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LG Leipzig: Open Source in Good Company – Zurverfügungstellen des Lizenztextes

avatar  Bernd Suchomski

Erneut zeigt ein deutsches Gericht, dass die Lizenzen für Open Source Software (OSS) wie die GNU General Public License Version 2 („GPLv2“) https://opensource.org/licenses/GPL-2.0 nicht nur rechtlich wirksam, sondern auch durchsetzungsfähig sind. Hauptproblemkreis ist dabei im vorliegenden Fall nicht nur die Zurverfügungstellung des Quellcodes, sondern vor allem des Lizenztexts. In der Praxis ist daher für den OSS-Distributor erhöhte Aufmerksamkeit bei der Zusammenstellung der Lizenzhinweise geboten. Nach Auffassung des LG Leipzig (Beschluss vom 2.6.2015 – 05 O 1531/15) ist bei der digitalen Distribution erforderlich, dass

  • der Quellcode hierbei digital angeboten werden kann und
  • der Lizenztext der GPLv2 komplett (offline) dem Produkt beizufügen ist, d.h. dass bloße Hinweis und Hyperlinks auf den GPLv2-Lizenztext im Internet unzureichend sind.

 

A. Sachverhalt: Verwendung OSS-Komponente ohne Weitergabe des Lizenztextes

Die Antragsgegnerin bot eine fremde Softwarekomponente zum Download auf ihrer Website an, die unter der GPLv2 lizenziert wurde. Dabei hatte sie jedoch nicht den vollständigen Lizenztext der GPLv2 wiedergegeben und den Abnehmern den Quellcode der Komponente angeboten oder zugänglich gemacht.

Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin daraufhin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung erfolgreich in Anspruch. Tenor:

 

„1. Der Antragsgegnerin wird (…), verboten, die Software … öffentlich zugänglich zu machen, ohne entsprechend den Lizenzbedingungen der GNU General Public Licence (GPL) dabei zugleich

– den Lizenztext der GPL beizufügen

– und

> entweder den vollständigen korrespondierenden Sourcecode der Software lizenzgebührenfrei öffentlich zugänglich zu machen

> oder auf einem üblichen Datenträger zu Kosten, die die Kosten für die Herstellung der Kopie CD nicht übersteigen dürfen, jedermann zur Verfügung zu stellen.“

(Hervorhebungen hinzugefügt)

 

B. Angebot des Quellcodes

Das LG Leipzig stellt zunächst die Wirksamkeit der am weitesten verbreiteten OSS-Lizenz GPLv2 fest (wie zahlreiche Gerichte zuvor, z.B. LG München I v. 19.5.2004 – 21 O 6123/04, CR 2004, 774; LG Berlin v. 21.2.2006 – 16 O 134/06, CR 2006, 735; LG Bochum v. 20.1.2011 – 8 O 293/09; LG Berlin, Urt. v. 8. 11. 2011, 16 O 255/10 – Surfsitter, GRUR-RR 2012, 107, 111).

 

Zwingende Offenlegung

Diese Lizenz legt in Ziffer 3 GPLv2 fest, dass der Quellcode der verbreiteten Komponente beizufügen ist oder ein entsprechendes Angebot des Distributors beizufügen ist, nachdem der Quellcode zum Selbstkostenpreis vom Distributor unter der GPLv2-Lizenz bezogen werden kann:

 

3. You may copy and distribute the Program (or a work based on it, under Section 2) in object code or executable form under the terms of Sections 1 and 2 above provided that you also do one of the following:

a) Accompany it with the complete corresponding machine-readable source code, which must be distributed under the terms of Sections 1 and 2 above on a medium customarily used for software interchange; or,

 b) Accompany it with a written offer, valid for at least three years, to give any third party, for a charge no more than your cost of physically performing source distribution, a complete machine-readable copy of the corresponding source code, to be distributed under the terms of Sections 1 and 2 above on a medium customarily used for software interchange; or, (…)”

(Open Source Initiative, GPLv2: https://opensource.org/licenses/GPL-2.0)

 

Bei Ziffer 3 GPLv2 handelt es sich quasi um eine, grundlegende Pflicht zur Erfüllung des sog. Copyleft-Effekts der GPLv2. Durch den Copyleft-Effekt ist der Distributor rechtlich gezwungen, den Quellcode seinen Abnehmern unter den Bedingungen der OSS-Lizenz („under the terms of Sections 1 and 2 above“) zugänglich zu machen. Eine Pflicht, der ein OSS-Distributor im Zweifel ungern nachkommen mag, da sie mit einem Verlust seiner Bearbeiterurheberrechte (§§ 69a Abs. 4, 3 UrhG) und seines Know-Hows (Inhalt des Quellcodes) verbunden sein dürfte, wenn auch seine Abnehmer den Quellcode anschließend frei vervielfältigen, bearbeiten und verbreiten dürfen.

 

 

Rechte des Verwenders

Die GPLv2 vermittelt dem Abnehmer insbesondere die Rechte zur freien Vervielfältigung, Bearbeitung und Verbreitung, dazu die Präambel der GPLv2:

 

“Our General Public Licenses are designed to make sure that you have the freedom to distribute copies of free software (and charge for this service if you wish), that you receive source code or can get it if you want it, that you can change the software or use pieces of it in new free programs; and that you know you can do these things.”

(Open Source Initiative, GPLv2: https://opensource.org/licenses/GPL-2.0)

 

Auslegung des LG Leipzig

Das LG Leipzig scheint offenbar der Ansicht des LG München, Urt. v. 12.7.2007 – 7 O 5245/07, CR 2008, 57-61 zu folgen hinsichtlich der Frage, was eigentlich der Passus „Accompany (…) on a medium customarily used for software interchange“ im vorgenannten Lizenztext ausmacht (nachfolgend kurz „Accompany“). Dazu die Ziffer 3 Abs. 3 GPLv2:

„If distribution of executable or object code is made by offering access to copy from a designated place, then offering equivalent access to copy the source code from the same place counts as distribution of the source code, even though third parties are not compelled to copy the source along with the object code.“

 

Nach Ansicht des LG Leipzig entspricht dem ein digitales Downloadangebot im Sinne des öffentlichen Zugänglichmachens nach § 69c Nr. 4 UrhG (Zur Definition als Downloadangebot, vgl. Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl., § 69c, Rn. 52):

 

„1. Der Antragsgegnerin wird (…), verboten, die Software … öffentlich zugänglich zu machen, ohne entsprechend den Lizenzbedingungen der GNU General Public Licence (GPL) dabei zugleich (…) den vollständigen korrespondierenden Sourcecode der Software lizenzgebührenfrei öffentlich zugänglich zu machen (…).“

(Hervorhebung hinzugefügt)

 

Und:

 

„d) (…) Die Nutzungsberechtigung setzt jedoch die Wahrung der GPL voraus. Erforderlich ist danach insbe­sondere, dass (…) der Quellcode zugänglich gemacht wird (vgl. Ziffer 1 und 3 der GPL, …).“

(Hervorhebung hinzugefügt)

 

Für eine digitale Verbreitung des Binärcodes hatte das LG München schon festgehalten:

 

„Denn die streitgegenständlichen Programme werden nicht zum Download im Internet angeboten. Nur in diesem Fall wäre auch das Angebot zum Download des Sourcecodes ausreichen[d] (vgl. § 3 Abs. 3 [GPL]).“

(LG München, Urt. v. 12.7.2007 – 7 O 5245/07, CR 2008, 57-61)

 

Fazit für Quellcode

Nach deutschem Recht hat die Rechtsprechung bestätigt, dass ein Download-Angebot des Quelltexts einer Fremdkomponente unter der GPLv2 ausreicht, wenn die Binärdateien digital angeboten werden.

Eines zusätzlichen Angebots eines physischen Datenträgers bedarf es danach nicht; jedenfalls dann nicht, wenn auch die Binärdateien nur digital angeboten werden. Ein digitales Angebot von OSS-Binärcode ist also insoweit in guter Gesellschaft, wenn gleichzeitig der Quellcode online angeboten wird.

 

C. Beifügen des OSS-Lizenztexts

Lassen sich die Ausführungen auf die Beifügung des GPLv2-Lizenztexts übertragen, die nach Ziffer 1 GPLv2 durch den Distributor geschuldet ist?

 

Keine Parallelität zum Angebot des Quellcodes

Nein, denn Ziffer 1 GPLv2 verwendet mit „[to] give a copy of this license“ einen anderen Wortlaut als Ziffer 3 GPLv2 und damit nicht den Passus „(to) accompany“:

„1. You may copy and distribute verbatim copies of the Program’s source code as you receive it, in any medium, provided that you (…) give any other recipients of the Program a copy of this License along with the Program.”

(Open Source Initiative, GPLv2: https://opensource.org/licenses/GPL-2.0)

 

Auch das LG Leipzig ist hier eindeutig:

 

„Die Nutzungsberechtigung setzt jedoch die Wahrung der GPL voraus. Erforderlich ist danach insbe­sondere, dass auf die GPL hingewiesen, der Lizenztext der GPL beigefügt und der Quelleode zugänglich gemacht wird (vgL Ziffer 1 und 3 der GPL, AS 2).“

(LG Leipzig, Beschluss vom 2.6.2015 – 05 O 1531/15, http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20160008)

 

Wie auch das LG München:

 

„§ 1 der GPL sieht dagegen vor, dass der Empfänger zusammen mit dem Programm eine Kopie der Lizenz erhält, wie dies auch ansonsten beim Vertrieb von Software in Form von Datenträgern in Gestalt der Beifügung der Lizenzvertrags-bedingungen in Textform weit verbreitet ist. Aus der Information auf dem Beiblatt geht auch nicht hervor, ob auf die streitgegenständliche Software die Bedingungen der GPL oder LGPL anwendbar sind.“

(LG München, Urt. v. 12.7.2007 – 7 O 5245/07, CR 2008, 57-61)

 

Anm. zum Inhalt des vom LG München zitierten Beiblatts:

 

„This product includes software code developed by third parties, including software code subject to the GNU General Public License („GPL“) or GNU Lesser General Public License („LGPL“). As applicable, the terms of the GPL and LPGL, and information on obtaining access to the GPL Code and LGPL Code used in this product, are available to you at http://www…com under the support/download section. (…)“.

(abrufbar unter: http://www.ifross.org/Fremdartikel/LGMuenchenUrteil.pdf, dort Seite 13)

 

Fazit für Lizenztext

Es genügt nicht, dass lediglich ein Hinweis auf die OSS-Lizenz erfolgt. Vielmehr muss der gesamte Lizenztext der Distribution beigegeben werden.

Dies steht der oft gängigen Praxis entgegen, lediglich per Hyperlink auf eine Fundstelle des GPLv2-Lizentexts zu verlinken (wie es im Fall des LG München).

Der Lizenztext der GPLv2 ist komplett (offline) dem Produkt beizufügen.

2 Kommentare

  1. Veröffentlicht 9.3.2016 um 09:38 | Permalink

    Gilt dieser Grundsatz, dass der OS-Lizenztext in Textform der Software beigefügt werden muss, auch für Programmkorrekturen (Updates, Upgrades, Patches, etc.)?

  2. Veröffentlicht 10.3.2016 um 11:25 | Permalink

    Sehr geehrte Frau Koepp,

    vielen Dank für Ihre Frage, die ich beantworten würde mit: bei der GPLv2 – im Zweifel – ja. In jedem Fall sollte aber eine Einzelfalluntersuchung durchgeführt werden.

    Die Pflicht, den Lizenztext gemäß der GPLv2 beizufügen, gilt insbesondere im Fall der Verbreitung der ursprünglich bezogenen, GPLv2-lizenzierten Komponenten, Teilen davon oder be-/überarbeiteten bzw. abgeleiteten Versionen dieser Komponenten (sog. „derivative“ oder „work based on the program“, die vom Copyleft der GPLv2 erfasst werden).

    Fallen die Programmkorrekturen unter die vorgenannten Fallgruppen, so ist davon auszugehen, dass sich die GPLv2 auf die Programmkorrekturen erstreckt und damit u.a. der entsprechende Lizenztext mitzuliefern ist.

    Bei Updates, Upgrades, Patches von GPLv2-lizenzierter Software ist es schon grundsätzlich denkbar, dass ein „derivate“ im Sinne der GPLv2 vorliegt (siehe z.B. zu Diffs: Schäfer, Der virale Effekt, 124 f.). Im Übrigen hat das LG Berlin den Anwendungsbereich des Copylefts der GPLv2 weit ausgelegt (vgl. LG Berlin, GRUR-RR 2012, 107 m. Anm. Mantz). Um einen Copyleft und die Anwendbarkeit der GPLv2 ausschließen zu können, sollten insbesondere Inhalt und Funktion der Programmkorrekturen sowie des Zielsystems und deren Vertriebsform untersucht werden (dazu lesenswert: Schäfer, Der virale Effekt, S. 64 ff.; Jaeger/Metzger, Open Source Software, 3. Aufl., Rn. 47 ff., Webbink, Packaging Open Source, ifrosslr 2009, Vol 1 No 2).

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