Individualisierte Werbung ist das ökonomische Rückgrat der Internetökonomie. Um diese Art der Werbung zu ermöglichen, benötigen die werbenden Unternehmen die entsprechenden Informationen über die Nutzer*innen. Hier gilt die Devise: je mehr, desto besser. Denn dadurch können umfangreiche Interessenprofile über Nutzer*innen angelegt werden, die auch Vorhersagen über künftige Interessen ermöglichen.
Hintergrund
Bisher werden diese Informationen durch die exzessive Nutzung von (Third Party-) Cookies gesammelt. Nachdem der EuGH in der Planet49-Entscheidung das Erfordernis einer ausdrücklichen Einwilligung für den Einsatz dieser Art von Cookies festgeschrieben hat (EuGH, Urt. v. 1.10.2019 – C-673/17, CR 2020, 25), sahen einzelne Akteure des Online-Werbemarktes schon die unveränderte Fortführung ihres Geschäftsmodells gefährdet.
In erster Konsequenz haben diese Vorgaben nicht zur Einschränkung von Cookies geführt, sondern zur allgemeinen Verbreitung von Cookie-Bannern, wie wir sie noch auf vielen Webseiten zu sehen bekommen, die aber durch die große Mehrzahl der Nutzer unbesehen „weggeklickt“ werden. Um die rechtmäßige Gestaltung dieser Cookie-Banner sind in der Folge verschiedene (Rechts-) Streitigkeiten entstanden (Stichwort: Dark Pattern). Da die Werbeunternehmen nicht auf die für sie essentiellen Informationen verzichten wollen, wurden mit kreativen Designideen Cookie-Banner gestaltet, die zum „Alles akzeptieren“ animieren.
Der Weg zu Google Topics
Google hat daraufhin 2020 begonnen, technische Lösungen zu entwickeln, die die Privatsphäre der Nutzer*innen besser schützen sollen. Zunächst hat Google auf „Federated Learning of Cohorts“ (FLoC) gesetzt, wobei Wissenschaftler*innen zeitnah eine Identifizierung der betroffenen Nutzer*innen mit einer Erfolgsquote von bis zu 95% nachweisen konnten. Auf Grund dieses Umstandes und weiterer Kritik hat Google zeitnah diesen Ansatz verworfen und das „Topics“-Modell vorgestellt, welches mit dem seit Juli 2023 verfügbaren Update von Google Chrome nutzbar ist.
Ziel
Mit dieser Technologie soll unter Einsatz von KI das Sammeln von Nutzerdaten sowie die sich anschließende personalisierte Werbung ermöglicht werden, ohne dass in vergleichbarem Umfang Profile angelegt und auf das Surfverhalten der Nutzer*innen geschlossen werden kann.
Klassifizierung über Google Topics
Das soll dadurch erreicht werden, dass im Google Chrome Browser mittels eine Klassifizierungsmodells von Nutzer*innen aufgerufene Internetseiten zu Themen sowie Unterthemen zugeordnet werden, wie beispielsweise Beauty & Fitness; Beauty & Fitness/Body Art; Beauty & Fitness/Face & Body Care; Beauty & Fitness/Face & Body Care/Antiperspirants, Deodorants, Body Sprays.
Interessenprofil
Diese Themen können von einem Werbetreibenden bzw. einem Vermittlungsdienst (Caller) über die Topics API abgerufen werden, wobei ein Caller pro Woche immer wieder (also auch bei mehrfachen Abfragen des gleichen Callers) nur die gleichen Themen eines Nutzenden übermittelt bekommt, damit die Nutzer*innen nicht über Seiten hinweg identifiziert und ein Interessenprofil gebildet werden kann.
Identifizierbarkeit des Endgeräts?
Zudem eröffnen die im Browser gespeicherten Themen – im Unterschied zu Cookies – grundsätzlich keine eindeutige Identifizierung des Endgeräts, da diese Themen nicht im selben Maße eindeutig sind.
Bestehen bleibt das Problem, dass für das Abfragen der Themen sowie das Ausspielen der Werbung eine Kommunikation zwischen Caller und Endnutzer stattfinden muss, wobei auch die IP-Adresse übertragen wird, die für ein zeitweises Tracking der Nutzer*innen genutzt werden könnte. Dieser Umstand liegt hingegen in der Basistechnologie des Internets begründet.
Datenschutzrechtliche Analyse
Da Topics bereits verfügbar ist und Third-Party-Cookies ab dem dritten Quartal 2024 vollständig ersetzen soll, ist eine detailliertere rechtliche Analyse erforderlich, die wir in unserem Aufsatz vorstellen, der im Oktoberheft CR erschienen ist:
Muttach/Köppel/Hornung, „Google Topics als Ausweg aus dem Cookie-Dilemma?“, CR 2023, 644
Die rechtlichen Anforderungen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen TTDSG und DSGVO:
- Für das Speichern der Themen in der Endeinrichtung (Browser) des Endnutzers sowie den Zugriff auf diese Themen ist als bereichsspezifische Regelung der Anwendungsbereich des § 25 TTDSG eröffnet.
- Die sich anschließenden Weiterverarbeitungen richten sich hingegen nach der DSGVO.
Innerhalb dieses Spannungsfeldes widmen wir uns unter anderem den Fragen, ob es – analog zum „Setzen“ von Cookies – auch für das Speichern von Themen einer Einwilligung nach § 25 Abs. 1 TTDSG bedarf, falls ja, welcher Akteur aus der Wertschöpfungskette der Online-Werbebranche für die Einholung der Einwilligung verantwortlich ist, sowie welche Anforderungen an rechtskonforme Ausgestaltung des Einwilligungsersuchens mit Blick auf die konkret verwendete Technologie bestehen.
Gerade das Zusammenspiel aus zahlreichen Unsicherheiten nicht nur in der parallelen Anwendung von DSGVO und TTDSG, sondern auch hinsichtlich der Auslegung der nicht definierten Tatbestandsmerkmale des Speicherns und Zugreifens sowie der konkreten Funktionsweise der neuen Technologie eröffnet spannende Rechtsfragen, die der wissenschaftlichen Diskussion harren und denen wir in unserer Analyse nachgehen:
Muttach/Köppel/Hornung, CR 2023, 644
Viel Spaß bei der Lektüre und wir freuen uns über Kommentare und Meinungen zu diesem Thema!