Dieter Gorny fand es bereits 2008 richtig, dass der Betreiber eines WLAN-Anschlusses für illegale Downloads haftet, wenn der „Täter“ nicht identifiziert werden kann:
„Wenn mit Ihrem Auto ein Verkehrsverstoß begangen wird, und der Fahrer nicht ermittelt werden kann, sind Sie auch haftbar.“ („Dieter Gorny warnt vor Europas Untergang“, Die Welt v. 13.8.2008)
„Beauftragter für kreative und digitale Ökonomie“ Damals war Gorny frisch gebackener Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie, jetzt ist er – gleichfalls frisch gebacken – Sigmar Gabriels „Beauftragter für kreative und digitale Ökonomie“ („BMWi: Lobbyist der Musikindustrie wird Beauftragter für Digitale Ökonomie“, netzpolitik.org v. 25.3.2015). Generelle Pflicht zu Passwortschutz für WLAN Gorny wird sich über den Gesetzesentwurf seines neuen Chefs freuen. Denn die vorgeschlagenen Änderungen des Telemediengesetzes (TMG) führen eine flächendeckende Verpflichtung zum Passwortschutz von WLAN-Anschlüssen ein. Wer seinen Privatanschluss einem Freund oder Nachbarn zur Nutzung überlässt, muss ihn in Zukunft nach seinem Namen fragen. Wenn er dies vergisst, wird es ihm in Zukunft so ergehen, wie dem von Gorny erwähnten Fahrzeughalter: Der Anschlussbetreiber ist haftbar. Die Abmahnmaschinerie der Musikindustrie wird neuen Auftrieb erhalten.
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Etikettenschwindel Der Gabriel-Entwurf, den Thomas Hoeren treffend als „Unverschämtheit“ bezeichnet hat („Eine Unverschämtheit – Der Regierungsentwurf zur WLAN-Haftung“, beck-blog v. 15.3.2015), trägt die Handschrift der Musikindustrie. Von „Haftungserleichterungen“ zu sprechen, ist grobschlächtiger Etikettenschwindel („Klingt gut, stimmt aber nicht: Warum der Gabriel-Entwurf die Störerhaftung nicht erleichtert, sondern verschärft“, CRonline Blog v. 13.3.2015). Inzwischen hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) 20 FAQ zu seinem Gesetzesentwurf veröffentlicht („Mehr Rechtssicherheit bei WLAN – Potentiale der kabellosen Kommunikation nutzen“, BMWi-Website). Dabei werden die eindeutigen Absichten des Ministeriums deutlich; einige Kostproben:
- Dokumentation: „Müssen WLAN-Betreiber den einzelnen Nutzer namentlich erfassen, speichern, protokollieren o.ä.? Ganz klar: Nein. § 8 TMG (neu) fordert weder von geschäftsmäßigen Betreibern oder öffentlichen Einrichtungen noch von privaten WLAN-Betreibern, dass sie den Namen des Nutzers protokollieren, registrieren oder anderweitig erfassen. Private WLAN-Anbieter müssen im Zeitpunkt der WLAN-Ãœberlassung nur den Namen des Nutzers kennen. Dies dürfte im privaten Umfeld regelmäßig der Fall sein.“ („Mehr Rechtssicherheit bei WLAN – Potentiale der kabellosen Kommunikation nutzen“, 1. häufig gestellte Frage und Antwort des BMWi)
Man muss also den Namen der Partygäste nicht „erfassen“, sondern lediglich „kennen“. Aber wie soll man im Nachhinein beweisen, dass man die Namen von Gästen „gekannt“ hat? Als Anwalt werde ich jedem privaten Gastgeber empfehlen, Buch über seine surfenden Gäste zu führen. Denn wer den Namen seiner Gäste nicht „kennt“, ist zukünftig „haftbar“.
- Geschäftsmäßigkeit: „Ist der Freifunk e. V. ein geschäftsmäßiger oder ein privater WLAN-Betreiber? Ob ein Freifunkverein privater oder geschäftsmäßiger WLAN-Anbieter ist, kommt auf den Einzelfall an. Ãœber die Art der Betätigung könnte u. a. die Satzung Aufschluss geben und, ob der Betreiber für Gäste einen eigenen Zugang eingerichtet hat. Wir gehen davon aus, dass Freifunker ihr WLAN in der Regel wiederholt und auf Dauer zur Verfügung stellen, also geschäftsmäßig tätig sind.“ („Mehr Rechtssicherheit bei WLAN – Potentiale der kabellosen Kommunikation nutzen“, 2. häufig gestellte Frage und Antwort des BMWi)
Jetzt ist es also amtlich: Die „Freifunker“ sind Gabriel (und der Musikindustrie) ein Dorn im Auge. Der offene Freifunk, dessen Rechtmäßigkeit ein Berliner Gericht unlängst noch bestätigt hat (AG Berlin-Charlottenburg, Beschl. v. 17.12.2014 – 217 C 212/14, CR 2015, 192 m. Anm. Bergt), soll zu einem Haftungsfall werden.
- Einwilligung: „In welcher Form soll der Nutzer einwilligen, keine Rechtsverletzungen über den WLAN-Zugang zu begehen? Wichtig ist uns, dass eine Einwilligung des Nutzers erfolgt. Wie diese erfolgt, bleibt dem WLAN-Anbieter überlassen. Damit wir mit der Verbreitung von Hotspots in Deutschland schnell vorankommen, sollte und kann das Verfahren so einfach wie möglich sein: Eine Möglichkeit ist, dass der WLAN-Betreiber eine Vorschaltseite einrichtet, auf welcher der Nutzer den Nutzungsbedingungen mit einem Klick zustimmt. Er könnte aber auch die Nutzungsbedingungen für den WLAN-Zugang in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) integrieren und ein Passwort z. B. in der Speisekarte abdrucken, wie dies heute schon häufig praktiziert wird.“ („Mehr Rechtssicherheit bei WLAN – Potentiale der kabellosen Kommunikation nutzen“, 6. häufig gestellte Frage und Antwort des BmWi)
So soll Rechtssicherheit aussehen? Es ist unklar, ob der WLAN-Betreiber den Nutzer nur über das Verbot von Rechtsverletzungen belehren muss oder ob es einer ausdrücklichen „Einwilligung des Nutzers“ bedarf. Darüber hinaus ist es äußerst widersprüchlich, einerseits eine ‚Verschlüsselungspflicht‘ gesetzlich zu verankern und anderseits den ‚Schlüssel“‚(das Passwort) großzügig auf jeder Speisekarte zu verbreiten. Da freuen nur wir Anwälte uns auf all die vielen Prozesse, die es geben wird, um ein solch ‚unverschämtes‘ Gesetz richtig auszulegen.