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Democracy – Im Rausch der Daten

avatar  Winfried Veil

– Ein Dokumentarfilm über die Datenschutz-Grundverordnung –

(Eine Filmkritik aus rechtspolitischer Perspektive)

Wie schafft man es, ein Gesetzgebungsverfahren, in dem es um Auftragsdatenverarbeitung, Drittstaatenübermittlungen, Datenschutzfolgenabschätzungen, Kohärenzverfahren und Zertifizierungen geht, filmisch in Szene zu setzen, ohne zu langweilen? Indem man daraus eine Geschichte zwischen Gut und Böse konstruiert.

Schwarz-Weiß als durchgängiges Stilmittel

„Democracy – Im Rausch der Daten“ lebt von dem vermeintlichen Gegensatz zwischen guten Bürgerrechten und bösen Wirtschaftsinteressen:

  • „Gut“: Die Protagonisten des Gesetzgebungsverfahrens, Jan-Philipp Albrecht (Berichterstatter für das Dossier im Europäischen Parlament) und Viviane Reding (seinerzeit zuständige EU-Kommissarin), sehen sich als Vorkämpfer für das Gute.
  • „Böse“: Diejenigen, die auf die Verarbeitung von Daten angewiesen sind und damit Geld verdienen, finden sich in der Rolle der Bösewichte. Der europäische Ko-Gesetzgeber, der Ministerrat, will sich dem von Kommission und Parlament erzeugten Zeitdruck nicht unterwerfen und wird daher ebenfalls der Seite des Bösen zugerechnet.

In Schwarz-Weiß gedreht, spiegelt der Film diese künstliche Aufteilung der Welt in Schwarz und Weiß wieder. Regisseur David Bernet folgt kritiklos der politischen Schwarz-Weiß-Agenda der beiden Protagonisten. Daher fehlt dem Film leider die inhaltliche Differenziertheit und er kratzt nur an der Oberfläche der Sachprobleme.

Falsche Prämisse

Zu Beginn des Films gibt Reding die Parole aus:

„Personal data belong citizens.“

Diese auf den ersten Blick eingängige, aber falsche Grundannahme durchzieht den gesamten Film. Es gibt kein Eigentum an personenbezogenen Daten und es gibt auch keine absolute Herrschaft des Einzelnen über „seine“ Daten (Dass es in einer demokratischen Gesellschaft kein eigentumsähnliches “Recht auf meine Daten” geben kann, hat das BVerfG bereits in seinem Volkszählungsurteil vom 15.12.1983 erkannt: BVerfG, Urt. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83, BVerfGE 65, 1 ff. zu C.II.1.b) = Rz. 150). Der Film dient jedoch der Weiterverbreitung dieser These vom eigentumsähnlichen Verfügungsrecht über Daten.

Sinn und Zweck des Datenschutzes bleibt offen

Die grundlegende Frage nach dem Zweck der ganzen Veranstaltung wird im Film nicht gestellt:

  • Geht es um den Schutz der Daten um ihrer selbst willen? Soll ich also jederzeit „meine“ Daten zurückholen, löschen lassen oder ihrer Verarbeitung widersprechen können?
  • Geht es um die informationelle Selbstbestimmung? Soll ich also wissen, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über mich weiß?
  • Geht es um digitale Souveränität? Soll ich also jederzeit andere davon ausschließen können, etwas über mich zu wissen?
  • Oder geht es um den Schutz der Privatsphäre? Wenn ja, was bedeutet Privatsphäre?

Die eigentlichen Herausforderungen für Gesetzgeber

Was bedeutet es für den Gesetzgeber, dass der Begriff der Privatsphäre ständigen gesellschaftlichen Wandlungen unterworfen ist und daher keineswegs so festgelegt zu sein scheint, wie es der Film suggeriert. „There is no thing as privacy as such, sagt James Whitman („The Two Western Cultures of Privacy: Dignity Versus Liberty“, Yale Law Journal Vol. 113, 1151 (1221)).

  • Was bedeutet Privatsphäre in der sich rasant wandelnden digitalen Welt, in der die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem fließend werden?
  • Was bedeutet es, wenn es in Deutschland das Steuergeheimnis gibt, in Schweden aber die Steuerdaten und damit die Gehälter aller Bürger öffentlich zugänglich sind?
  • Ist das Recht auf Datenschutz ein gleichwertiges Grundrecht oder hat es nur instrumentellen Charakter und dient allein dem Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre?

Kein investigatives Element

Von Politikern ist es vielleicht zu viel verlangt, sich mit den vielfältigen praktischen, technischen, rechtlichen, wissenschaftlichen und philosophischen Dimensionen, die die Auseinandersetzung über Privacy mit sich bringt, zu beschäftigen. Ein Filmemacher aber, der jahrelang im „Rausch der Daten“ verbringt, hätte hier nachfassen müssen. Stattdessen lässt er beide Seiten, Politiker und Lobbyisten, die üblichen Platitüden wiederholen, die mittlerweile jeder Spiegel-Leser kennt: „Daten sind das neue Öl“, „Daten sind Geld“, „Daten sind die neue Währung“, „all answers are in the data“, „surveillance is about managing people“.

Wenn schon nicht die Frage nach dem Sinn des Datenschutzrechts gestellt wird, hätten wenigstens Beispiele der vom Gesetzgeber zu lösenden Rechtsprobleme aufgezeigt werden können. Manches findet im Film beiläufig Erwähnung: der Unterschied zwischen „identification“ und „singling out“, die Profilbildung, die Schwäche des Rechtsinstituts der Einwilligung, das Recht auf Vergessen. Für den Nichtfachmann reden die Akteure in diesen Momenten aber nur Fachchinesisch.

Vertane Chance für den Datenschutz

In den 100 Minuten des Films wäre durchaus Gelegenheit gewesen, dem einen oder anderen Geschäftsmodell auf den Grund zu gehen. Der Zuschauer wäre intellektuell nicht überfordert gewesen, wenn man ihm die datenschutzrechtliche Einordnung der Zusendung von Werbung erklärt und die Pro- und Contra-Argumente von Opt-in- und Opt-out-Lösungen vor Augen geführt hätte. Warum nicht erklären, in welche Schwierigkeiten ein falscher Kreditscore den Betroffenen bringen kann, wie wichtig das Kreditscoring aber für die Bonitätsprüfung und damit für die Kreditwirtschaft ist und wie schwierig es für den Gesetzgeber ist, eine ausgewogene Regelung zu treffen? Warum nicht zeigen, unter welchen Voraussetzungen Kohortenstudien mit besonders schutzbedürftigen Gesundheitsdaten stattfinden dürfen, welche Rolle der „broad consent“ spielt und was der Gesetzgeber dabei für eine Interessenabwägung zu treffen hat.

Dass im Datenschutzrecht höchst komplexe rechtliche Interessenabwägungen zu bewältigen sind, lässt sich aus den aufgezeichneten Gesprächen der Akteure zwar erahnen. Dass es aber berechtigte öffentliche Interessen an der Verarbeitung personenbezogener Daten und kollidierende Grundrechte des Datenverarbeiters und Dritter gibt, die dem Recht auf Privatsphäre entgegenstehen, wird nicht klargestellt. Stattdessen bleibt der Film in der Entgegensetzung von guten Menschenrechtsaktivisten einerseits und bösem Staat und böser Wirtschaft andererseits stecken.

Blasses Bild betroffener Interessen

Dabei werden die Lobbyisten durchaus nicht unsympathisch gezeigt. Es sind keine düsteren Gestalten, die Bestechungsversuche unternehmen. Sie bleiben allerdings auch erstaunlich blass. Vermutlich hatten die Filmemacher Schwierigkeiten, Personen zu finden, die die ihnen zugedachte Rolle zu spielen bereit waren. So bleiben die großen Player Google, Facebook, Microsoft, Apple, Yahoo, Amazon, denen die Verordnung ja in erster Linie die Grenzen aufzeigen soll, gesichtslos. Stattdessen sehen wir Anwälte aus Großkanzleien, die um einen Termin bei Albrecht betteln und von diesem in der dunklen Ecke einer Konferenz abgefertigt werden.

Dass neben den Internetriesen und der Werbewirtschaft allein in Deutschland mehr als drei Millionen kleine und mittelständische Unternehmen, ca. 600.000 Vereine und praktisch alle hier lebenden Menschen Datenverarbeiter im Sinne des Datenschutzrechts sind, verschweigt der Film.

Kein „One-Size-Fits-All“

Dass nach dem „One-size-fits-all“-Ansatz der Verordnung auch die Datenverarbeitung für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung, dass Archive, dass die interne Unternehmenskommunikation, dass Journalisten, Blogger, Webseitenbetreiber und Crowdsourcing-Plattformen, dass das Internationale Rote Kreuz bei der Vermisstensuche und dass der Handwerker sowie der „Bäcker um die Ecke“ erfasst werden, relativiert die klassenkämpferische Rhetorik, kommt im Film aber ebenfalls nicht vor (zur Kritik am „One-size-fits-all“-Ansatz ausführlich Härting/Schneider, „Datenschutz in Europa – Plädoyer für einen Neubeginn“, CR 2014, 306 (307)).

Freiheit und Kunst des Films …

So laviert der Film zwischen der Eurokratenvariante eines Heldenepos à la „Die Firma“ mit allerdings mittelmäßig charismatischen Vorkämpfern für das Gute und Dokumentarfilmen à la „Food, Inc.“ mit allerdings geringerem investigativem Potential.

Betrachtet man den Film nur als Kunstwerk, ließe sich über die narzisstische Selbstinszenierung der Protagonisten hinwegsehen. Albrecht posiert in einer Säulenhalle, nicht ohne zuvor für die Kamera damit zu kokettieren, sich zum ersten Mal in seinem Leben eine Krawatte umzubinden. Er reckt bei der finalen Abstimmung im Europäischen Parlament seinen Daumen in die Höhe, als sei es die geballte Faust. Reding nennt Albrecht gönnerhaft ihren Lieblingsberichterstatter und tätschelt ihm fast mütterlich die Wange. Beide höhnen gemeinsam über die „usual suspects“, die die Frechheit haben, sich gegen ihre Entwürfe auszusprechen. Albrecht wiederum brüstet sich damit, er benötige als Berichterstatter für dieses Dossier jetzt wohl Personenschutz – als würden von Google gedungene Auftragskiller auf ihn warten. In einem Selfie-Video gefällt er sich in der Rolle desjenigen, den die Wölfe mit fletschenden Zähnen jagen und zerreißen wollen. Und der Mitarbeiter von Albrecht spricht vom Kriegsmodus, in den sie jetzt eintreten würden.

… oder authentische Dokumentation?

Ein bisschen viel Pathos und martialische Rhetorik für grüne Bürgerrechtsaktivisten. Die politischen Mitstreiter und Gegner werden allerdings vor Neid erblassen, wenn sie vorgeführt bekommen, wie man seine Rolle in einem Gesetzgebungsverfahren heroisieren kann. Doch kommt das Ganze immer noch authentisch rüber. Und das ist das Problem: Am Ende kann man nicht mehr so richtig unterscheiden, ob das politische Spiel für den Film inszeniert wurde oder ob der Film Teil der politischen Inszenierung ist, die die Verhandlungen seit Jahren kampagnenartig begleitet.

Verdienst für Tagesgeschäft des EU-Gesetzgebers

Die Filmemacher werben damit, dass zum ersten Mal in der Geschichte der EU ein Filmteam so tief ins Innere der EU habe vordringen können. Dies ist tatsächlich das größte Verdienst des Filmes. Das Brüsseler Tagesgeschäft wird in seiner ganzen Mühseligkeit, Banalität, Schwerfälligkeit, Formel- und Floskelhaftigkeit, Oberflächlichkeit gezeigt. Und es wird die aufwendige Textarbeit gezeigt, die von allen Seiten geleistet wird. Doch auch hier findet wieder die Einteilung der Welt in Gut (Kommissarin Reding, EU-Parlamentarier Albrecht und seine Mitstreiter) und Böse (Regierungen der EU-Mitgliedstaaten und Lobbyisten) statt.

Defizit: „Democracy“ ohne „Legitimacy“

Obwohl der Film „Democracy“ heißt, wird nicht ein Mal die zweifelhafte demokratische Legitimation des Brüsseler Geschäfts angesprochen. Bei der Premiere in Berlin beklagte sich Ex-Kommissarin Reding, alles ginge viel schneller und wäre besser, wenn das Europäische Parlament allein entscheide und es die Mitgliedstaaten, die alles blockierten, nicht gebe. Dass allerdings ein einzelner Abgeordneter mit zwei, drei Mitarbeitern im Hinterzimmer seines Büros quasi im Alleingang den Rechtstext ausarbeitet, den die meisten seiner Kollegen aufgrund seiner Komplexität kaum durchschauen und daher später nur noch durchwinken („Where are all our amendments?“), dürfte das Demokratiedefizit der Europäischen Union um eine weitere Variante bereichern.

 

3 Kommentare

  1. avatar David Bernet
    Veröffentlicht 12.11.2015 um 17:12 | Permalink

    Sehr geehrter Herr Winfried Veil

    Ich bin der Regisseur des Films, zur Zeit auf Promo-Tour und in vielen Kinos bei Filmgesprächen präsent. Auf meiner Tour durch die ganze Republik lese ich sorgfältig, was an Feedback überall auf uns zukommt und bin so auf ihre Rezension gestoßen. Mir war nie daran gelegen, an diesem langen und schwierigen Gesetzgebungsprozess Beteiligte – auf welcher Ebene auch immer – zu kränekn. Daher möchte ich Ihnen hier entgegnen.

    Wie Sie beschreiben, bestand die wesentliche und größte Herausforderung für diesen Film darin, überhaupt ein solches Projekt in Angriff zu nehmen: Wie lässt sich ein für normale Bürger vollkommen abstrakter Entscheidungsfindungsprozess zu einem noch abstrakteren Thema – das in Wahrheit von höchster Relevanz für alle ist – tatsächlich zu einem lehrreichen und unterhaltsamen Dokumentarfilm verdichten?
    Sie können sich denken, dass ich nie diesen großen Spielraum für meine Dreharbeiten im Inneren der EU-Institutionen erhalten hätte, wenn nicht sehr viele Leute den Wert dieses Unternehmens für die europäische Öffentlichkeit erkannt hätten.

    Auf dem Weg dann durch den Gesetzgebungsprozess als Filmemacher habe ich viele Entscheidungen getroffen, die man im Nachhinein unterschiedlich gewichten kann. Dass ich die begleiteten Akteure plump zwischen Gut und Böse kategorisiert hätte, ist eine sehr undifferenzierte und falsche, aber wohl auch unvermeidliche Unterstellung.
    Je nachdem, aus welcher Perspektive der Film betrachtet wird, rühmen die einen eine ungewöhnlich „objektive“ Wahrnehmung des Geschehens, andere sehen in Interessenvertretern nur „böse Lobbyisten“. Wieder andere fühlen sich davon provoziert, dass Jan Philipp Albrecht sich im Laufe des Films zu einer Hauptfigur entwickelt.
    Ich kann letzteres nachvollziehen, auch wenn ich es etwas kleinlich finde. Denn ohne die Bereitschaft und den Mut des Politikers Albrecht, sich über Jahre derart offen und schutzlos der beobachtenden Kamera auszusetzen, wäre dieser Film womöglich gescheitert. Zumindest als Film, der ein großes Publikum zu erreichen vermag, das sich nicht ohnehin für die Materie interessiert.

    Albrecht wird zwar zur Hauptfigur des Films, aber am Ende wird der Erfolg – der klarerweise auch sein persönlicher Etappensieg ist – ebenso als Erfolg der parlamentarischen Kooperation gefeiert. Die Zuschauer erleben dieses Filmende mit einem Gefühl des Optimismus gegenüber den europäischen Institutionen, nicht weil sie in Albrecht den Helden sehen, sondern weil sie im Inneren des kafkaesken Konstrukts Brüssel einen ergebnisbezogenen, intakten Parlamentarismus erkennen können. Für die große Mehrheit eine vollkommen neue und verblüffende Einsicht.

    Wichtig zu wissen ist auch, dass ich im Januar 2012 zu drehen begann. Ich hatte vor mir einen offenen politischen Prozess. Niemand konnte sagen, wohin er führt, und welche Personen in die handelnden Positionen rücken würden. Albrecht wurde im Februar 2012 zum Rapporteur gewählt – was für alle eine große Überraschung war. Auch für mich.

    Ich habe mich während der Produktionszeit bemüht, möglichst viele Akteure mit in den Film einzubeziehen. Diejenigen, die zugestimmt haben, sind im Film zu sehen. Diejenigen, die abgelehnt haben, nicht. Dazu gehören sowohl die von Ihnen genannten Firmen Google, Facebook etc. als auch das BMI, die Behörde, für die Sie arbeiteten. Aus unterschiedlichen, auch nachvollziehbaren Gründen.

    Zum Rat der EU: Allgemein wächst die Ungeduld zusehends, mit der die europäischen Öffentlichkeiten die stotternde Handlungsbereitschaft der EU-Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene wahrnehmen. Nicht nur zum Datenschutz. Nachdem ich so viel Zeit in den EU-Institutionen verbracht habe, teile ich diese Ungeduld. Ich nehme mir heraus, die Gründe dafür auch im Film etwas sichtbar zu machen. Und ungeduldig wie viele warte auch ich auf Signale, dass der Rat dem Verdruss zu begegnen intendiert.

    Zur juristischen Perspektive: In diesem Projekt stellte es eine besondere Herausforderung dar, dass der von den Protagonisten zu verhandelnde Film-Gegenstand, ein äußerst komplexer ist: Ein 100-seitiger Gesetzestext!
    Mein Anliegen für so einen, für das großes Publikum gedachten Film konnte nicht sein, selbst diskursiv in die Materie einzusteigen. Sie ahnen nicht, wie wenig Vorkenntnisse man voraussetzen kann, sowohl, was die Verfahrensformen der EU-Gesetzgebung angehen, wie was die Relevanz von Datenschutz als solchem angeht, wenn man diese zu erläutern versucht. Glauben Sie uns, wir haben das getestet.
    Unsere Lösung war, die Zuschauer nicht mit der Komplexität des Themas zu erschlagen, aber sie dennoch immer fühlen zu lassen, dass sie da ist – und also einfache Lösungen nicht möglich sind.

    Datenschutz ist meiner Meinung nach ein Thema, das uns in der digitalen Gesellschaft nicht mehr verlassen wird – unabhängig davon, was Rat und Parlament dazu beschließen. Mit unserem Film hoffen wir, mit den Mitteln unseres Metiers als Filmemacher dazu beizutragen, dass diese Herausforderung erkannt wird.

  2. avatar ElkeEich
    Veröffentlicht 13.11.2015 um 12:43 | Permalink

    Bei Filmen ist es ja immer wieder so, dass Betrachter und Kritiker es ganz oder zumindest teilweise anders gemacht hätten. Als Journalistin mit starkem Fokus (inklusive dokumentarische Formate) wie auch als qualitative Markt- und Sozialforscherin, der die clevere Auswertung von „Big Data“ bei jedem Kongress und jeder Konferenz als DIE Lösung entgegen schreit, sehe ich es so: Dieser Film ist ein Türöffner für das komplexe Thema und wirft Licht auf die grundsätzlichen Prozesse, die uns EU-Laien meist nicht klar und eher unheimlich sind. Und das Ganze noch vor dem Hintergrund einer weit reichenden Politikverdrossenheit. Ein Verdienst dieses Filmes ist es, durch seine besondere Machart das Geschehen auf eine sinnliche Weise zu vermitteln. Was da in Brüssel passiert, und vor allem wie die Abläufe und die damit zusammen hängenden Befindlichkeiten sind, wird sehr gut spürbar.

    Haben wir ein Problem mit Datenschutz? Gibt es eine beunruhigende Diskrepanz zwischen unserem europäischen oder deutschen Verständnis davon und dem, was in Amerika bzgl. des Datenschutzes Usus ist? Verlieren wir im digitalen Dickicht den Boden unter den Füßen? Bzw., drohen wir, in einen Sog zu geraten und ist die Mehrheit der Bürger höchst skeptisch, was diesen Moloch EU betrifft, gerade auch mit unseren Erfahrungen, dass TTIP ohne ausreichende Transparenz verhandelt wird? Meine eindeutige Antwort lautet in allen Fällen „JA, leider ist es so!!!“

    Wie der Regisseur in seinem Kommentar bereits beschrieben hat, ergaben sich einige Schwerpunkte im Laufe der Dreharbeiten. Dass Jan Philipp Albrecht zum Protagonisten mutierte war also nicht von langer Hand geplant. Und schon gar nicht konnte geplant werden, dass ein Withleblower namens Edward Snowden die Welt auf den Kopf stellen wird mit erschreckenden Offenlegungen über die Dimensionen von Überwachungsmechanismen. Seit Snowden dringt immer tiefer in unser Bewusstsein, dass das prophylaktische Sammeln aller unserer verfügbaren Daten und Profile, die an sich ja harmlos sein mögen, fatale Folgen haben können und werden. Wir sind irritiert davon, dass ein befreundeter Staat die Handys unsere Kanzlerin ausspioniert, d.h. dass also selbst die am besten geschützten Personen keinen “richtigen“ Schutz haben. Ich glaube nicht, dass dieser Film nochmals viele Details hätte erklären müssen, denn dadurch wäre sein Rahmen gesprengt und das, was seinen Charme und seine Kraft ausmacht, verloren gegangen.

    Was brauchen wir angesichts dieser vorhin aufgefächerten Aspekte grundlegenden Unbehagens? Vor allem wohl stärkere politische Handlungsfähigkeit. Und die muss sich gerade an den übermächtigen Positionen weltweit operierender Konzerne messen lassen. Wir brauchen wieder mehr Zuversicht in politische Prozesse und mehr Engagement, diese in unserem Sinne zu beeinflussen. Das bedeutet auch mehr aktive Beteiligung bei Europa-Wahlen. Das bedeutet auch, das Thema Lobbyismus, nationale Interessenskonflikte und die sich davon ableitenden Motive klarer im Visier zu haben. Und dazu fordert der Film meiner Meinung nach auf.

    Um aber nochmals auf den Ausgangspunkt meines Kommentars und auf Ihre Kritik an der Machart des Films zurück zu kommen: Sie als Jurist und Fotograf wissen doch auch, dass immer eine Wahl getroffen wird, je nachdem, welche Botschaft vermittelt und welches Ziel erreicht werden soll, ob nun beim Film, bei einem Foto oder bei einem Engagement in Gremien des BMI! Je nachdem, ob Sie sich nun als kreativ schaffender Mensch oder als beim BMI aktiver Jurist verstehen, dem ich allerdings auch als Jurist die Kreativität gerne zugestehen möchte, werden Sie auch unterschiedliche Rollen einnehmen.

    Ein wenig kommen Sie mir bei Ihrem Blockbeitrag als Anwalt der Gegenseite vor, der – wie es halt der Job eines Anwalts ist – nun auch wirklich jedes kleinste Detail heran zieht, um den Film zu demontieren. Selbst Albrechts Krawatten-Binden nach Anleitung einer Smartphone-App wird zum Anlass der Kritik.
    Mal ganz im Ernst und an ihre kollegiale Gönnerhaftigkeit als Kunstschaffender appellierend: Bindet man Krawatten selten, ist solch eine App ohne Frage äußerst nützlich! Und soweit ich aufgrund eines Interviews weiß, ergab sich diese Szene ganz natürlich. Sie in einem assoziativ wirkenden Kontext dann einzusetzen war doch einfach ein genialer Einfall, auf die ein kreativer Dokumentarfilmer erst mal kommen muss und für den man ihn eher neidlos beglückwünschen könnte!

  3. avatar Karsten Gulden
    Veröffentlicht 18.11.2015 um 17:27 | Permalink

    Frage an den Rezensenten Winfried Veil: Was erwarten Sie von einem Film? Die Möglichkeiten und Fähigkeiten eines Films sind begrenzt. Die Tatsache, dass der Film nicht Ihren Erwartungen entspricht, sollte Sie nicht entmutigen, auch künftig über den Tellerrand hinauszuschauen. Gut, dass Sie sich den Film angeschaut haben und nun auch darüber schreiben. Letzten Endes ist es ein Gutes, wenn sich Filmemacher an eine solch komplexe Thematik heranwagen und wenigstens den Versuch unternehmen, diese Komplexität ein Stück weit verständlich zu machen – und zwar für die Zuschauer, nicht das vermeintliche Fachpublikum. Heben Sie bitte auch die positiven Elemente des Films hervor, wenn Sie für sich welche entdecken und wir kommen gemeinsam in dieser schwierigen Sachdebatte weiter.

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