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Beschäftigte in Behörden und Betrieben kritischer Infrastruktur haben Anspruch auf Arbeitgeberbescheinigungen für Covid19-Schutzimpfungen mit „erhöhter Priorität“

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Rechtsanwalt

Das Bundesministerium für Gesundheit hat in der „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV)“ in der Fassung vom 31. März 2021 bundesweit verbindliche Vorgaben für die Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 erlassen. Danach hat aufgrund § 1 Abs. 1 CoronaImpfV  jede*r mit Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland „im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe Anspruch auf Schutzimpfung“.

Gem. § 1 Abs. 2 CoronaImpfV wird lediglich den Leistungserbringern, also allen zur Vornahme der Impfung berechtigten Stellen (letztlich also Ärzten in Impfzentren und eigener Praxis) aufgegeben, „den vorhandenen Impfstoff so zu nutzen, dass die Anspruchsberechtigten in der folgenden Reihenfolge berücksichtigt werden:

  1. Anspruchsberechtigte nach § 2, (höchster Priorität)
  2. Anspruchsberechtigte nach § 3, (hoher Priorität)
  3. Anspruchsberechtigte nach § 4 (erhöhter Priorität) und
  4. alle übrigen Anspruchsberechtigten nach Absatz 1“

Anspruch auf Impfung:  Entsprechend dieser Reihenfolge wird daher (in Abweichung der Priorisierung im Stufenmodell der STIKO, Stand Februar 2021) die Anspruchsberechtigung nach § 2 als „Priorität 1“, die nach § 3 als „Priorität 2“ und die nach § 4 als „Priorität 3“ bezeichnet. Alle, die nicht in eine dieser Prioritätsgruppen fallen, haben somit auch einen Anspruch auf Erhalt der Impfung. Sie sind lediglich in der Vergabe von Impfterminen nicht mit Priorität zu behandeln.

Kritische Infrastrukturen

Zur im § 4 aufgeführten Gruppe „mit erhöhter Priorität“ (Priorität 3) gehören

  • gem. Abs. 1 Ziff. 4 „Personen, […] b) die in besonders relevanter Position in den Verfassungsorganen, in den Regierungen und Verwaltungen, bei der Bundeswehr, bei der Polizei, beim Zoll, bei der Feuerwehr, beim Katastrophenschutz einschließlich des Technischen Hilfswerks, in der Justiz und Rechtspflege tätig sind“ und
  • gem. Ziff. 5 „Personen, die in besonders relevanter Position in weiteren Einrichtungen und Unternehmen der Kritischen Infrastruktur tätig sind, insbesondere im Apothekenwesen, in der Pharmawirtschaft, im Bestattungswesen, in der Ernährungswirtschaft, in der Wasser- und Energieversorgung, in der Abwasserentsorgung und Abfallwirtschaft, im Transport- und Verkehrswesen sowie in der Informationstechnik und im Telekommunikationswesen“.
    (Hervorhebungen hinzugefügt)

Optionen zur Reihenfolge:  Die zu § 4 gehörende Gruppe an Personen wird in einigen Bundesländern bereits (teilweise) zur Impfung in Impfzentren aufgerufen. Innerhalb dieser Gruppe „können“ die Impfberechtigten vom Leistungserbringer „getrennt nach Geburtsjahrgängen, beginnend mit den ältesten Jahrgängen, zeitversetzt zur Schutzimpfung eingeladen werden“ (§ 2 Abs. 2 CoronaImpfV). Impfärzte können davon nach eigener Einschätzung jedoch auch abweichen, denn gem. § 1 Abs. 3 kann „von der Reihenfolge […] abgewichen werden, wenn dies für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen oder eine zeitnahe Verwendung vorhandener Impfstoffe notwendig ist, insbesondere um einen Verwurf von Impfstoffen zu vermeiden.“

Ziel der Priorisierung der Beschäftigten dieser Bereiche ist der Schutz der Funktionsfähigkeit von Verfassungsorganen, Behörden und kritischen Infrastrukturen der deutschen Wirtschaft. Sie werden dabei zumindest mit allen Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, gleichgestellt. Die Formulierung in „besonders relevanter Position“ schränkt den Kreis der Berechtigten unter den Beschäftigten dabei auch nicht etwa dahingehend weiter ein, dass nur bestimmte Personen in Leitungspositionen oder in besonders herausgehobener Funktion oder exponierter Tätigkeit oder Kundenkontakt zur Gruppe der „mit erhöhter Priorität“ zu zählen wäre.

Reine Funktionsrelevanz:  Vielmehr ergibt sich bereits aus der Gesamtschau des §4 CoronaImpfV mit den übrigen Vorschriften und der Auslegung der Vorschrift bezogen auf ihren Schutzzweck, dass alle Mitarbeiter*innen „mit erhöhter Priorität“ geimpft werden sollen, die für die ungestörte und uneingeschränkte Funktionsfähigkeit einer Behörde oder eines Unternehmens der Kritischen Infrastruktur relevant sind. Denn Personen mit besonders hoher persönlicher Expositionsgefahr oder bei denen der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass diese möglichst dringend eine Impfung erhalten sollten und in diesen Bereichen beschäftigt sind, werden bereits mit höherer Priorität in § 2 und § 3 CoronaImpfV ausdrücklich berücksichtigt.

Unternehmen wie die Deutsche Telekom und ihre Wettbewerber oder auch die Deutsche Bahn, wie auch Luftverkehrsunternehmen, gelten seit jeher als eine „Kritische Infrastruktur“ (KRITIS). Die Liste solcher Unternehmen ist jedoch wesentlich länger, wie sich schon aus der Aufzählung, aber auch beispielsweise aus den gesetzlichen Verpflichtungen aus BSI-Gesetz und BSI-Kritisverordnung ergibt (siehe BSI, „Sektoren und Branchen Kritischer Infrastrukturen“).

Impfberechtigte:

Zudem dürften aufgrund der Vorschrift fast alle Mitarbeiter, die in einem dieser Unternehmen aktiv beschäftigt sind, unter die Impfberechtigten „mit erhöhter Priorität“ zu fassen sein.

Das bestätigt sich sowohl aus der vom Verordnungsgeber selbst vorgenommenen Auslegung, als auch von Seiten anderer zuständigen Stellen hinsichtlich anderer KRITIS-Bereiche:

Maßgebliches Kriterium:  Somit kommt es für die Zuordnung zur „Prioritätsgruppe 3“ nach § 4 CoronaImpfV vorrangig auf die Beschäftigung in einem KRITIS-Unternehmen und des Anteils der Personen an der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Unternehmens insgesamt an, nicht jedoch auf ein nachweislich erhöhtes Risiko einer Infektion, die Zugehörigkeit zu einem besonders exponierten Unternehmensbereich oder eine herausgehobene Stellung oder Funktion der Mitarbeiter*innen.

Reichweite:  Gerade in hochkomplexen, arbeitsteiligen Strukturen dürften vielmehr alle Beschäftigten „durch Erledigung von Teilaufgaben, durch einzelne Mitarbeiter, Produkte und Dienstleistungen“ dem „gemeinsamem Ziel des Unternehmenserfolges folgen“ (vgl. Hungenberg, Harald / Wulf, Torsten, Grundlagen der Unternehmensführung. Dritte, 2007, S. 253) und werden daher generell alle Beschäftigten als im Sinne der CoronaImpfV „besonders relevant“ für die Funktionsfähigkeit des Unternehmens anzusehen sein. Insbesondere da unterstellt werden darf, dass von Seiten der Unternehmens- oder Behördenleitung streng darauf geachtet wird, kein „überflüssiges“ Personal zu beschäftigen.

Differenzierung innerhalb einer kritischen Infrastruktur

Soweit man deswegen innerhalb einer Behörde oder eines KRITIS-Unternehmens überhaupt eine Differenzierung für notwendig erachten will, auch wenn sie der Verordnungsgeber nicht verlangt, kann eine Unterscheidung zwischen Mitarbeitenden in „besonders relevanten Positionen“ von denen in „nicht-relevanten Positionen“ sinnvoll somit nur anhand eines „Negativtests“ vorgenommen werden.

Leitfrage:  Zur Ermittlung wäre die Frage zu stellen, welche Personen oder Personengruppe bei einem infektions- oder krankheitsbedingten Ausfall OHNE merkliche negativen Folgen für die Funktionsfähigkeit des Unternehmens bliebe.

Nicht impfberechtigt:  Dabei wird man schon nach kurzer Überlegung zu dem Ergebnis gelangen, dass lediglich Personen, die bereits heute schon in keinem „aktiven“ Beschäftigungsverhältnis stehen, also sich nicht nur aufgrund kurzfristiger Abwesenheit nicht (mehr) mit ihrer Arbeitskraft im Unternehmen einbringen können, NICHT zur Gruppe der prioritär impfberechtigten Personen zählen. Das könnten etwa dauerhaft freigestellte oder etwa wegen Krankheit oder Betreuung nicht arbeitspflichtige Personen sein.

Irrelevante Aspekte:  Auf die Zugehörigkeit etwa zu einer bestimmten Unternehmenssparte innerhalb eines Konzerns, der Zugehörigkeit zum „Außendienst“ oder der Verwaltung, kann es dagegen nicht ankommen. Auch nicht, ob die Personen ganz oder teilweise an einem oder mehreren Arbeitsorten persönlich anwesend sein müssen oder zur Zeit überwiegend in „Homeoffice“ arbeiten dürfen.

Grund:  Denn Ziel der Priorisierung bei der Schutzimpfung des § 4 CoronaImpfV ist die Funktionsfähigkeit von Behörden und der Wirtschaft zur Sicherung kritischer Infrastrukturen. Diese werden auch dann gefährdet, wenn Mitarbeiter:innen beispielsweise im „Homeoffice“ an Covid-19 erkranken und daher mit ihrer Arbeitskraft dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen. Ebenso wenn Sekretariate oder andere Verwaltungsbereiche ganz oder teilweise ausfallen. Denn auch Mitarbeiter mit „Außenkontakt“ können ohne deren Zuarbeit nicht nachhaltig wirken.

Nachweis durch Bescheinigung bzw. Formular

Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit Priorität bei der Impfung genießen, müssen gegenüber den Leistungserbringern eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers über die ausgeübte Tätigkeit vorlegen. Hierzu bieten einige Bundesländer bereits seit längerem entsprechende Formulare an (verfügbar über die Seiten der jeweiligen Bundesländer – erreichbar über Bundesregierung, „Informationen der Bundesländer zur Corona-Impfung“). Deren Nutzung ist zu empfehlen, jedoch nicht verpflichtend, da lediglich die Daten des Arbeitgebers sowie des/r Impfberechtigen und die ausdrückliche Bezugnahme auf die in § 4 Abs. 1 Ziff. 5 CoronaImpfV erforderlich ist. Textlich würde auf dem Briefbogen der Behörde oder eines Unternehmens somit eine formlose Erklärung entsprechend dieses Beispiels ausreichen:

„Impfberechtigung – Bescheinigung zur Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 2 CoronaImpfV vom 11.03.2021

Auf Grundlage der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV) in der jeweils geltenden Fassung haben u. a. Personen nach den §§ 2 bis 4 CoronaImpfV priorisierten Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus-SARS-CoV-2.

Bestätigung eines Unternehmens i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 bis 12 CoronaImpfV:

Hiermit wird bestätigt, dass

[Name, Vorname und Geburtsdatum des Mitarbeitenden]

mit erhöhter Priorität (§ 4 CoronaImpfV) anspruchsberechtigt ist, da die Person in besonders relevanter Position in unserem Unternehmen der Kritischen Infrastruktur im Bereich [z.B. Transport- und Verkehrswesen] beschäftigt ist.

Stempel, Unterschrift [Führungskraft/ Personalabteilung etc.]“

Die Gültigkeit der Bestätigung kann zusätzlich zeitlich befristet [z.B. 3 Monate] oder zur Sicherheit etwa von der Vorlage eines Mitarbeiterausweises gegenüber dem Leistungserbringer abhängig gemacht werden. Von weiteren Angaben auf der Bescheinigung bezüglich des/r Arbeitnehmer*in oder gar seiner konkreten Funktion sollte abgesehen werden, insbesondere da die beim Arbeitgeber verzeichnete Korrespondenzanschrift von der Anschrift abweichen kann, mit der die Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Impfung realisieren können. Dieses gilt insbesondere bei Mitarbeitenden mit verschiedenen Aufenthalts- und Wohnorten. Auch auf die Meldeanschrift kommt es aufgrund des bundesweiten Anspruchs auf Impfung grundsätzlich eigentlich nicht an. In einigen Bundesländern ist ein wohnortnahes Impfzentrum aufzusuchen, während in anderen Bundesländern die Wahl des Impfortes freigestellt ist. Hausärzte, die bereits mit genügend Impfstoff versehen sind oder „Reste“ zu verwerten haben, können ebenfalls durch Vorlage einer solchen Bescheinigung Rechtssicherheit erlangen.

Folge:  Unabhängig von Bemühungen mancher Behörden oder Unternehmen, zukünftig eventuell auch selbst im Rahmen eigener Impfstoffkontingente und über Betriebsärzte Schutzimpfungen zu vergeben, erweist sich eine solche Bescheinigung des Arbeitgebers somit nicht nur als die vom Verordnungsgeber vorgesehene Möglichkeit, sich individuell um eine Schutzimpfung bemühen zu können, als auch für die Beschäftigten, sich geordnet in die Warteschlange der Impfwilligen einzureihen – gerade bei fortschreitender Durchlässigkeit der Priorisierung.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers:  Hinsichtlich der Ausstellung einer solchen Bestätigung trifft den Arbeitgeber daher eine entsprechende Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis. Denn unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht sind alle zusätzliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes während der Pandemie zugunsten des Arbeitnehmers zu ergreifen, die einen Beitrag zur Unterbrechung von Infektionsketten zu leisten vermögen. Da hierzu die Impfung gegen SARS-Cov2 die wirksamste und nachhaltigste der bekannten Maßnahmen darstellt, hat der Arbeitgeber die prioritäre Impfung durch Ausstellen einer entsprechenden Bestätigung zu befördern.

Nachweispflicht des Arbeitgebers:  Will der Arbeitgeber dieses dagegen etwa mit dem Argument fehlender „besonderer Relevanz“ eines Mitarbeiters verweigern, wäre er hinsichtlich der Tatsachen beweisbelastet, die begründen, warum trotz einer aktiven Beschäftigung im Unternehmen der kritischen Infrastruktur die/der Mitarbeiter*in KEINE Relevanz für die Funktionsfähigkeit des Unternehmens besteht.

Resultierende Rechtspflicht:  Insofern ist der Rechtsauffassung des Bundesministeriums zuzustimmen, dass es einer ausdrücklichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ausstellung eigentlich nicht bedarf, auch wenn etwa dem DGB zuzugestehen ist, dass eine solche Verpflichtung zumindest klarstellende Wirkung entfalten würde (siehe DGB, „Corona-Impfung und was Beschäftigte dazu wissen müssen“, 24.3.2021), da insbesondere in Behörden und Unternehmen mit staatlicher Beteiligung aktuell noch eine falsche Zögerlichkeit festzustellen ist, will man doch auf jeden Fall den falschen Eindruck verhindern, dass man sich hier „vordrängeln“ wollen würde. Diese aber ist nicht nur in rechtlicher, sondern auch in sachlicher Hinsicht falsch, da die Funktionsfähigkeit dieser Institutionen und Unternehmen nicht nur im allgemeinen Interesse ist, sondern gerade die Verweigerung des insoweit eindeutigen rechtlichen Anspruchs der betroffenen Mitarbeiter:innen nicht nur zu Frustrationen führen kann, sondern die Suche nach Umgehungsmöglichkeiten des vorgesehenen geordneten Verfahrens der drei Prioritätsstufen gerade erst befördert.

Jan Mönikes ist als Rechtsanwalt und Partner von SCHALAST in Berlin auf Vereins-, Datenschutz- und Medienrecht spezialisiert. Er ist Lehrbeauftragter der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus und der Quadriga Hochschule in Berlin und neben einer Reihe von Ehrenämtern auch als Justitiar u.a. des Bundesverbands der Kommunikatoren (BdKOM), des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM) und weiterer Vereine tätig.

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