspruch wesentlich geringer, da das Namensrecht keine branchenmäßigen oder auch räumlichen Abstufungen kennt. Die Registrierung einer Domain ohne eigenes Namens- oder sonstiges Recht des Domaininhabers genügt, um Verzichtsansprüche der Namensträger aus § 12 BGB zu begründen (vgl. Becker, WRP 2010, 467 (468 f.); OLG Hamburg, Beschl. v. 31.5.2007 – 3 W 110/07, CR 2007, 661 = K&R 2007, 413 – mlpblog.de I; OLG Hamm, Urt. v. 18.1.2005 – 4 U 166/04, MMR 2005, 381 = ITRB 2005, 256 (Elteste) – juraxx.de; LG Hamburg, Urt. v. 26.1.2005 – 302 O 116/04, CR 2005, 465 = MMR 2005, 254 – müller.de; LG Hannover, Urt. v. 22.4.2005 – 9 O 117/04, CR 2005, 896 = MMR 2005, 550 – schmidt.de).

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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