Das Autocomplete-Urteil des BGH liegt jetzt im Volltext vor (BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12, demnächst in CR und ITRB). Und wer bisher noch glaubte, die Grundsätze des BGH zur Störerhaftung halbwegs nachvollziehen zu können, darf getrost alle Hoffnung aufgeben:
- Suchvorschläge = „eigene Inhalte“: In Rdnr. 20 vertritt der VI. Zivilsenat die Auffassung, dass es sich bei den Google-Suchvoschlägen um Googles „eigene Inhalte“ handele. Aus diesem Grund könne sich Google nicht auf die Haftungsbeschränkungen berufen, die für Provider gemäß den §§ 8 bis 10 TMG gelte.
- Haftung als Störer: Wer „eigene Inhalte“ im Netz verbreitet, ist – so würde man meinen – „Täter“. Nicht so der BGH in Rdnr. 23/24: Google sei lediglich Störer und damit – nach der herkömmlichen Definition des Störerbegriffs – weder Täter noch Teilnehmer (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 8 UWG, Rdnr. 2.2d). Google soll somit „eigene inhalte“ verbreiten, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – nicht nachvollziehbar.
- Wegen Unterlassen: In Rdnr. 25 heißt es dann, der „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ liege in einem Unterlassen, daher komme es auf die Verletzung von Prüfungspflichten an. Damit wird das gesamte kontrukt noch undurchschaubarer: Google soll durch die „Autocomplete“-Vorschläge „eigene Inhalte“ verbreiten, dies allerdings nur (?) durch „Unterlassen“ – und das Ganze nicht als Täter oder Teilnehmer, sondern als (Unterlassungs-?)Störer.
Abwägungen
Unendlich Abwägungen und eine nicht mehr nachvollziehbare Dogmatik führen den BGH zum Ziel: Google ist zur Unterlassung verpflichtet, dies aber erst ab Kenntnis vom Rechtsverstoß.
Die Urteilsbegründung ist wahrhaftig kein Ruhmesblatt, sondern ein weiterer Beleg dafür, dass sich der BGH bei Fragen der Haftung im Netz in eine labyrinthartige Sackgasse begeben hat, deren Verästelungen nicht mehr durchschaubar sind.
Rechtssicherheit: sieht anders aus. Der Gesetzgeber sollte handeln und endlich Klarheit schaffen.