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Vorschlag für einen Digital Markets Act – Private Enforcement

avatar  Dr. Sebastian Louven
Rechtsanwalt

Der letztes Jahr veröffentlichte Vorschlag für einen Digital Markets Act enthält Regelungen für einen europäischen Ansatz zur Marktregulierung digitaler Plattformen. Dazu gehört zunächst die Identifikation als relevanter Gatekeeper – in Artt. 5 und 6 DMA-E werden bestimmte Praktiken verboten. Die Verbote und weitere Vorschriften der Verordnung sollen unmittelbar behördlich durchgesetzt werden können. Dazu gehören auch Bußgeldregelungen.

Der Verordnungsentwurf enthält also bereits umfangreiche Regelungen für ein Public Enforcement. Nicht erfasst sind jedoch eigenständige Regelungen für eine private Rechtsdurchsetzung (Private Enforcement). Die Diskussion lässt sich hier auf zwei wesentliche Fragen zuspitzen:

  1. Wie kann private Rechtsdurchsetzung nach dem derzeitigen Verordnungsentwurf des DMA-E erfolgen?
  2. Welche weiteren Regelungen sollten ergänzt werden für eine effektive private Rechtsdurchsetzung?

Private Enforcement nach dem derzeitigen DMA-Vorschlag

Die fehlenden unmittelbaren Regelungen für eine private Rechtsdurchsetzung bedeuten nicht, dass diese vollständig entfällt. Jedenfalls die Verbotsvorschriften der Artt. 5 und 6 DMA-E könnten über die Hebel des allgemeinen Deliktsrechts und des Lauterkeitsrechts angewendet werden. So könnten sie als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG interpretiert werden. Das würde dem Institutsschutzcharakter der DMA-Verbote entsprechen. Sie dienen grundsätzlich auch dem Zweck, erfassten Gatekeepern besondere wettbewerbsbezogene zusätzliche Pflichten aufzuerlegen. Verstöße könnten damit Gegenstand von Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG sein. Anders wäre dies bei den sonstigen verfahrensbezogenen Pflichten, die keinen derartigen Wettbewerbsbezug haben.

Gleichzeitig sind die in Artt. 5 und 6 DMA-E vorgeschlagenen Verbote sehr granular ausgestaltet. Sie enthalten sehr spezifische Schutzaufträge und es lassen sich vereinzelt konkrete Individualschutzzwecke entnehmen. So kann sich etwa aus Art. 5 lit. a) DMA-E ein Individualschutz bezüglich einzelner Nutzer vor einer unfreiwilligen plattformübergreifenden Zusammenführung seiner personenbezogenen Daten ergeben. Hier können sich zwar die datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte der DSGVO anbieten. Das hätte dann aber nichts mehr mit der Frage der privaten Rechtsdurchsetzung des DMA-E zu tun. Als anderes Beispiel sollen gewerbliche Nutzer gemäß Art. 5 lit. b) DMA-E darin geschützt werden, auch unabhängig von dem Gatekeeper ihre Produkte und Leistungen anzubieten. Diese beiden Verbotsvorschriften können also als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden. Entsprechend würde eine deliktsrechtliche Durchsetzung naheliegen.

Grundsätzlich könnte noch eine mittelbare Durchsetzung im Wege der kartellrechtlichen Anspruchsgrundlage des § 33 Abs. 1 GWB diskutiert werden. Zwar handelt es sich bei den Verboten des DMA-E nicht um dort direkt erfasste Vorschriften und auch behördliche Durchsetzungen könnten wohl nicht berücksichtigt werden. Allerdings liegen bei Verstößen gegen die Vorschriften häufig gleichzeitig Verstöße gegen kartellrechtliche Vorschriften nahe oder könnten jeweils geprüft werden. Es kann dann also Fälle kongruenter Rechtsdurchsetzung geben. Dagegen stellt Art. 1 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 DMA-E auch klar, dass diese Verordnung anderen Zwecken dient als das Kartellrecht: Letzteres dient dem Schutz des Instituts Wettbewerb als solchem, der DMA dagegen der Gewährleistung bestreitbarer und fairer digitaler Märkte. Mit anderen Worten: Außer gleichen Wirkungen der jeweils kongruenten Rechtsdurchsetzung ist eine Anwendung des DMA im Kartellrecht sogar gesperrt.

Ergänzungsvorschläge für effektives Private Enforcement

Denkbar wäre es, dass der EuGH irgendwann seine Courage-Grundsätze wiederholt und auch für diese Verordnung ähnliche Aussagen trifft, nämlich dass es ihrem Zweck widersprechen würde, könnte nicht jede betroffene Person effektiv Abhilfe- oder Entschädigungsansprüche durchsetzen. Dann würden gleichzeitig erneut zahlreiche Fragen diskutiert, die bereits aus dem Kartellrecht bekannt scheinen. Denkbar wäre deshalb grundsätzlich eine entsprechende Anwendung der Kartellschadensersatzrichtlinie, wie sie auch Peter Picht im Verfassungsblog diskutiert. Allein der Bedeutung des DMA-E würde ein eigenständiges Regelwerk sicher mehr entsprechen. Zusätzlich bestehen bei Gatekeeper-Sachverhalten einige Besonderheiten. So steht häufig weniger die Sanktionierung von erlittenen Schäden im Vordergrund als vielmehr eine rechtzeitige angemessene Teilhabe am Wettbewerbsgeschehen. Diese ist es auch, die der DMA-E als Grundlage der Bestreitbarkeit bezweckt.

Entsprechend sollte eine deutlich höhere Gewichtung bei der privaten Rechtsdurchsetzung darauf liegen, andere Wirtschaftssubjekte als Bestreitende zu schützen. Das lässt sich vor allem auch durch eine deutliche Ausgestaltung von Zugangsansprüchen erreichen. Teilnehmende können bestreiten, wenn sie fairen Zugang zu den Märkten haben. Werden Märkte durch Gatekeeper verkörpert, schließt der faire Zugang einen Kontrahierungszwang ein. Im allgemeinen Kartellrecht lässt sich ein Zugang nur mittelbar im Wege von Unterlassungsansprüchen gegenüber missbräuchlichen Geschäftsverweigerungen durchsetzen. Damit einher gehen Unsicherheiten und prozessuale Risiken. Im DMA-E könnte der Zugang als positiver Leistungsanspruch geregelt werden, dem im Zweifel vorläufig zu entsprechen wäre, sofern nicht sachliche Gründe durch den Gatekeeper vorgebracht werden.

Die Fairness könnte durch eine aktivere Kontrolle der Bedingungen sichergestellt werden. Denkbar wären verbandsmäßige Durchsetzungsbefugnisse bei Verhaltensweisen mit Streuschäden. Für gewerbliche Nutzer könnte es Klarstellungen geben, die auf eine Konditionenkontrolle im Rahmen des Zugangs zu den Gatekeeper-Leistungen hinausläuft. So könnten sich die Verbote der Artt. 5 und 6 DMA-E als Regelbeispiele im Rahmen eines Zugangsanspruchs anwenden lassen – der Zugang wäre also so zu gewähren, dass er den Verboten entspricht.

Anders herum könnte ein Gatekeeper von Private Enforcement verschont bleiben, soweit er sich selbst Bedingungen für mehr Bestreitbarkeit und Fairness gibt und daran bindet. Mit einer Safe-Harbour-Regelung könnten die Belastungen für die unternehmerische Selbstgestaltung aufgefangen werden, die mit der Ex-ante-Regulierung durch den DMA-E einher geht. Gleichzeitig enthalten die derzeitigen Vorschriften des DMA-E bereits Regelungen, nach denen Gatekeeper einer Regulierung entgehen können, die allerdings an der Adressatenstellung oder den Verbotspflichten anknüpfen. Diese könnten um Regelungen zu Verpflichtungsmaßnahmen zugunsten Bestreitbarkeit und Fairness erweitert werden, die dann von der Kommission für verbindlich erklärt werden, sofern sie den Zwecken des DMA-E entsprechen. Dies könnte auch im Wege eines europaweiten Zertifizierungsmechanismus erfolgen.

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