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Digital Markets Act – FRAND-Bedingungen für Zugang zu bestimmten zentralen Plattformdiensten

avatar  Dr. Sebastian Louven
Rechtsanwalt

Der Digital Markets Act nimmt an zwei Stellen die FRAND-Begrifflichkeit auf. FRAND ist die Kurzform von fair, reasonable and non-discriminatory. Es handelt sich dabei um einen Terminus aus dem allgemeinen Wettbewerbsrecht, der schon öfter für Zugangskonstellationen aufgetreten ist, aber auch als Selbstverpflichtung im Rahmen von Standardisierungs- oder Normierungskonsortien eine Rolle spielen kann.

Die erste Stelle findet sich in Art. 6 Abs. 11 DMA und ist der FRAND-Zugang zu Ranking-, Anfrage-, Klick- und Ansichtsdaten in Bezug auf unbezahlte und bezahlte Suchergebnisse, die von Endnutzern über die Online-Suchmaschine eines designierten Torwächters generiert werden. Hierbei handelt es sich um einen echten sektorspezifischen Datenzugangsanspruch, wie ich in meinem eigenen Blog dargestellt habe.

Die zweite Stelle steht direkt dahinter in Art. 6 Abs. 12 DMA, hier als Ausschnitt:

Der Torwächter wendet für den Zugang gewerblicher Nutzer zu seinen im Benennungsbeschluss nach Artikel 3 Absatz 9 aufgeführten Geschäften für Software-Anwendungen, Online-Suchmaschinen und Online-Diensten sozialer Netzwerke faire, zumutbare und diskriminierungsfreie allgemeine Bedingungen an.
Zu diesem Zweck veröffentlicht der Torwächter allgemeine Zugangsbedingungen, einschließlich eines alternativen Streitbeilegungsmechanismus.
Die Kommission prüft, ob die veröffentlichten allgemeinen Zugangsbedingungen dem vorliegenden Absatz entsprechen.

Zweck der Vorschrift

Die Vorschrift unterscheidet sich trotz des FRAND-Bezugs erheblich von der vorhergehenden. Es handelt sich nämlich schon um keine Anspruchsgrundlage über den Zugang zu Daten, mit dem konstitutiv ein Zugang begründet werden kann (vgl. EG a.E.). Dies richtet sich nach den allgemeinen kartellrechtlichen Grundsätzen im Zusammenhang mit missbräuchlicher Geschäftsverweigerung. Stattdessen sieht sie Rahmenbedingungen für den von einem Torwächter eröffneten Zugang zu bestimmten seiner zentralen Plattformdienste vor. Dabei soll klarstellend nicht die Möglichkeit der Plattformen beschnitten werden, der Verantwortung des Torwächters im Hinblick auf die Bekämpfung illegaler und unerwünschter Inhalte gemäß dem Digital Services Act ordnungsgemäß nachzukommen.

Hintergründe für diese Regelungen finden sich in Erwägungsgrund 62 DMA am Ende: Dienstleistungen des Torwächters bieten gewerblichen Nutzern ein wichtiges Zugangstor zu Endnutzern. Allerdings können die gewerblichen Nutzer dabei regelmäßig nicht die Bedingungen dieses Zugangs durchsetzen. Deshalb soll der DMA hier eine rechtliche Kontrollmöglichkeit der Kommission mit einem eigenständigen materiell-rechtlichen Maßstab bereitstellen. Auch dies wiederum stellt sich bei genauerer Betrachtung als kartellrechtliche Kasuistik dar. Denn auch die Zugangsbedingungen eines marktbeherrschenden Unternehmens können der kartellrechtlichen Kontrolle unterfallen. Allerdings wurde das individuelle Vorgehen einzelner Unternehmen gegen Plattformen bislang als weniger hilfreich für einen flächendeckenden und durchgreifenden Schutz vor nicht FRAND-konformen Bedingungen gesehen.

Übersicht über die Regelungspunkte

Art. 6 Abs. 12 DMA enthält drei Regelungspunkte: Erstens soll der Torwächter für den Zugang zu bestimmten aufgelisteten Leistungen FRAND-Bedingungen verwenden, die auch einen alternativen Streitbeilegungsmechanismus enthalten. Zweitens soll der Torwächter diese Bedingungen veröffentlichen. Drittens soll die Kommission die FRAND-Konformität der Zugangsbedingungen überprüfen.

Die Bedingungen müssen FRAND-konform sein. Jedenfalls nicht mehr darunter fallen drei Beispiele nach Erwägungsgrund 62 DMA: Ein Ungleichgewicht zwischen den gewerblichen Nutzern auferlegten Rechten und Pflichten, ein in Anbetracht seiner Dienstleistung für die gewerblichen Nutzer unverhältnismäßiger Vorteil oder eine Benachteiligung gewerblicher Nutzer, die dieselben oder ähnliche Dienstleistungen wie der Torwächter erbringen. Bei dem letzten Beispiel drängt sich eine gewisse Ähnlichkeit mit hybriden Plattformen auf, wenn der Torwächter gleichzeitig unmittelbar mit den Produkten oder Leistungen seiner gewerblichen Nutzer konkurriert. Hier bezieht sich die Konkurrenzsituation jedoch auf unmittelbare Plattformleistungen. Der Zweck ist naheliegend, dass der Torwächter nicht durch seine Zugangsbedingungen den direkten Wettbewerb und damit seine eigene Bestreitbarkeit ausschalten soll. Dies entspricht auch dem oben dargestellten Zweck der Vorschrift.

Für die Bewertung der Fairness listet der Erwägungsgrund Kenngrößen im Rahmen einer Vergleichsmarktanalyse auf:

  • die Preise oder Bedingungen, die andere Betreiber von Geschäften für Software-Anwendungen für dieselben oder ähnliche Dienstleistungen erheben bzw.
    auferlegen
  • die Preise oder Bedingungen, die der Betreiber eines Geschäfts für Software-Anwendungen für verschiedene verbundene oder ähnliche Dienstleistungen erhebt bzw. auferlegt oder von verschiedenen Arten von Endnutzern erhebt bzw. diesen auferlegt
  • die Preise oder Bedingungen, die der Betreiber eines Geschäfts für Software-Anwendungen für dieselbe Dienstleistung in unterschiedlichen Regionen erhebt bzw. auferlegt
  • die Preise oder Bedingungen, die der Betreiber eines Geschäfts für Software-Anwendungen für dieselbe Dienstleistung erhebt bzw. auferlegt, die der Torwächter für sich selbst erbringt.

Die Veröffentlichungspflicht in Art. 6 Abs. 12 UAbs. 2 DMA hat keinen eigenständigen verfahrensrechtlichen Zweck, ähnlich wie die nach die nachfolgende Prüfungsmöglichkeit der Kommission. Sie erweitert vielmehr die Pflicht zur Anwendung nur von FRAND-konformen Bedingungen, indem der Torwächter zur Transparenz gezwungen wird. Die Regelung hat ihren Sinn auch zur effektiven Kontrolle des Grundsatzes der Nicht-Diskriminierung. Die Prüfungsbefugnis der Kommission richtet sich auf das FRAND-Erfordernis. Ein eigenständiges Verfahren besteht hierbei nicht, sondern dies erfolgt im Rahmen der behördlichen Durchsetzung des DMA durch die Kommission.

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