Seit dem 16.6.2015 liegt die Begründung des BGH zu seiner UsedSoft III Entscheidung vor und sie birgt eine kleine Sensation: Erstmals stellt der BGH ausdrücklich fest, dass sich das Verbreitungsrecht nicht nur hinsichtlich der heruntergeladenen Kopie des Ersterwerbers, sondern auch hinsichtlich derjenigen Kopie erschöpft, die für die Weitergabe an einen Zweiterwerber angefertigt werden muss. Damit ist eine wesentliche Hürde für den Gebrauchtsoftwarehandel aus dem Weg geräumt und die Aufspaltung von Volumenlizenzen zur Weitergabe an Dritte nunmehr möglich.
Bisheriger Stand
Mit der Entscheidung des EuGH und UsedSoft II des BGH (EuGH v. 3.7.2012 – C-128/11, CR 2012, 498 ff.; BGH v. 17.7.2013 – I ZR 129/08 – UsedSoft II, CR 2014, 168 ff.) war das Problem „Online-Erschöpfung“ bei Software im Prinzip gelöst.
Theoretisch hätte dies auch für die Problematik „Weitergabe“ als „Gebrauchtsoftware“ gelten können. Praktisch war der Weg durch ein großes Arsenal von hohen Stolperschwellen und eng gesetzten Leitplanken kaum gangbar (s. OLG München, Beschluss v. 2.3.2015 – 6 U 2759/07, zur Darlegungs- und Beweislast; BGH v. 17.7.2013 – I ZR 129/08 – UsedSoft II, CR 2014, 168 (173 Rz. 55 ff.)). Die Aufspaltung von Volumenlizenzen schien nicht möglich (EuGH v. 3.7.2012 – C-128/11, CR 2012, 498 (501 Rz. 69-71 und 503 Rz. 86) und BGH v. 17.7.2013 – I ZR 129/08 – UsedSoft II, CR 2014, 168 (174 Rz. 65)).
Drei wesentliche Vereinfachungen
Nun hat der BGH „in Fortführung“ (eine starke Untertreibung) von UsedSoft II die Tür zur möglichen Aufspaltung von Volumenlizenzen in UsedSoft III weit aufgemacht und einige der (selbst aufgestellten) Hürden für Gebrauchtsoftwarehandel aus dem Weg geräumt (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015, Revision zu OLG Frankfurt v. 18.12.2012 – 11 U 68/11, CR 2013, 148 ff.).
„UsedSoft III“ betrifft eine andere Ausgestaltung eines Software-Lizenzsystems als das von Oracle. Provokant könnte man sagen, dass:
- die Erschöpfungswirkung bei Software wesentlich erweitert und
- für 3 von 4 Lizenzmodellen großer Hersteller das Thema Gebrauchtsoftware (off- wie online) einschließlich Darlegungs- und Beweislast liberalisiert wurde und
- die Volumenlizenzen dieser Hersteller als aufspaltbar anzusehen sind.
Solide richterliche Rechtsfortbildung
Entschieden wurde dies für Adobe. Dies geschah aber in einer Weise, die generalisiert war und unter die auch andere Lizenz-Systeme gut subsumierbar sind, etwa Microsoft und SAP:
„Hat der Ersterwerber dagegen eine Lizenz erworben, die die Nutzung mehrerer eigenständiger Kopien des Computerprogramms erlaubt (sogenannte Volumen-Lizenz), ist er dazu berechtigt, das Recht zur Nutzung des betreffenden Programms für eine von ihm bestimmte Zahl von Nutzern weiterzuverkaufen und für die verbleibende Zahl von Nutzern weiter zu nutzen. Bei den einzelnen Lizenzen handelt es sich um jeweils selbständige Nutzungsrechte, die eigenständig übertragen werden können (vgl. …) In einem solchen Fall kann sich der Nacherwerber von Kopien dieses Computerprogramms daher bereits dann mit Erfolg auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an diesen Kopien berufen, wenn der Ersterwerber eine entsprechende Anzahl von Kopien unbrauchbar gemacht hat.“
(BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 45, Hervorhebung nicht im Original)
Dazu noch:
„…Bei den einzelnen Lizenzen handelte es sich um jeweils selbständige Nutzungsrechte, die eigenständig übertragen werden konnten.“
(BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 48, Hervorhebung nicht im Original)
Adobe hatte dem Herunterladen einer Kopie des Softwarepakets aus dem Internet zugestimmt und das Herstellen von insgesamt 40 eigenständigen Kopien gestattet (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 29).
Neu:  „Zweifache“ Erschöpfung des Verbreitungsrechts
Die „Sensation“ bzw. der Aspekt, der hier hervorgehoben werden soll, bietet Rz. 31: Das Verbreitungsrecht der Adobe hat sich:
- nicht nur hinsichtlich der heruntergeladenen Kopie der Computerprogramme – etwa vergleichbar auch mit einer Master-CD – erschöpft,
- „sondern auch hinsichtlich der anzufertigenden Kopien der Computerprogramme“ (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 31, Hervorhebung nicht im Original).
Die Erschöpfungswirkung erstreckt sich damit auch (!) auf die Vervielfältigung durch den Ersterwerber zur Herstellung der abzuspaltenden Kopien, die an den Zweiterwerber gehen (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 46).
Anders als bei Oracle beschafft sich der Zweiterwerber die Software nicht durch Download beim Hersteller (hier: Adobe), sondern erhält vom Ersterwerber hergestellte Kopien, hinsichtlich derer also ebenfalls Erschöpfung eingetreten ist.
Irrelevanz der Form der Software-Ãœberlassung
Die Beliebigkeit der Art der Ãœberlassung, ob also auf Datenträger oder nicht, bedeutet im Ergebnis insoweit, dass Herunterladen oder Herstellen weiterzugebender Kopien auf Datenträger hinsichtlich der Erschöpfung keinen Unterschied macht (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 33), sodass hinsichtlich der Erschöpfung des Verbreitungsrechts an anzufertigenden Kopien keine andere Beurteilung erfolgt, als im Falle, „dass der Rechtsinhaber der Veräußerung einer entsprechenden Anzahl körperlicher Datenträger zustimmt“ (mit Verweis u.a. auf Grützmacher in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 69c UrhG Rz. 36).
Wegfall des Dilemmas
Das große praktische Problem hätte werden können, dass der Erwerber (hier Ersterwerber) für die Zwecke der Weitergabe neue Exemplare herstellen, zuvor allerdings die „alten“ Exemplare in gleicher Zahl, so auch der BGH, unbrauchbar machen muss. Dieses Erfordernis (BGH v. 17.7.2013 – I ZR 129/08 – UsedSoft II, CR 2014, 168 (174 Rz. 63), zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs, also des der Weitergabe vorgelagerten Vertragsschlusses, muss die Kopie unbrauchbar gemacht sein) war im konkreten Fall erfüllt (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 42).
Resultierende Lizenz-Dichotomie
Insofern ergeben sich zwei Gruppen von Lizenzmethodiken hinsichtlich der Wirkung eines Aufspaltungsverbots:
- Server-basierte Lizenzen:
Ist der Kunde berechtigt, die Software auf einer bestimmten Zahl von Servern aufzuspielen und mit einer genauer bestimmten Zahl von Nutzern zu nutzen, wäre eine Aufspaltung nach Auffassung des BGH mit Hinweis auf EuGH verboten (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 44 1. Teil). Und:
„Hat der Ersterwerber eine Lizenz erworben, die die Nutzung der auf einem Server installierten Kopie des Computerprogramms durch mehrere Nutzer gestattet (sogenannte Client-Server-Lizenz), kann sich der Nacherwerber der Kopie dieses Programms daher nur dann mit Erfolg auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an dieser Kopie berufen, wenn der Ersterwerber diese Kopie unbrauchbar gemacht hat„.
(BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 44 2. Teil).
- Lizenzen mit eigenständigen Kopien (in „Paketen“ erworben bzw. rabattiert):
Ein Aufspaltungsverbot ist unwirksam, auch wenn natürlich im Ergebnis nach Weitergabe insgesamt keine Vermehrung der Zahl der Kopien bestehen darf (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 45 m.w.N.). Der BGH sieht die zwecks Weitergabe hergestellten Kopien als „durch die Veräußerung der Programme adäquat verursachte Vervielfältigungen der Software“ an (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 52 a.E., Hervorhebung nicht im Original).
Die Seriennummer ist insoweit lediglich ein Zugangsschlüssel (BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015 Rz. 47), ohne dass diesem eine weitergehende rechtliche Bedeutung zukäme. Daraus, dass nur eine einheitliche Seriennummer vergeben wurde, kann nicht auf eine einheitliche Lizenz rückgeschlossen werden. Vielmehr liegt eine entsprechend der Zahl der vervielfältigten Kopien entsprechende Zahl von selbstständigen Lizenzen vor.
Wirkungen für Lizenzmodelle zur Überlassung von Software
Die Wirkungen für Lizenzmodelle von Microsoft und SAP können im Detail nochmals unterschiedlich ausfallen.
Jedenfalls eröffnet sich durch UsedSoft III auch für andere als serverbasierte Lizenzmodelle ein neuer Weg, der auf alte Errungenschaften, die bei UsedSoft II und früher schon HalfLife 2 vernachlässigt schienen, aufbaut (v.a. BGH v. 6.7.2000 – I ZR 244/97 – OEM-Version, CR 2000, 651 m. Anm. Witte, s.a. LS 2 bei BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III, CR 7/2015) und wesentlich leichter zu Erschöpfung bei Zweiterwerberkopien und Weitergabe führt. Zudem ergeben sich Implikationen für Konzernlizenzen, evtl. Campus- und ähnliche Lizenzen, Insolvenz und Audits. Dazu mehr in CR 7/2015.
Ein Kommentar
Vielen Dank für diesen interessanten Artikel zum Thema Volumenlizenzen. In den letzten Jahren gab es über 20 Urteile verschiedener Gerichte in Bezug auf gebrauchte Software bzw. Installationskeys. Sehr lange gab es eine unklare Rechtslage gerade bei den Volumenlizenzen. Dies ist nach dem letzten Urteil nun klar geregelt. Trotzdem sollte man nur bei seriösen Anbietern kaufen, die auch klar dokumentieren, dass der Erstkäufer seine Kopien überall gelöscht hat. Mit Lizenzking z.B. habe ich bislang immer sehr gute Erfahrungen gemacht.