Autoren: Dominik Hausen und Sonja Fechtner
Die Entscheidung der Deutschen Telekom GmbH (Telekom), nicht gegen die Entscheidung des LG Köln, Urt. v. 30.10.2013 – 26 o 211/13, ITRB 2013, 277 (Rössel), in Berufung zu gehen (siehe „Mehr Transparenz für unsere Kunden“, Blog.Telekom v. 2.12.2013), ist richtig.
Warum der Verzicht auf Berufung?
Die unternehmerische Entscheidung erstaunt, gab sich die Telekom nach Bekanntwerden des Urteils doch zunächst verschnupft, aber kämpferisch. Gegenüber heise online erklärte der Telekom-Sprecher Philipp Blank nach Bekanntwerden des Tenors „Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen“ und man werde, wenn die Urteilsbegründung vorliegt, voraussichtlich Rechtsmittel einlegen („DSL-Drossel: Landgericht Köln untersagt Volumen-Drosselung der Telekom [3. Update]“,Heise-Online v. 30.10.2013).
Dass es dazu jetzt nicht gekommen ist, dürfte zwei Gründe haben:
- Erwartungshaltung des Durchschnittskunden: Für die vom LG Köln vertretene Ansicht, dass der Durchschnittskunde bei einem als „Flatrate“ vermarkteten Tarif – jedenfalls im Festnetz – nicht mit einer Volumenbeschränkung rechnen muss (dazu ausführlich schon Fechtner/Hausen, „Volumen-Drosselung der Telekom auf dem Prüfstand“, CRonline Blog v. 31.10.2013), sprechen schlicht die besseren Argumente. Es ist fraglich, ob das Berufungsgericht dies grundlegend anders gesehen hätte.
- Folgen späterer Rechtskraft: Ein Hinauszögern der Rechtskraft der Entscheidung hätte nicht der Telekom, sondern primär deren Mitbewerbern in die Hände gespielt:
Statt eigenem wirtschaftlichen Profit: So hatte die Telekom sich bereits öffentlich dazu geäußert, die Drosselung frühestens ab 2016 umzusetzen („Telekom ändert Tarifstruktur fürs Festnetz“, Pressemitteilung der Telekom v. 22.4.2013). D.h. die Drosselung wäre vor einer ggf. letztinstanzlichen Entscheidung wohl gar nicht zur Umsetzung gekommen. D.h. die Telekom hätte von der späteren Rechtskraft eines gegen sie ergehenden Urteils gar nicht (finanziell) profitiert.
Vorteile für Mitbewerber: Anders dagegen Mitbewerber wie z.B. Telefónica O2, die bereits angekündigt hatten, ab dem 17.10.2013 ebenfalls eine Drosselung in ihren Internet-Zugangstarifen einzuführen und auch umzusetzen („O2 mit neuen DSL-Tarifen samt Drosselung“, connect v. 10.10.2013). Ein längeres Prozessieren der Telekom hätte es den Mitbewerbern erlaubt, ihre Drosseltarife weiter als Flatrate zu vermarkten.
Marketing-Druck: Der Verzicht auf die Berufung übt nun Druck auf die Mitbewerber aus, sich bei der Vermarktung der Tarife ebenfalls zu bewegen.
Auswirkungen auf Telekom-Kunden?
- Flatrate-Werbung: Volumen-beschränkte Festnetz-Internet-Zugangstarife darf die Telekom nicht mehr mit dem Begriff „Flatrate“ bewerben. Wesentliche Leistungsbestandteile dürfen nicht hinter Sternchen-Text verborgen werden. Die Volumenbeschränkung in den aktuellen Festnetz-Verträgen ist unwirksam und wird von der Telekom nicht durchgesetzt werden.
- Wegfall der unwirksamen Klausel: Ab dem 5.12.2013 abgeschlossene Festnetz-Verträge enthalten die unwirksame Klausel laut Aussage der Telekom nicht mehr.
- Künftig Volumentarife: Ab 2015 („Telekom setzt Drosselung bis 2015 aus“, golem.de v. 2.12.2013) wird die Telekom zusätzlich zu den (dann wohl teureren) Flatrate-Tarifen, sog. Volumentarife anbieten. Noch unklar ist, welche Optionen dem Kunden im Falle des Verbrauchs des im Festpreis inkludierten Volumens zur Verfügung stehen werden: Nachkauf von Volumen möglich oder Zwangsdrosselung auf eine niedrigere Bandbreite bis zum Ende der Abrechnungsperiode?
Folgen für Wettbewerber
Verbraucherschützer ziehen die Abmahnung weiterer Internet-Zugangsanbieter in Erwägung. So erklärte Thomas Bradler, Rechtsanwalt der Verbraucherzentrale NRW: Die Telekom sei „nicht das einzige Unternehmen, das Flatrates im Festnetz bewirbt und dann in Wahrheit doch Volumengrenzen hat.“(zitiert nach “Telekom: Gericht stoppt Internetbremse”, Rheinische Post v. 31.10.2013).
Interessanter als die Auswirken auf den Festnetzbereich dürfte aber der besonders rasant wachsende Markt für Datentarife im Mobilfunksektor sein:
Was ist mit (Pseudo-)Flatrates im Mobilfunkmarkt?
- Andere Kundenerwartung: Direkt lässt sich das Urteil des LG Köln jedenfalls nicht auf die Tarife im Mobilfunkmarkt übertragen, denn dort hat es anders als im Festnetzmarkt immer schon volumenbeschränkte Flatrates gegeben, so dass die Kundenerwartung an den Begriff ein anderer sein könnte.
- Kein Musterverfahren: Historisch ist es so, dass der Begriff der „Flatrate“ mit dem Aufkommen der Smartphones und der Datentarife in den Mobilfunkmarkt gespült wurde. Seinerzeit gab es aber keine Verbraucherzentrale die ein „Wehret den Anfängen“-Prozess losgetreten hat, als dort keine „echten“ Flatrates angeboten wurden.
- Tendenz im Verbraucherschutz: Es sieht momentan danach aus, dass die Verbraucherzentralen versuchen, im Flatrate-Markt wieder Boden gut zu machen:
- Weiterer Tarif abgemahnt: Kaum hat die Telekom verkündet, das Urteil des LG Köln zu akzeptieren, legt die Verbraucherzentrale Sachsen nach und mahnt die Telekom für ihren LTE-Tarif „Call & Surf Comfort via Funk“, der mit „Surfen mit bis zu 100 MBit/s“ beworben wird, je nach gebuchter Tarifklasse allerdings auf 384 Kbit/s gedrosselt wird, wenn das inkludierte Datenvolumen verbraucht ist, ab („Die Drossel vom Lande“, Presseinfo der Verbraucherzentrale Sachen v. 4.12.2013). Die Telekom hat nun bis zum 11.12.2013 Zeit, eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben.
- Weiterer Rückzieher der Telekom: Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa kündigte die Telekom an, man werde den bei der Vermarktung bisher verwendeten Begriff “Flatrate” bei dem Tarif “Call & Surf Comfort via Funk” zukünftig streichen (siehe „Verbraucherzentrale Sachsen mahnt Telekom wegen LTE-Drosselung ab: Auftakt zum nächsten Gerichtsprozess?“, BASIC thinking v. 4.12.2013). Dies deutet darauf hin, dass die Telekom wohl selbst davon ausgeht, dass das Urteil des LG Köln auch für diesen Tarif gilt.
- Durchbruch zum Mobilfunkbereich? Die Abmahnung der Verbraucherzentrale Sachsen könnte sich als geschickter Schachzug herausstellen, handelt es sich bei dem angegriffenen Tarif technisch um einen Tarif, der über Mobilfunktechnik (LTE) realisiert wird, aber ausschließlich zur Nutzung als Festnetz Breitband-Internetanschluss, v.a. im ländlichen Bereich, freigegeben ist. Sollte nun ein Gericht urteilen, dass hier der Begriff „Flatrate“ in unzulässiger Weise eingesetzt wird, oder die Telekom „freiwillig“ einknicken, könnte der Schritt hin zu einem Vorgehen gegen „Flatrate“ LTE-Angebote für Smartphones nicht mehr weit sein.
Ob die Mobilfunkanbieter den marketingträchtigen Begriff der Flatrate kampflos aufgeben werden, darf stark bezweifelt werden. Die weitere Entwicklung bleibt spannend.
„Surf-Bremsen“ zukünftig auch im Festnetz fester Bestandteil der Tarifstruktur
Fast vergessen schienen die Zeiten, da Festnetz-Internet-Zugangstarife nach Zeit oder nach verbrauchtem Volumen abgerechnet wurden. Seit Jahren ist es üblich, Breitbandanschlüsse zu einem pauschalen Preis unbegrenzt nutzen zu können, notfalls bis die „Leitung glüht“. Ob der steigende Datenverbrauch der Kunden, wie die Telekom anführt („Telekom ändert Tarifstruktur fürs Festnetz“, Pressemitteilung der Telekom v. 22.4.2013), TK-Anbieter dazu zwingt, die Preise zu erhöhen (darum geht es bei der Drosselung wirtschaftlich ausschließlich) oder Gewinne maximiert werden sollen, kann hier dahinstehen.
Sicher ist nur: Auch der Urteilsspruch des LG Köln ändert nichts daran, dass wir für unseren Flatrate-Internetzugang künftig mehr bezahlen müssen, ob wir wollen oder nicht.