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Fachgespräch im BMJ: Wie geht es weiter mit dem Gesetz gegen Digitale Gewalt

avatar  Dr. Daniel Holznagel
RiKG

Letzte Woche fand im BMJ ein Fachgespräch zum geplanten Gesetz gegen Digitale Gewalt statt.

Es ging um ausgewählte Fragen: internationale Zuständigkeit für Auskunftsverfahren gegen Intermediäre, internationale Zuständigkeit für die geplanten richterliche angeordneten Account-Sperren sowie verbleibende Handlungsspielräume für Vorgaben zum inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Hintergrund waren v.a. die nach neueren Urteilen deutlich gewordenen Bedenken zum deutschen Handlungsspielraum (vgl. dazu meinen letzten Blog-Post).

Meine Take-aways aus dem Gespräch

Auskunftsverfahren (§ 21 TDDDG)

Die überwiegende Meinung ging dahin, dass mit Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO eine internationale Zuständigkeit in Deutschland folgt, wenn der Intermediär als Störer haftet, was zwar nicht alle Fälle abdeckt, aber doch einen substanziellen Anwendungsbereich ergibt. Daneben gibt es in Verbraucher-Nutzer-Konstellationen Art. 18 Brüssel-Ia-VO.

Aus dem BMJ klang aber an, dass das zwar nett wäre, aber ggfs. keine zufriedenstellende Lösung ist: Wenn die internationale Zuständigkeit von der Störerhaftung, also der Verletzung von Prüfpflichten des Intermediärs, abhängt, und somit zur Frage des Einzelfalls wird.

Aber wie soll so eine nicht-hinkende Lösung aussehen? Dazu ergab sich keine Lösung. Diskutiert wurde ein entsprechender Vorschlag für ein selbstständiges Beweisverfahren gegen Unbekannt, für das man eine deutsche internationale Zuständigkeit dann evtl. (unabhängig von Verletzereigenschaft Intermediär, der ist ja dann nur Zeuge ist in einem Verfahren gegen einen unbekannten Verletzer) begründen könnte … aber hier hingen große Fragezeichen im Raum und das BMJ schien Vorbehalte zu haben. Evtl. war das auch der Zweck der Veranstaltung, sich die noch einmal bestätigen zu lassen. Jedenfalls schien das BMJ diesen Weg nicht mehr weiterverfolgen zu wollen.

Wer für die Problematik noch irgendeine nationale Handlungsoption sieht, kann sich jetzt rechtswissenschaftliche Lorbeeren verdienen. Kommt die (m.E. einzig gangbare) Lösung über die Störerhaftung, wird sie natürlich Streit im Einzelfall mit sich bringen.

Zustellungsbevollmächtigter (§ 5 NetzDG)

M.E. war Konsens, dass es nicht weitergehend regelbar ist national (als jetzt mit dem – durch das DDG schon deutlich eingeschränkten – § 5 NetzDG). Das BMJ scheint daher auch nichts weiter zu versuchen und sich damit abzufinden, so mein Eindruck. Man sollte hinzudenken: Auch der jetzt durch das DDG (ausführlich zum DDG Jungbluth/Engel, CR 6/2024) zurechtgestutzte § 5 NetzDG ist ja nicht ganz „safe“ (ggfs. Verstoß DSA, siehe Link), d.h. es ist ein “Abfinden” auf hohem Niveau.

Abzuwarten bleibt, ob vielleicht einmal ein Drittstaatenanbieter gegen den verbleibenden § 5 NetzDG klagt mit dem Argument DSA-Verstoß.

Richterlich angeordnete Account-Sperren

Dazu gab es kritische Stimmen in der Sache, aber das BMJ hat betont, dass das natürlich weiter verfolgt wird – ist ja auch KoaV-Auftrag.

Die internationale Zuständigkeit – darum sollte es ja v.a. gehen – bleibt allerdings fraglich. Interessant war m.E. insofern eine Andeutung aus dem BMJ, dass die internationale Zuständigkeit deswegen kein Problem sei, weil die Plattform, die „Tätern“ nicht den Account sperre, als oder wie ein Störer verantwortlich sei, und daher Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO einschlägig wäre.

Das wurde m.E. nicht hinterfragt, scheint mir aber eine interessante Wendung für die weitere rechtspolitische Diskussion. Bisher hatte jedenfalls ich das Vorhaben so verstanden, dass es gerade um eine Verpflichtung unabhängig von einer Verletzereigenschaft geht (iS einer verletzerunabhängigen Hilfeleistungspflicht). Wenn nun die Account-Sperre als Verletzerhaftung ausgestaltet wird, d.h. die Plattform muss löschen, weil sie etwas „falsch“ gemacht hat, dann macht doch der angedachte (m.E. ohnehin kritikwürdige, vgl. MMR 2023, 643) Richtervorbehalt noch viel weniger Sinn? Gedanklich wäre der rechtliche Imperativ dann ja: Weil Du den Account nicht gesperrt hast, haftest Du! Wir machen Dir das zum Vorwurf! Aber: Du darfst den Account auf keinen Fall sperren, bevor nicht ein Gericht konstitutiv darüber entschieden hat. M.E. ist das ein Widerspruch, und der Richtervorbehalt sollte (ohnehin, und deswegen erst recht) aufgegeben werden und gleichzeitig die Tatbestandsvoraussetzungen iSe Verletzerhaftung geregelt werden.

Außerdem wird dann (Verletzerhaftung) die Konkurrenz zum Instrumentarium aus dem DSA, welcher erzwungene Account-Sperren schon hergibt, m.E. noch deutlicher, da es ja auch dort auf einen vorherigen Verstoß ankäme (zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch über Art. 23 DSA iVm Art. 54 DSA oder § 823 Abs. 2 BGB; behördliche Sperranordnung über Art. 51 Abs. 2 lit. b) DSA).

Auch hier kann sich m.E. die Rechtswissenschaft noch Lorbeeren anhand aktueller und kniffliger Fragen verdienen. Es scheint, dass der bevorstehende Weg des deutschen Gesetzgebers hier holprig ist – sowohl zur internationalen Zuständigkeit als auch zur Konkurrenz zum DSA.

Gesamteindruck

Und zum gesamten Vorhaben kann man wohl sagen, dass sich für die Anwaltschaft – aufgrund der absehbaren Unsicherheiten – großer Beratungsbedarf ergibt.

Aber erst einmal heißt es jetzt abwarten. Meine Vermutung ist, dass das BMJ nun doch endlich einen Referentenentwurf vorlegen wird.

Dr. Daniel Holznagel, Richter (bisherige Schwerpunkte UWG, MarkenR- UrhR und KartellR). Er war zuvor 4 Jahre im Bundesministerium der Justiz als Referent für die Entwürfe und anschließende Umsetzung des NetzDG zuständig. Er publiziert regelmäßig zum Recht der Online-Plattformen und unterstützt zivilgesellschaftliche Akteur:innen wie HateAid bei der Positionierung zu digitalpolitischen Themen. Er unterrichtet zudem zu Fragen Plattformregulierung an der Freien Universität Berlin.

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