Frau „Dr. F.“ ist die Datenschutzbeauftragte des BND. Der NSA-Untersuchungsausschuss hat sie am vergangenen Donnerstag als Zeugin angehört. André Meister hat die Befragung bei netzpolitik.org in einem Live-Blog protokolliert („Live-Blog aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss: Der BND speichert Verbindungsdaten über fünf Ebenen“, netzpolitik.org v. 9.10.2014).
Der BND von innen
Das Protokoll ist lesenswert. Ein kleiner Einblick in das geheimnisvolle Innenleben eines Nachrichtendienstes. Frau „Dr. F.“ schildert, wie sie sich redlich um die Beachtung des Datenschutzrechts bemüht und dabei auch den juristischen Disput mit dem BND-Chef Schindler nicht scheut. Sie berichtet, dass sie Rechtsverstöße bemängelt und unterscheidet zwischen „materiellen“ und „formellen“ Rechtsverletzungen. Und sie lässt durchblicken, dass der Schutz von persönlichen Daten der Mitarbeiter des BND einen erheblichen Teil ihrer Arbeit ausmacht.
Zum Innenleben eines Geheimdienstes gehört die innere Abschottung: Die Bediensteten wissen alles, was sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben wissen müssen. Ansonsten bleiben sie ahnungslos. Dementsprechend konnte Frau „Dr. F.“ zu „G10-Angelegenheiten“ nichts sagen. Wenn es um das Abhören und das Durchsuchen und Filtern von Mails ging, verwies sie auf ihre fehlende Zuständigkeit.
Trennung zwischen Datenschutz und TK-Geheimnis
Der BND trennt somit messerscharf zwischen dem Datenschutzrecht und dem Schutz des TK-Geheimnisses:
- Für den Schutz des TK-Geheimnisses gilt das G10-Gesetz, das die Rechtsgrundlagen für die Abhörbefugnisse des BND enthält.
- Für den Datenschutz gelten die §§ 2 ff. BND-Gesetz sowie – ergänzend – das BDSG.
Ausnahme: Satellitenkommunikation?
In einem Bereich gilt nach Auffassung des BND-Präsidenten offensichtlich gar nichts: En passant erklärt Frau „Dr. F.“, welche Aktivitäten der BND in dem berüchtigten Abhörzentrum entfaltet: Die Satellitenkommunikation wird in Bad Aibling überwacht. Und der BND-Präsident vertritt eine exotische Rechtsauffassung:
- Kein Art. 10 GG: Bekannt war bereits, dass der BND die – verfassungswidrige – Auffassung vertritt, auf „Ausland-zu-Auslands“-Kommunikation sei Art. 10 GG nicht anwendbar (vgl. „Experten halten BND-Auslandsspionage für unzulässig“, golem.de v. 22.5.2014). Das BVerfG hat dieser Lesart bereits 1999 deutlich widersprochen (BVerfG, Urt. v. 14.7.1999 – 1 BvR 2226/96, CR 2001, 29 , Rz. 175 ff.).
- Kein Datenschutzrecht: Für „Ausland-zu-Auslands“-Kommunikation soll zudem aber auch kein Datenschutzrecht gelten. Dies schließt die BND-Spitze aus § 1 Abs. 2 Satz 2 BND-Gesetz, der den BND von einer Beachtung des Datenschutzrechts befreit, wenn er im Ausland tätig wird. Bad Aibling ist nach einer eigenwilligen Gesetzesauslegung des BND-Chefs Schindler Ausland, da sich die abgehörten Satelliten außerhalb Deutschlands (im Weltraum) befinden.
Der BND wähnt sich somit in Bad Aibling im rechtsfreien Raum und jenseits der Bindungen des Grundgesetzes. Dies obwohl selbstverständlich auch Deutsche über Satelliten kommunizieren. Derartigen „Beifang“ sondert man mit dem „G10-Filter“ aus, ein Filter, der eingestandenermaßen nicht ohne eine „manuelle“ Sichtung durch BND-Mitarbeiter auskommt (vgl. Härting, „BND-Ãœberwachung: Prozesstag in Leipzig – neue Erkenntnisse“, CRonline Blog v. 29.5.2014).
Und noch eines kommt hinzu:
Bis 2001 beschränkten sich die Befugnisse des BND zur strategischen Fernemeldeüberwachung („Datenstaubsauger“) auf die Satellitenkommunikation. Und niemand hat seinerzeit bezweifelt, dass das G10-Gesetz auf diese Ãœberwachung anwendbar war (Härting, „‚Strategische Fernmeldekontrolle‘ durch den BND: Um was geht es eigentlich?“, CRonline Blog v. 18.6.2013). In Pullach und Bad Aibling scheint man dies jetzt anders zu sehen. Ein eklatanter Verfassungsverstoß.
Vgl. auch Stadler, „BND-Präsident Schindler: Völlig losgelöst von der Erde“, internet-law.de v. 10.10.2014