CR-online.de Blog

Ein eigener Kommentar für das IT-Recht – ein gelungener Erstling

avatar  Helmut Redeker

IT-Recht als Kommentar – eine ziemlich ungewohnte Vorstellung, gibt es doch Kommentare zu Gesetzen, nicht zu Rechtsgebieten, auch wenn viele Kommentare mehr als ein Gesetz betreffen. Und das Ganze, Schuster/Grützmacher, IT-Recht Kommentar, 2020, auch noch zum IT-Recht, einer branchenbezogenen Querschnittsmaterie, für die zahlreiche und sehr unterschiedliche Gesetze gelten. Wie geht das?

Kommentierte Thematik: Klassisches IT-Vertragsrecht

Möglich ist das nur durch Beschränkungen: Zum einen: Es geht nicht um das gesamte IT-Recht, es geht letztendlich um das klassische IT-Recht rund um die Nutzung von Hardware, Software und Daten. Der gesamte Bereich des Internetrechts um E-Commerce, Verbraucherschutz und Persönlichkeitsrechten, ein Gebiet, das für viele das eigentliche IT-Recht darstellt, wird ausgeblendet. Wer dazu einen Kommentar sucht, findet ihn auch schon: Spindler/Schuster (Hrsg.): Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019. Es dürfte kein Zufall sein, dass Fabian Schuster in beiden Fällen zum Herausgeberteam gehört.

Normauswahl & Zielgruppe

Durch diese gewollte Beschränkung wird die besprochene Auswahl von Gesetzestexten und Klauselwerken übersichtlicher. Firmenjuristen und Rechtsanwälte, die Unternehmen bei Verträgen über Hard- und Software oder Fragen des „Dateneigentums“ beraten wollen, werden dafür dankbar sein.

Wer regelmäßig in Fragen des geistigen Eigentums, des unternehmerischen Vertragsrechts, des Vertriebsrechts und des Datenschutzes berät und nicht den Zugriff auf eine reich ausgestattete Bibliothek mit sehr unterschiedlichen Rechtsgebieten hat, wird für die kompakte Auswahl einschlägiger Vorschriften sehr dankbar sein.

Behandelte Regelungswerke

Die kommentierten Regelungswerke reichen in alphabetischer Reihenfolge von den kartellrechtlichen Normen des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) über die einschlägigen Gruppenfreistellungsverordnungen, Rom I- und Rom II-VO, hin zu BGB, dem Handelsvertreterrecht des HGB, dem ProdHaftG, dem ProdSG, einschlägigen Normen von UrhG und PatG und zu den in der Praxis wichtigen Vertragsbedingungen für Open Source Software.

Hinzu kommen einzelne Normen der DSGVO, des KWG, StGB oder des WpHG. Sogar die DualUseVO der EU wird kommentiert.

Wer nicht jeden Tag Vertriebsrecht bearbeitet, wird z.B. erfreut sein, eine durchaus geglückte Kommentierung der einschlägigen Gruppenfreistellungsverordnungen zu finden. Wer in einer Vertragsgestaltung berät, die am Rande auch Fragen des Kreditwesens berührt, wird Hinweise für sich aufdrängende Fragen finden.

Qual der Auswahl

Insgesamt ist die Auswahl den Herausgebern im Großen und Ganzen sehr geglückt. Fast immer findet man die für ein Problem wichtigen Normen kommentiert.

Angesichts der Vielzahl an Gesetzen kann man sich immer fragen, ob eine Auswahl wirklich in jedem Detail geglückt ist:

DSGVO: So hätte dafür plädiert werden können, auch die Art. 4, 5 und 25 DSGVO zu betrachten. Zwar werden einzelne der in Art. 4 DSGVO enthaltenen Begriffsbestimmungen jetzt in einzelnen Spezialnormen definiert wie z.B. der Auftragsverarbeiter in Art. 28 Rz. 18 ff.. Viele wichtige Begriffe fehlen aber, auch der der personenbezogenen Daten.

  • Lesart: Die Grundregeln des Art. 5 DSGVO sind wichtig für das Verständnis aller Normen.
  • Indirekte Wirkung: Art. 25 DSGVO bindet zwar nur den Verantwortlichen an Prinzipien wie Datensparsamkeit u.ä. Die Norm wirkt sich aber indirekt auch auf Anforderungen an die Softwaregestaltung aus und bestimmt damit die Produkte, um die es im klassischen Softwarerecht geht.

Dual-Use VO: Führt die Aufnahme zusätzlicher Kommentierungen zu Platzproblemen, würde der Unterzeichner auf die Kommentierung zur DualUseVO verzichten. Wenn man sie aber kommentiert, sollte dies dann aber auch alle dargestellten Normen umfassen. Wer diese Norm anwenden muss, benötigt nicht nur Ausführungen zu den Begriffsbestimmungen, sondern auch zu den konkreten Exportregeln.

Open Source Vertragsbedingungen: Demgegenüber ist es besonders günstig, dass auch Open Source Klauselwerke kommentier werden, gibt es doch kaum noch Software, die ohne Open Source-Bestandteile hergestellt wird. Dass schwerpunktmäßig GPL (v2) und LGPL kommentiert werden, führt dazu, dass zentrale Probleme wie der virale Effekt ausgiebig dargestellt werden (bis hin zu der Frage, was denn nun bei SaaS gilt). Auch dieser Kommentar kann allerdings nicht über die Tatsache hinweghelfen, dass in vielen Fällen der Praxis zahlreiche weitere Open Source Vertragsbedingungswerke wie z.B. die Common Development and Distribution License (CDDL) oder die Eclipse Public License (EPL) verwendet werden. Die große Zahl solcher Klauselwerke kann leider schon aus Platzproblemen auch nicht in Ansätzen behandelt werden – immerhin werden auch die Apache License (ASL) und die Berkeley Software Distribution (BSD) behandelt.

Bewertung der Auswahl für das Werk

Nochmal:  Insgesamt ist die Auswahl den Herausgebern im Großen und Ganzen sehr geglückt. Fast immer findet man die für ein Problem wichtigen Normen kommentiert.

Fokus auf IT-rechtliche Fragestellungen

Auch ein weiteres Problem wird – von den Kommentatoren – meist gut gelöst: Viele der Normen gelten nicht nur für den IT-Bereich. Die Kommentierung sollte aber das herausarbeiten, was für IT-rechtliche Fragestellungen relevant ist.

Herausforderung:  Besonders schwierig ist dies bei vielen Normen des BGB, sind dort doch die bei der Beratung in IT-rechtlichen Fällen auftretenden Problemen gleich mit denen in vielen anderen Fällen – die Fälle unterscheiden sich nur im technischen Hintergrund und ggf. in manchen Branchengepflogenheiten. Die rechtlichen Voraussetzungen der Fälligkeit oder die Antwort auf die Frage, wann ein Vertragspartner auch ohne Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten kann, sind in Grundsatz und Argumenten nicht anders als in anderen Branchen und Fällen. Darüber hinaus stehen praktisch jedem Nutzer des Werks Kommentare zum BGB zur Verfügung, die diese Fragestellungen aufarbeiten.

Transparenz der Relevanz:  Hier die besonderen Aspekte IT-rechtlicher Fragestellungen herauszuarbeiten und so darzustellen, dass der Nutzer des Werks einen Gewinn hat, ist schwierig und gelingt nur in unterschiedlichem Umfang. Zwar werden alle wichtigen Aspekte behandelt, in manchen Fällen wird nur stärker als in anderen klar, warum die behandelte Fragestellung auch und gerade im IT-Recht von Bedeutung ist:

  • Schadensersatz:  Während der Bezug zum IT-Recht z.B. im Bereich der Kommentierung zu den §§ 280 ff. BGB zwar immer wieder im Text erwähnt wird, aber dennoch eher abstrakt bleibt und dadurch die Ausführungen für den Leser nur eine weitere knappe Kommentierung des BGB bleiben,
  • Werkvertragsrecht:  Hier sind die Ausführungen in der Kommentierung zu den §§ 631 ff. BGB sehr IT-bezogen und greifen wichtige IT-rechtliche Fragestellungen kompetent auf.

Gesamturteil & Empfehlung

Insgesamt sind die Kommentierungen sehr hilfreich und haben mich sogar schon auf Fehler in einem von mir selbst verantworteten Publikationswerk hingewiesen.

Eine Online-Besprechung kann nicht auf alle Details näher eingehen. Nur ein kleiner Verbesserungshinweis: In der Darstellung der Produktbeobachtungspflichten in der Kommentierung zu § 3 ProdHaftG (Rz. 18ff.) wäre ein Hinweis hilfreich, dass es nach allgemeiner Meinung solche Produktbeobachtungspflichten im Bereich der Produkthaftung (anders als in der Produzentenhaftung) nicht gibt. Solche Detailkritik gibt es bei der Erstausgabe derart umfassender Werke aber immer.

Vor diesem Hintergrund kann Juristen, die in der Beratung von Unternehmen mit IT-Bezug tätig sind, das Werk daher nur wärmstens empfohlen werden.

 

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich einloggen um einen Kommentar schreiben zu können.