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(Grund-)Rechtliche Anforderungen an Löschung und Sperrung von Inhalten in sozialen Netzwerken

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Im März 2025 wird die 8. Auflage des Handbuchs zum Internetrecht von RA Prof. Niko Härting erscheinen. Der vorliegende Beitrag aus dem Kapitel „Internet-Dienstleistungsrecht“ soll einen Einblick in das neu gestaltete Werk vermitteln. Er behandelt die rechtlichen Anforderungen an die Löschung und Sperrung von Inhalten in sozialen Netzwerken, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung des Grundrechtsschutzes der Nutzer gemäß den Vorgaben des BGB.

 

Durch Nutzungsbedingungen setzt der Plattformbetreiber einerseits seine „virtuellen Hausregeln“ und legt einseitig fest, unter welchen Bedingungen die Plattform genutzt werden darf. Andererseits sind sie in der Regel Bestandteil der Verträge, die der Betreiber mit registrierten Nutzern abschließt. Betreiber sozialer Netzwerke definieren in ihren Nutzungsbedingungen die Voraussetzungen, unter denen sie sich das Recht vorbehalten, Inhalte zu löschen und Konten zu sperren, was häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen führt.

Wenn sich ein Unternehmen wie Amazon in seinen Nutzungsbedingungen das Recht auf die Schließung von Konten, die Verweigerung von Dienstleistungen und die Entfernung oder Änderung von Inhalten vorbehält, sieht das OLG Köln dies als unwirksam an. Es ermögliche dem Unternehmen, auch entgeltlich erworbene Nutzungsrechte jederzeit zu entziehen, ohne dass der Nutzer nachvollziehen könne, unter welchen Bedingungen eine Sperrung oder Löschung erfolgt.

Betreiber sozialer Netzwerke unterliegen grundsätzlich der Vertragsfreiheit und sind nicht zum Abschluss eines Vertrags verpflichtet. Der BGH wendet jedoch § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Nutzungsbedingungen an und führt bei der Prüfung von Klauseln zum Ausschluss von Hassrede eine umfassende Grundrechtsabwägung durch. Dabei werden sowohl die Grundrechte der Nutzer, wie das Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Gleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG), als auch die Rechte der Netzwerkbetreiber auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) berücksichtigt. Der BGH stellt klar, dass die Löschung von Postings und die Sperrung von Profilen nur aus einem „sachlichen Grund“ erfolgen dürfen, wobei „Hassrede“ grundsätzlich als solcher Grund anerkannt wird.

Jedoch reicht der „sachliche Grund“ nach der Rechtsprechung des BGH allein nicht aus. Um den Anforderungen des § 307 BGB zu entsprechen, muss der Betreiber auch ein Verfahren gewährleisten, das vor einer Löschung oder Sperrung einen Interessenausgleich ermöglicht („Grundrechtsschutz durch Verfahren“). Dies orientiert sich an der Blogeintrag-Entscheidung des BGH. Der Betreiber eines sozialen Netzwerks muss sich in seinen Nutzungsbedingungen dazu verpflichten, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags oder über eine geplante Sperrung seines Kontos zu informieren und den Grund dafür anzugeben. Zudem muss dem Nutzer die Möglichkeit zur Gegendarstellung eingeräumt werden, nach der eine erneute Prüfung des Falls erfolgt, was auch eine mögliche Wiederherstellung des entfernten Beitrags umfassen kann (vgl. auch Art. 17 und 20 DSA). Fehlen solche Regelungen in den Geschäftsbedingungen, sind sie gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Die Unwirksamkeit dieser Klauseln führt dazu, dass jede Löschung oder Sperrung – unabhängig vom Inhalt des jeweiligen Beitrags – als vertragswidrig angesehen wird, solange es sich nicht um strafbare Inhalte handelt. Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion können Lösch- und Sperrbefugnisse nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung gerechtfertigt werden.

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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