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Corona-Update: Virtuelle Mitgliederversammlung & Vorstandswahlen im Verein

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Rechtsanwalt

Mit dem Ende der „Lockerungen“ bei der Anzahl von Teilnehmern von Versammlungen, insbesondere in geschlossenen Räumen, wird in Zeiten der Pandemie die Frage nach Alternativen für die Durchführung von satzungsgemäß vorgesehenen Mitgliederversammlungen in Vereinen und Verbänden vor Ablauf des Kalenderjahres wieder drängender. Der Gesetzgeber hat hier durch gesetzliche Regelungen gut gemeinte Erleichterungen vorgesehen, die sogar „virtuelle Mitgliederversammlungen“ ermöglichen sollen. Diese sollen in diesem 1. Teil des Beitrages dargestellt werden. Die Tücken im Detail führen jedoch zu dem Ergebnis, das gerade größeren Organisationen nicht dazu geraten werden kann, unnötige Energie auf eine rechtlich noch höchst unsichere „Cloud-Versammlung“ zu verschwenden. Im Zweifel erscheinen andere Alternativen vorzugswürdig.  Konkrete Handlungsempfehlungen werden im 2. Teil dieses Beitrages gegeben.

I. Hintergrund

Im Zuge der Bekämpfung der Folgen der COVID-19-Pandemie hat der Deutsche Bundestag am 25. März 2020 das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ (Covid-19-Gesetz) beschlossen. Art. 2 des Covid-19-Gesetzes enthält das

Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie
(Covid-19-MaßnG).

§ 5 Covid-19-MaßnG regelt Erleichterungen, die u.a. auch die Handlungsfähigkeit und die Beschlussfassung von Vereinen auch bei stark beschränkten Versammlungsmöglichkeiten sicherstellen soll:

„§ 5 Vereine und Stiftungen

(1) Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.

(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,

1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder

2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.“

(Hervorhebungen hinzugefügt)

MV & Handlungsfähigkeit als Ziele:  Die Neuregelung soll Erleichterungen im Hinblick auf die Durchführung von bereits anberaumten oder noch anzuberaumenden Mitgliederversammlungen bringen und zugleich die Handlungsfähigkeit eines Vereins auch für den Fall sichern, dass eine Mitgliederversammlung gar nicht oder jedenfalls nicht wie normal als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden kann.

Notwendigkeit:  Dies ist insofern wichtig, als eine Mitgliederversammlung nach den Regeln des Vereinsrechts grundsätzlich nicht anders als nach ordnungsgemäßer (schriftlicher) Einladung und im Rahmen einer physischen Präsenzsitzung durchgeführt werden darf, soweit die Satzung nicht bereits anderes ausdrücklich bestimmt (vgl. etwa OLG Hamm, Beschl. v. 27.9.2011 – I-27 W 106/11, MDR 2012, 420 oder OLG Hamm, Urt. v. 18.12.2013 – 8 U 20/13, MDR 2014, 482).

Praxis:  Abweichungen von der gesetzlichen Regel der Präsenz sind in vielen Satzungen von Vereinen und Verbänden nur hinsichtlich der Arbeit in Vorständen oder anderen Gremien verankert, nicht jedoch für die Versammlung von Mitgliedern. Fehlt bislang jegliche satzungsmäßige Grundlage für Beratungen und Beschlüsse im Rahmen von Telefon- oder Videokonferenzen oder durch (E-Mail-) Umlaufbeschluss oder gar dezidierte Regelungen zu elektronischen Abstimmungen und Wahlen, dürfte man die gesetzliche Erleichterung in vielen Vereinsvorständen sehr begrüßen, verbessert sie doch die Rechtssicherheit einer bereits gelebten Praxis erheblich.

Voraussetzung für MV:  Aufgrund des Covid-19-MaßnG kann nun auch die Teilnahme an der Mitgliederversammlung ohne physische Teilnahme am Versammlungsort ermöglicht werden, wenn (!) die Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausgeübt werden können. Auch die teilnahmslose, vorherige schriftliche Stimmabgabe soll ermöglicht werden. Allerdings gelten die Regelungen gemäß § 7 Abs. 5 Covid-19-MaßnG bisher nur für das Jahr 2020:

„§ 5 ist nur auf im Jahr 2020 ablaufende Bestellungen von Vereins- oder Stiftungsvorständen und im Jahr 2020 stattfindende Mitgliederversammlungen von Vereinen anzuwenden“.

Amtszeit-Verlängerung:  Endet die reguläre Amtszeit eines Vorstandes beispielsweise erst zum Ende des Kalenderjahres, wird ein amtierender Vorstand kaum begründen können, seine Amtszeit ohne Wahl um mehr verlängern zu können, als nur bis zu einer alsbald anzuberaumenden Wahlversammlung im Jahr 2021 – selbst wenn heute noch nicht absehbar sein mag, wann und in welchem Umfang Einschränkungen aus Gründen der Pandemiebekämpfung bis dahin tatsächlich entfallen sind.

II. Handlungsoptionen für Wahlen und Versammlungen

Der Gesetzgeber hat Vereinen in den Regelungen des §5 Covid-19-MaßnG im Pandemiejahr 2020 mindestens 4 Optionen eröffnet:

  • Option 1: Automatische Verlängerung der Amtszeit
    § 5 Abs. 1 Covid-19-MaßnG bewirkt, dass Vorstandsmitglieder auch nach Ablauf ihrer Amtszeit zunächst (maximal bis Ende 2021) im Amt bleiben, d.h. eine Wieder- oder Neubestellung nicht zwingend erforderlich ist, um die Handlungsfähigkeit des Vereins aufrecht zu erhalten.
    Praxistipp für Vereine:  Das hilft insbesondere bei solchen Satzungen, bei denen eine Formulierung wie „…bleiben bis zu einer Neuwahl im Amt“ fehlen und daher eigentlich beim Amtsgericht die Bestellung eines Notvorstandes zu beantragen wäre, wenn absehbar keine Wahlen stattfinden (können).
  • Option 2: Beschlussfassung aufgrund virtueller Versammlung
    Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Covid-19-MaßnG steht durch Modifikation von § 32 Abs. 1 BGB nunmehr fest, dass eine virtuelle Versammlung der Präsenzversammlung gleichgestellt ist und folglich in ihr wirksame Beschlüsse gefasst werden können. Die virtuelle Versammlung bedarf hiernach weder einer Satzungsgrundlage, noch der Zustimmung sämtlicher Mitglieder.
    Praxistipp für Vereine:  Allerdings müssen auch bei einer „virtuellen“ Mitgliederversammlungen alle sonstigen Mitgliedsrechte gewahrt bleiben, wie sie nach Satzung und (Vereins-) Recht vorgeschrieben sind, da der Gesetzgeber hierzu keine Erleichterungen vorgesehen hat. Insbesondere fehlen für Vereine leider Regelungen, wie sie der Gesetzgeber für Aktiengesellschaften vorgesehen hat, die dort etwa das Risiko der Anfechtbarkeit von Beschlüssen bei technischen Störungen reduzieren sollen. Eine Bezugnahme auf Regelungen im Aktienrecht für Fragen der Rechtswirksamkeit von Beschlüssen im Vereinsrecht wird von der Rechtsprechung regelmäßig abgelehnt (vgl. Nessler, „Regelverstoß und Unwirksamkeit der Beschlüsse“, www.rkpn.de).
  • Option 3: „Gemischte“ Beschlussfassung
    Zusätzlich wird es durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 Covid-19-MaßnG möglich, dass einzelne Mitglieder ihre Stimmen im Vorfeld einer (virtuellen oder physischen) Versammlung schriftlich abgeben.
    Praxistipp für Vereine:  Da durch das Gesetz Schriftlichkeit angeordnet wird, würde eine klassische Briefwahl, nicht aber lediglich eine textförmige Stimmabgabe (etwa wie Online-Abstimmungstools oder E-Mail) diesem Erfordernis genügen.
  • Option 4: Beschlussfassung ohne Versammlung im Umlaufverfahren
    Schließlich erleichtert es § 5 Abs. 3 Covid-19-MaßnG durch die Modifikation der Anforderungen des § 32 Abs. 2 BGB Beschlüsse ohne jede Form der Versammlung im Umlaufverfahren zu fassen.
    Praxistipp für Vereine:  Eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren ist hiernach wirksam, wenn:
    (i) alle Mitglieder beteiligt werden und
    (ii) bis zum Ende der gesetzten Entscheidungsfrist mindestens die Hälfte von ihnen etwa in Textform (E-Mail, SMS, WhatsApp usw.) an der Abstimmung teilgenommen hat.

 

III. Herausforderungen in der praktischen Umsetzung

So schlank der Gesetzgeber – im Vergleich zu den Regelungen für Aktiengesellschaften – die Erleichterungen für Vereine gesetzlich auch gefasst hat, so komplex erweisen sich gerade deswegen die daraus ergebenden Rechtsfragen beim Versuch einer praktischen Umsetzung.

Zu Option 1:  Verlängerung der Amtszeit

Grundsatz Präsenz-MV:  Endet im Laufe des Jahr 2020 die reguläre Amtszeit eines Wahlamtes oder sieht die Satzung „mindestens“ jährliche Mitgliederversammlungen vor und kennt keine anderen Mechanismen, hat grundsätzlich eine Versammlung zur Information der Mitglieder oder Abhaltung von Wahlen stattzufinden.

Ausnahmen:  Die Abhaltung einer Mitgliederversammlung ist nur dann nicht erforderlich, wenn:

(a) Präsenz-MV unzulässig bzw. zu aufwändig:  eine Präsenzversammlung wegen der COVID-19-Pandemie unzulässig bzw. unter Berücksichtigung der Mitgliederstruktur mit zu hohen Risiken bzw. unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre – wenn etwa ein erheblicher Teil der Versammlungsteilnehmer zur Risikogruppe zählt oder die Anmietung großer Räumlichkeiten zur Einhaltung der Hygienevorschriften die Vereinskasse (zu) sehr belasten würde,

(b) „Virtuelle“ MV zu aufwändig:  die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung unter Berücksichtigung der Mitgliederstruktur mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist – etwa weil elektronische Kommunikation in dem Verein bislang nicht üblich ist, E-Mail-Kontaktdaten vieler Mitglieder nicht vorliegen, das Vorhandensein der notwendigen technischen Ausstattung nicht angenommen werden kann usw.,

(c) keine unaufschiebbaren Entscheidungen anstehen, die nicht durch die übrigen Gremien oder durch die Mitglieder im Umlaufverfahren getroffen werden können,

(d) Pandemie irrelevant:  die Amtszeit aller Vorstandsmitglieder unabhängig von § 5 Abs. 1 Covid-19-MaßnG oder einer vergleichbaren Satzungsbestimmung bis zur nächsten Mitgliederversammlung fortbesteht bzw. im Umlaufverfahren verlängert wird und

(e) alternative Information:  der amtierende Vorstand anderweitig für die hinreichende Information der Mitglieder sorgt.

Praxistipp für Vereine:  Soweit in einem Verein im Jahr 2020 keine grundlegenden Entscheidungen zu treffen sind, die eine Mitgliederversammlung erfordern, die Amtszeit des Vorstandes noch nicht abgelaufen ist bzw. seine Mitglieder (mindestens mehrheitlich) bereit sind, das Amt noch bis zu einer Mitgliederversammlung in 2021 auszuüben usw., ist es zwar erforderlich, dass der amtierende Vorstand hierüber eine Entscheidung trifft, ein Zwang zur Abhaltung einer (virtuellen) Mitgliederversammlung ergibt sich daraus jedoch nicht.

Aufwand:  Dieses gilt insbesondere, weil die Durchführung einer „virtuellen Mitgliederversammlung“, die den förmlichen Anforderungen des Rechts genügt – jedenfalls bei einer (selbst nur potentiell) größeren Teilnehmerzahl – im Moment noch mit einem (technisch und kostenmäßig) unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist.

Zu Option 2: Virtuelle Versammlung

Ansatz im BGB:  Derzeit sieht das Vereinsrecht im BGB vor, dass Mitgliederversammlungen nur als Präsenzversammlungen möglich sind. Nur in der (ordnungsgemäß eingeladenen) Versammlung können die Vereinsmitglieder ihre Mitgliederrechte ausüben. Wer nicht persönlich erscheint, kann bislang nicht abstimmen. Er kann sich auch nicht vertreten lassen.

Ansatz im Covid-19-MaßnG:  Den Ansatz des BGB hat der Gesetzgeber durch das Covid-19-MaßnG gelockert und lässt als Ausnahme (!), soweit eine satzungsgemäße Versammlung nicht möglich erscheint, nunmehr auch virtuelle Versammlungen zu.

Unveränderte übrige Mitgliederrechte:  Leider hat es der Gesetzgeber versäumt, weitere Lockerungen hinsichtlich der übrigen Mitgliederrechte zu bestimmen: Neben dem Wahl- und Stimmrecht, das in vielen Vereinen nur den Vollmitgliedern und nicht den Fördermitgliedern zusteht, hat jedoch jedes Mitglied eines Vereines bei Versammlungen seiner Mitglieder ein Teilnahmerecht, Rederecht, Antragsrecht einschließlich Vorschlagsrecht, Auskunftsrecht, Widerspruchsrecht gegen Versammlungsbeschlüsse und ein nachwirkendes Recht der gerichtlichen Anfechtung (vgl. Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl. 2018, Rn. 2-1374).

Technische Hürden für virtuelle MV:  Hieraus ergeben sich eine Reihe von rechtlichen und technischen Problemen, deren Lösung die Durchführung von rechtskonformen und somit nicht anfechtbaren „virtuellen“ Mitgliederversammlungen schwierig und bei (potentiell) größeren Teilnehmerzahlen für Vereine und Verbände in der Praxis (noch) nahezu unmöglich machen:

  • Zugangsdaten:
    Neben der normalen Einladung müssen rechtzeitig vor der Durchführung einer „förmlichen“ virtuellen Versammlung die erforderlichen Zugangsdaten, wie z.B. ein Link oder Einwahldaten zusammen mit allen notwendigen Zugangsdaten, wie z.B. Passwort oder Code, allen Mitgliedern (aber eben auch nur diesen) zur Verfügung gestellt werden.
  • Keine Unterbrechungen:
    Der Verein hat zudem sicherzustellen, dass die Versammlung frei von Bild- und/oder Tonunterbrechungen abläuft und der Empfang während der gesamten Versammlung uneingeschränkt möglich ist.
  • Satzungsgemäße Abstimmung:
    Gleichzeitig müssen die Abstimmungsmodalitäten, so wie sie in der Satzung und Wahl- und Versammlungsordnung festgelegt sind, gewahrt bleiben. Ggfs. muss der Verein eine „Abstimmungssoftware“ oder ein entsprechendes Online-Tool für geheime Abstimmungen und Live-Online-Voting anbieten, damit dieses Recht während der Versammlung überhaupt ausgeübt werden kann. Es muss jedoch zugleich ausgeschlossen werden, dass etwa nicht stimmberechtigte Fördermitglieder oder Gäste diese Abstimmungsfunktion nutzen können. Ob und inwieweit Angebote wie etwa die der Firma „Polyas“ tatsächlich „nachweislich die geltenden Wahlgrundsätze“ einhalten können (so jedenfalls der werbliche Anspruch „Mit POLYAS alle Wahlgrundsätze einhalten„) ist schon aus grundsätzlichen Überlegungen – jedenfalls für geheime Wahlen oder Abstimmungen – fraglich (vgl. Tillmann, „Wenn geheime Wahl, dann mit Stift und Zettel“, vorwärts v. 10.4.2017 oder Marky/Kolosovs, „Wählen per Mausklick“, Heise Magazin, c’t 1/2018, S. 172).

Risiko: Kann der Verein die technischen Voraussetzungen nicht gewährleisten, besteht ein nicht unerhebliches Risiko, dass eine virtuelle Versammlung für einzelne Mitglieder eine „besondere Erschwernis“ in der Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte darstellen könnte, was die gefassten Beschlüsse und Wahlergebnisse mindestens anfechtbar, wenn nicht sogar direkt nichtig machen würde.

Unzulässiger internationaler Datentransfer: Das Risiko dafür ist in Folge des Urteils des EuGH in der Rechtssache „Schrems II“ (EuGH, Urt. v. 16.7.2020 – C-311/18, CR 2020, 529) leider noch gestiegen, da fast alle gängigen, allgemein verfügbaren und leistungsfähigen Videokonferenzprogramme – wie etwa ZOOM, Webex oder MS Teams – mehr oder weniger Daten in die USA übermitteln, was nach Ansicht der Datenschutzaufsichtsbehörden in Folge der Feststellung der Rechtswidrigkeit des sog. „Privacy Shields“ durch den EuGH mit sofortiger Wirkung als Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO anzusehen sei (siehe EDPB, „FAQ on Schrems II“, 23 July 2020  oder LfDI BW, „Orientierungshilfe: Was jetzt in Sachen internationaler Datentransfer?“ v. 25.8.2020 

Ausführlich zu Schrems II in CR 8/2020:

wissenschaftliche Perspektive:
Dr. Jonas Botta, “Zwischen Rechtsvereinheitlichung und Verantwortungsdiffusion: Die Prüfung grenzüberschreitender Datenübermittlungen nach ‘Schrems II’”CR 2020, 505 ff.;

anwaltliche Perspektive:
Paul Voigt, “Praxisprobleme im Zusammenhang mit den EU-Standardvertragsklauseln zur Auftragsverarbeitung – mehr als „nur“ Schrems II …”, CR 2020, 513 ff.;

Unternehmensperspektive:
Dr. Mathias Lejeune, “Datentransfer personenbezogener Daten in die USA vor dem Aus?!”, CR 2020, 522 ff.

Unzumutbarkeit für Mitglieder:  Ohne eindeutige Regelungen in Satzung und Wahlordnung, allein unter Berufung auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 Covid-19-MaßnG kann sich damit jedes Mitglied darauf berufen, dass es ihm nicht zumutbar gewesen wäre, zur Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte und Teilnahme an einer (leider eben nicht näher satzungsmäßig geregelten) virtuellen Mitgliederversammlung gezwungen zu sein und sich dafür eines solchen Dienstes bedienen zu müssen. Gerade im beruflichen Kontext kann sich dieses schon daraus ergeben, wenn der Arbeitgeber die Nutzung der auf dem Markt verfügbaren Videokonferenzsystem verbietet (so etwa Justizministerium NRW:  ArbG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.2020 – 9 Ca 3273/20).

Alternativlos?  Andere, datenschutzkonforme technische Lösungen, die die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung zumindest theoretisch ermöglichen könnten (vgl. dazu Anforderungen der Datenschutzaufsichtsbehörden zB. LfD Niedersachsen, „Fragen und Antworten zu Videokonferenzsystemen (August 2020)“), haben sich dagegen in der Praxis leider bislang als untauglich erwiesen oder sie erfordern einen erheblichen (finanziellen) Aufwand. Insbesondere Programme wie „Jitsi Meet“ oder andere Applikationen, die (DSGVO-konform) auf einem eigenen Server gehostet werden, sind im Betrieb nicht nur deutlich instabiler, sondern erfordern auch eine entsprechende eigene technische Infrastruktur, über die Vereine in der Regel nicht verfügen und die als Dienstleistung im Moment auch noch schlicht zu teuer sein dürften.

Ohne Voting Tools?  Keines der üblichen Videokonferenzsysteme bieten zudem die Möglichkeit für eine rechtssichere (geheime) Abstimmung oder Wahl, so dass hierzu eine weitere Softwarelösung „einzukaufen“ wäre – was jedoch angesichts der Seltenheit der tatsächlichen Nachfrage nach dieser Form der Abstimmung oftmals schon von der Kostenseite her als unverhältnismäßig erscheint, allerdings notwendig, um wenigstens theoretisch eine „virtuelle“ Versammlung überhaupt regelkonform durchführen zu können.

Zu Option 3: „Gemischte“ Beschlussfassung

Voting im Vorfeld:  Einen möglichen Ausweg hinsichtlich des Problems der (geheimen) Wahl oder Beschlussfassung bietet hier § 5Abs. 2 Nr. 2 Covid-19-MaßnG. Danach ist es möglich, dass einzelne Mitglieder ihre Stimmen im Vorfeld einer (virtuellen oder physischen) Versammlung schriftlich abgeben.

Schriftform:  Gemeint ist mit „schriftlich“ allerdings hier tatsächlich der geschriebene und mit eigenhändiger Unterschrift versehene Brief, der im Falle offener Abstimmung oder Wahl ggfs. zwar telekommunikativ (als Scan oder Fax), im Falle geheimer Abstimmung oder Wahl in Form der üblichen „Briefwahl“ allerdings auch nur per Post erfolgen kann.

Doppelungsrisiko virtueller MV & Abstimmung:  Zur Vermeidung des Risikos einer möglicherweise unnötigen „Doppelung“ von (virtuellen) Versammlungen und schriftlichen Abstimmungen, etwa im Falle spontaner Kandidaturen oder Änderungen eines Antragstextes, die in einer Versammlung immer möglich ist, erscheint – jedenfalls bei größeren (potentiellen) Teilnehmerzahlen – dann aber die letzte Option vorzugswürdig:

Option 4: Beschlussfassung ohne förmliche Versammlung im Umlaufverfahren

Formfreiheit für Entscheidungen:  Durch § 5 Abs. 3 Covid-19-MaßnG wird es möglich, Wahlen und Beschlüsse ohne jede Form der Versammlung im Umlaufverfahren zu fassen. Eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren ist hiernach wirksam, wenn:

(a) alle Mitglieder beteiligt werden und

(b) bis zum Ende der gesetzten Entscheidungsfrist mindestens die Hälfte von ihnen in Textform (E-Mail, SMS, WhatsApp usw.) an der Abstimmung teilgenommen hat.

Chance:  Somit wird die Möglichkeit eröffnet, die Mitglieder etwa im Rahmen von „freiwilligen“ und nicht verbindlich im Sinne einer förmlichen Mitgliederversammlung durchzuführenden Videokonferenz hinsichtlich Themen und Kandidaten für Ämter zu beteiligen, zugleich parallel alle Mitglieder auch schriftlich zu informieren und dann zum Ende einer angemessenen Entscheidungsfrist zur Teilnahme an der Abstimmung aufzurufen. Nimmt daran mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder teil, wäre das Ergebnis förmlich festzustellen und damit rechts- und satzungskonform, ohne dass es auf die Probleme der „Ordnungsmäßigkeit“ der diese Abstimmung lediglich vorbereitenden Videokonferenz, der dort eingesetzten Dienste und der Durchführung ankäme.

Jan Mönikes ist als Rechtsanwalt und Partner von SCHALAST in Berlin auf Vereins-, Datenschutz- und Medienrecht spezialisiert. Er ist Lehrbeauftragter der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus und der Quadriga Hochschule in Berlin und neben einer Reihe von Ehrenämtern auch als Justitiar u.a. des Bundesverbands der Kommunikatoren (BdKOM), des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM) und weiterer Vereine tätig.

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