Im April 2020 ist der erste klassische Kommentar für das IT-Recht erschienen. Die beiden Herausgeber des Werks, Prof. Dr. Fabian Schuster und Dr. Malte Grützmacher, LL.M., stellen sich hier den Fragen von Claudia Bergmeier, die das Werk im Otto Schmidt Verlag lektoriert hat.
Hintergrund
IT-rechtliche Regelungen finden sich in vielen unterschiedlichen Rechtsquellen. Als Querschnittsmaterie ist es den rasanten technischen Entwicklungen ausgesetzt und seine Interpretation einem ebenso ständigen wie raschen Wandel unterworfen, der mitunter sogar den Begriff des IT-Rechts selbst erfasst.
Interview
Angesichts dieser Herausforderungen ist es beeindruckend, dass Prof. Dr. Fabian Schuster und Dr. Malte Grützmacher den ersten IT-Rechts-Kommentar auf den deutschen Markt gebracht haben. Ich habe mit ihnen über Ihre Beweggründe, die Konzeption und Umsetzung ihrer Idee gesprochen:
Sie haben im letzten Jahr den ersten Kommentar zum IT-Recht auf dem deutschen Markt herausgegeben. Was sind die Vorteile der Form Kommentar für das IT-Recht?
Fabian Schuster: Bisher gab es einen solchen Kommentar für den Bereich des klassischen IT-Rechts noch nicht, auch wenn alle Juristen vom ersten Semester an diese Art der Hilfe gewohnt sind. Aufgrund dieser Ausbildung und gewohnten Arbeitsweise stellt die Form des Kommentars die schnellste Form des Zugangs zur Problemlösung dar.
Das gilt auch dann, wenn der Nutzer einmal die einschlägige Vorschrift nicht kennt, weil er sich dann – ähnlich wie bei einem Handbuch – über das Stichwortverzeichnis führen lassen kann. Zudem ermöglicht die Kommentarform die Zusammenstellung der Probleme nach Maßgabe der einschlägigen Norm und nicht nach einer anderen, subjektiven Systematik oder Gliederung.
Malte Grützmacher: Der auf das IT-Recht konzentrierte Kommentar hat gegenüber einem normalen Kommentar z.B. des BGB, Kartellrechts oder sogar Urheberrechts den Vorteil, dass er sich auf die für das IT-Recht relevanten Fragen konzentrieren kann. So muss sich der Leser nicht erst durch Ausführungen zum Arbeitsrecht oder Wohnungsmietrecht „quälen“, wenn er sich mit Fragen rund um das IT-Vertragsrecht in diesen Bereichen beschäftigt.
Was versteht der „IT-Recht Kommentar“ unter IT-Recht?
Malte Grützmacher: Der Kommentar betrachtet die Materie von den Grundlagen der IT und nicht vom Content aus.
Fabian Schuster: Er geht von einem technologieorientierten Ansatz aus, nämlich von einer Konzentration auf das durch die Nutzung von Hardware, Software und Daten geprägte IT-Recht, also dem klassischen EDV-/Computerrecht.
Malte Grützmacher: Er greift dabei aber auch neue Themen wie den Bereich KI (etwa Fragen rund um den Schutz neuronaler Netze) und Rechte an Daten sowie auch regulatorische Aspekte (z.B. das Bankaufsichtsrecht) auf.
Vor welche besonderen Herausforderungen hat Sie die Konzipierung vom „IT-Recht Kommentar“ gestellt?
Fabian Schuster: Die Konzeption eines Querschnittskommentars beginnt immer mit der grundlegenden Problematik, die Gesetze und die innerhalb eines Gesetzes zu kommentierenden Normen festzulegen. Hinsichtlich der klassischen Vertragstypen im BGB liegt das bei vielen Paragrafen auf der Hand, aber selbst dort spielen zahlreiche Normen keine Rolle im klassischen IT-Recht.
Malte Grützmacher: Insofern kam es darauf an, den richtigen Schnitt zu ziehen. Welche Normen spielen in der Praxis des IT-Rechts eine Rolle? Welche nicht? Was ist allgemeines Gedankengut im Rahmen der Paragrafen? Was davon ist gleichwohl nicht relevant? Und welche Fragen werden in allgemeinen Kommentaren nicht kommentiert, obwohl sie gerade im IT-Recht eine große Rolle spielen? – Geholfen hat insofern, dass die Kommentierung von durchweg erfahrenen Praktikern bzw. langjährig im IT-Recht tätigen Wissenschaftlern verfasst wurde.
Fabian Schuster: Zudem war die Zuordnung der IT-rechtlichen Probleme zu den Normen festzulegen und die Sammlung und Kommentierung der Probleme möglichst umfassend bei den relevanten Normen sicherzustellen. So ist es z.B. beim Software as a Service noch relativ einfach, dieses dem Mietrecht zuzuweisen. Aber wo kommentiert man den Pflegevertrag oder die agile Softwareentwicklung? Im Dienst- oder im Werkvertragsrecht? Wichtig war sodann auch die Vernetzung.
Die für Ihren „IT-Recht Kommentar“ ausgewählten Normen sind auch anderswo kommentiert. Warum sind sie im „IT-Recht Kommentar“ drin und was ist das Besondere ihrer Kommentierung?
Malte Grützmacher: Der Kommentar konzentriert sich auf IT-rechtliche Sachverhalte und Rechtsfragen und vertieft diese aus unserer Sicht wie kein anderer zuvor.
Fabian Schuster: Wie etwa auch bei einem Querschnittskommentar zum Arbeitsrecht bilden die ausgewählten Normen den Bereich ab, den der Praktiker im klassischen IT-Recht auf dem Schreibtisch bearbeiten muss. Normen, die keine Rolle spielen, sind weggelassen, während hier einschlägige Paragrafen sich anders als ein normaler Kommentar auf die besonderen Probleme des IT-Rechtsgebietes konzentrieren. Würde also ein baurechtlicher Kommentar bei der Mitwirkung beispielsweise die Pflichten des Kunden bei Bauwerken erörtern, kommentiert unser Kommentar solche Pflichten im Zusammenhang mit IT-Projekten.
Im „IT-Recht Kommentar“ sind auch unionsrechtliche Vorgaben und sogar die wichtigsten Open Source Lizenzen kommentiert. Was war Ihr Leitmotiv zur Auswahl der kommentierten Normenbereiche?
Fabian Schuster: Beide Bereiche haben in den letzten Jahren ganz erheblich an Bedeutung gewonnen; insoweit waren sie sehr schnell wesentlicher Bestandteil der Planung.
Malte Grützmacher: Das Datenschutzrecht kann heute auch im IT-vertragsrechtlichen Kontext kein Praktiker mehr ignorieren. Es ist auch dort Teil des IT-rechtlichen kleinen Einmaleins. Die wichtigsten Normen waren ein Must-have. Das ist jedem IT-Rechtler bewusst. Das Kartellrecht anderseits wird in der Praxis oft übersehen; hier ist die Zielsetzung, dem IT-Rechtler das nötige Werkzeug überhaupt erst einmal näher zu bringen, aber auch ganz spezifische Fragestellungen zu beleuchten, die in den normalen Kartellrechtskommentaren oft zu kurz kommen. Das Kartellrecht ist wichtiges Regulativ in einem zunehmend konzentrierten IT-Markt, auch wenn es aufgrund der großen Dynamik des IT-Rechts immer wieder an seine Grenzen stößt. Auch diese galt es aufzuzeigen.
Was die Open Source-Lizenzen anbelangt, wurden zunächst die gängigsten Lizenzen kommentiert. Sie sind heute in der IT-rechtlichen Beratungspraxis nicht mehr wegzudenken, egal ob im IT-Projekt oder in der M&A-Transaktion. Hier wird es künftigen Auflagen vorbehalten bleiben, noch weitere Lizenzen in den Fokus zu nehmen.
Welche anderen Bereiche des IT-Rechts fängt Ihr „IT-Recht Kommentar“ ein?
Fabian Schuster: Neben den für Computerprogramme wichtigen Vorschriften des Urheberrechts haben wir etwa Kommentierungen der IT-rechtlichen Probleme innerhalb bestimmter Normen des Außenhandelsrechts, des KWG/WpHG – die z.B. für das Outsourcing bei Banken und Versicherungen eine große Rolle spielen –, des ProdHaftG/ProdSG, des PatG und des StGB.
Malte Grützmacher: Gerade das Produkthaftungs- und Produktsicherheitsrecht ist im Zeitalter der Industrie 4.0, autonomer Systeme und des IoT aus dem IT-Recht nicht mehr wegzudenken. Gleiches gilt für das Patentrecht.
Unter welchen Gesichtspunkten haben Sie das Autorenteam zusammengestellt?
Malte Grützmacher: Wir haben viel Zeit und Sorgfalt darauf verwendet, ein Autorenteam zu finden, das zum einen genügend Praxiserfahrung besitzt und das zum anderen auf einem wissenschaftlichen Niveau arbeitet, wie es eine hochwertige Kommentierung erfordert. Wir sind sehr froh, nicht nur namhafte, durch zahlreiche Veröffentlichungen ausgewiesene, sondern insbesondere auch mit langer, einschlägiger Berufserfahrung im IT-Bereich ausgestattete Autoren für den Kommentar gewonnen zu haben.
Wie kommt der Nutzer vom Lebenssachverhalt eines IT-Projekts zur richtigen Norm? Beispiel: Mitwirkungspflichten beim agilen Programmieren – Woher weiß der Nutzer, wo er suchen muss?
Fabian Schuster: Wenn der Nutzer die einschlägige Norm kennt, wird er wie bei anderen Kommentaren auch den entsprechenden Paragrafen aufsuchen, beim Thema Mitwirkung etwa § 642 BGB. Dort findet er dann in vielen Fällen das Stichwort zu seinem Problem (zur Mitwirkung bei agilen Projekten etwa bei § 642 Rz. 4). Alternativ wird er in der Regel über das Stichwortverzeichnis fündig werden. Ist das Problem einmal nicht kommentiert, bietet das Werk häufig Ausführungen zu ähnlich gelagerten Fällen, die man dann mit einer Transferleistung auf das eigene Problem anwenden kann.
Für wen ist der „IT-Recht Kommentar“ nützlich?
Malte Grützmacher: Der Kommentar versteht sich als Ergänzung, aber auch Alternative zu den verfügbaren Handbüchern. Letztere erlauben es mit dem IT-Recht nicht so vertrauten Beratern oder auch Studenten, sich das Gebiet zu erschließen. Der Kommentar hingegen ermöglicht eine tiefgehende normbezogene Diskussion (samt Darstellung des Meinungsstands) sowie einen schnelleren Zugang. Gerade im Streitfall oder bei schwierigen Fragestellungen ist diese Aufbereitung der Materie auch für den erfahrenen Praktiker mehr als hilfreich.
Aber im Grundsatz gilt hoffentlich, was Prof. Peter Bräutigam kürzlich in seiner Rezension in der NJW geschrieben hat: „Der IT-Recht-Kommentar wird schon bald auf dem Schreibtisch eines jeden IT-Rechtlers stehen“.
Der „IT-Recht Kommentar“ ist im Beratermodul IT-Recht und mit Werken wie Schneider, EDV-Recht, Härting, Internetrecht sowie Redeker, Handbuch der IT-Verträge in der Datenbank Redeker online des Verlags Dr. Otto Schmidt enthalten. Welchen Mehrwert bietet das Werk online?
Fabian Schuster: Viele der Praktiker arbeiten mittlerweile mehr oder sogar lieber mit Datenbanken, insoweit ist eine solche Online-Verfügbarkeit natürlich zwingend. Auch suchen viele Nutzer lieber elektronisch, als dass sie im analogen Werk blättern. Online bietet den zusätzlichen Vorteil, dass man Begriffe finden kann, die gegebenenfalls nicht im Stichwortverzeichnis enthalten sind.
Lieber Herr Professor Schuster, lieber Herr Doktor Grützmacher, haben Sie herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Interview.