Bundesinnenminister de Maizière hat am 30.6.2014 eine Initiative gestartet, um an einigen neuralgischen Punkten die europäische Datenschutzreform voranzubringen. Mit seinen Vorschlägen zielt der Minister auf wunde Punkte der bisherigen Reformvorschläge (BMI, „InÂitiaÂtiÂve zur Datenschutz-GrundÂverÂordÂnung geÂstarÂtet“, Kurzmeldung v. 30.6.2014):
- Öffnungsklausel für Staat – Aus bürgerrechtlicher Sicht ist es zu begrüßen, dass der Innenminister eine Öffnungsklausel vorschlägt, die es den Mitgliedsstaaten erlaubt, dem datenverarbeitenden Staat strengere Grenzen zu setzen: Im Mittelpunkt des Datenschutzrechts stand stets der Schutz des Bürgers vor dem allzu wissbegierigen Staat. Ob Volkszählung, Ausländerregister, Sozialdaten oder Melderecht: Über eine Vielzahl von Gesetzen sind Vorschriften verstreut, die der Wissbegier des Staates Grenzen setzen. Nach den Entwürfen für eine Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), die die EU-Kommission und das EU-Parlament vorgelegt haben, würden die deutschen Schutzgesetze durch europäische Generalklauseln ersetzt. Schon ein „öffentliches Interesse“ könnte genügen, um eine Datenverarbeitung zu legitimieren, für die nach geltendem Recht ausgeklügelte Bedingungen erfüllt sein müssen.
- One-Stop-Shop mit Bürgernnähe – Aus bürgerrechtlicher Sicht ist es auch überzeugend, mehr Bürgernähe bei dem „One-Stop-Shop“ zu fordern. Denn der „One-Stop-Shop“ ist in der europäischen Datenschutzdebatte nicht viel mehr als ein Buzzword, hinter dem sich schwierige Fragen der Abwägung zwischen Bürgerrechten und berechtigten Interessen der Wirtschaft verbergen (vgl. Härting, „‚One-Stop-Shop‘ – The Devil is in the Detail“, CRonline Blog v. 6.12.2013).
- Grundfreiheit von Meinung, Presse, Information & Kommunikation – Zu begrüßen ist es auch, dass der Innenminister es nicht dabei belassen möchte, den Schutz der Meinungs-, Presse-, Informations- und Kommunikationsfreiheit dem Belieben der Mitgliedsstaaten zu überlassen. Bislang haben EU-Kommission und EU-Parlament alle Mahnungen in den Wind geschlagen und die Kommunikationsfreiheit stiefmütterlich behandelt. Dies obwohl nicht erst seit dem Google Spain-Urteil des EuGH (EuGH, Urt. v. 13.5.2014 – Rs. C-131/12, CRi 2014, 77 mit „Remarks from a US Perspective“ by Spelman/Towle at 85 ff. und „Remarks from an Irish Perspective“ by Tobin at 87 ff.; dazu auch in CR 7/2014: Arning/Moos/Schefzig, „Vergiss(!) Europa! – Ein Kommentar zu EuGH, Urt. v. 13.5.2014 – Rs. C-213/12 – Google/Mario Costeja Gonzalez“, CR 2014, 447 ff.) offenkundig ist, dass Restriktionen, die im Zeichen des Datenschutzes stehen, zugleich die Freiheit der Kommunikation und Information gefährden können. Eine Datenschutzregulierung, die die Kommunikationsfreiheit ausblendet, verfehlt schon im Ansatz das Ziel eines angemessenen Ausgleichs der betroffenen Grundrechte.
- Cloud & Schutzzwecke – Das Datenschutzrecht muss internettauglich werden. Daher ist es richtig,wenn de Maizière ausdrückliche Regelungen für die Cloud fordert, die in allen bisherigen Entwürfen vollständig fehlen. Zu begrüßen ist es zudem, dass de Maizière die Frage nach den Schutzzwecken stellt und sich nicht mit einem bloßen Schutz von Daten um ihrer selbst Willen begnügt. Zu diesen Schutzzwecken gehören neben dem Schutz der Privatsphäre auch der Schutz gegen Diskrimierung und der Schutz gegen eine Zweckentfremdung von Informationen.
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Der Vorstoß des Innenminister lässt darauf hoffen, dass Kerndefizite der bisherigen Entwürfe bereinigt werden mit dem Ziel eines Datenschutzrechts, das zukunftstauglich ist (siehe dazu die 10 „Navigationsempfehlungen“ für das EU-Datenschutzrecht von Schneider/Härting, „Datenschutz in Europa – Plädoyer für einen Neubeginn“, CR 2014, 306 ff.).
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