Die Bundesregierung hat ihren abgestimmten Referentenentwurf zur Haftung bei Internet-Zugängen per WLAN vorgestellt. Und sie hat nichts aus der massiven Kritik an der ersten Fassung gelernt (siehe etwa Mantz, Stadler und Blog-Beitrag vom 1.3.2015). Der Entwurf lässt zwar eine kleine Hintertür für die bisherige differenzierte Rechtsprechung – schafft aber noch mehr Rechtsunsicherheit als der kürzlich bekannt gewordene Referentenentwurf ohnehin schon befürchten ließ, weil die Begründung ausdrücklich den bisher klaren Begriff der Geschäftsmäßigkeit anders auslegt.
Hintertür zur Problemlösung
Anders als im ursprünglichen Entwurf sollen WLAN-Anbieter nicht mehr „nur dann“ nicht als Störer haften, wenn sie ihr Netz verschlüsseln und die Nutzer zustimmen lassen, keine Rechtsverletzungen zu begehen. Damit könnte theoretisch die aktuelle Rechtsprechung bestehen bleiben, die diese unsinnigen Anforderungen ablehnt. Allerdings besteht die große Gefahr, dass Gerichte sich künftig dazu veranlasst sehen könnten, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen – weil das neue Gesetz doch sonst sinnlos wäre.
Generalangriff auf Freifunk und Co.
Damit wären freie WLAN-Zugänge, wie sie überall sonst auf der Welt üblich sind und insbesondere von Touristen auch erwartet werden, in Deutschland tot. Während Café-Betreiber immerhin noch den WLAN-Schlüssel auf die Speisekarte schreiben könnten, wären Freifunk-Modelle erledigt. (Natürlich auch das vorgebliche Ziel des Gesetzentwurfs, etwa beim Warten auf den Bus kurz ins Internet gehen zu können!)
Gegen den privaten WLAN-Anschluss
Wie ich schon im Beitrag vom 1.3.2015 befürchtet hatte, will die Bundesregierung zudem tatsächlich den bisher klaren Begriff der „Geschäftsmäßigkeit“ aufweichen – allerdings ohne das Gesetz insoweit zu ändern. Die Begründung schreibt hierzu:
„Nicht von Absatz 4 erfasst wird hingegen eine nur gelegentliche private Betätigung. Hiervon ist beispielsweise grundsätzlich im Falle der Ãœberlassung des WLAN-Anschluss an Familienmitglieder, Freunde und Bekannte auszugehen. Auch eine studentische Wohngemeinschaft nutzt das WLAN-Netz des Anschlussinhabers in der Regel privat und wäre demzufolge grundsätzlich nicht von Absatz 4 erfasst.“
(Begründung B. Nr. 2 zu § 8 Abs. 4 TMG-RefE, vorletzter Absatz vor 1.)
Bisher ist für die „Geschäftsmäßigkeit“ als Voraussetzung des Diensteanbieter-Status‘ anerkannt, dass eine gewisse Nachhaltigkeit (also Dauerhaftigkeit) des Angebots genügt (vgl. etwa Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Auflage, Rn 8 zu § 5 TMG). Dazu gehört selbstverständlich auch die Wohngemeinschaft. Nur „geschäftsmäßige“ WLAN-Anbieter sollen aber (§ 8 Abs. 4 TMG-RefE) darauf verzichten dürfen, ihre Nutzer namentlich zu kennen.
Der reine Wille des Verfassers eines Gesetzentwurfs ist zwar nach der Rechtsprechung irrelevant, wenn er sich nicht im Wortlaut des Gesetzes widerspiegelt (BGH, Beschl. v. 19.4.2012 – I ZB 80/11, CR 2012, 600 m. Anm. Nietsch). Das gilt ganz besonders, wenn – wie vorliegend – die ursprüngliche Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6098, S. 23) eindeutig festhält, dass WLAN-Anbieter Diensteanbieter im Sinne des TMG sind, unabhängig davon, ob sie den Internetzugang im Rahmen eines Gewerbes oder als Privatperson bereitstellen, und es bisher eine klare Definition des nunmehr vermeintlich geänderten Begriffs gibt. Doch stellt sich die Frage, ob sich die Gerichte mit solch lästigen Fragen beschäftigen werden, wenn der neue Gesetzeswortlaut doch eine andere Entscheidung so einfach macht.
Weiterhin „keine Kosten“
Die Kritik am ersten Entwurf bleibt somit bestehen. Ein interessantes Detail ist, dass angeblich weiterhin keinerlei Kosten entstehen sollen – insbesondere keine Bürokratiekosten -, die Begründung des Entwurfs aber auch an einer weiteren Stelle die Haftung von WLAN-Anschlussinhabern verschärfen und ihnen zusätzliche Kosten aufhalsen will: Sie sollen nämlich nach dem Entwurf künftig ihre Router aktualisieren müssen, z.B. WPA2-Verschlüsselung nachrüsten. Der BGH hatte Privatanwender bisher von solchen Pflichten ausgenommen.
Weiterhin keine Ahnung
Ebenfalls bestehen bleibt die Kritik am mangelnden technischen Verständnis der Entwurfsverfasser. Auch hier gibt es ein interessantes neues Detail: Im Entwurf heißt es:
„In der Regel wird der Diensteanbieter dem Nutzer den Internetzugang durch Mitteilung eines Passwortes zur Nutzung überlassen. Dieses kann beispielsweise auf der Eintritts- oder Speisekarte veröffentlicht oder dem Nutzer auf anderem Wege mitgeteilt werden. Möglich ist auch die Einrichtung einer Vorschaltseite, auf der lediglich die Nutzungsbedingungen mit einem Klick – akzeptiert werden können.“
(Begründung B. Nr. 2 zu § 8 Abs. 4 TMG-RefE, Ende zu 2.)
Also, Verschlüsselung ist Pflicht – aber wie komme ich dann bitte zur Vorschaltseite, auf der mir der Verschlüsselungscode mitgeteilt wird? Oder soll das heißen, dass es doch ohne Verschlüsselung geht, wenn ich eine Vorschaltseite habe, auf der der Nutzer erklärt, keine Rechtsverletzungen zu begehen? Letzteres würde allerdings dem klaren Wortlaut des Gesetzesentwurfs widersprechen, der gerade Verschlüsselung und Erklärung des Nutzers (!) verlangt. Oder sollen wir diese Unschlüssigkeit einfach ignorieren?
A propos ignorieren – das wäre wohl das Beste, was der Bundestag mit diesem Gesetzentwurf machen könnte. Dann würde die Dichte an zugänglichen WLANs in Deutschland zumindest nicht noch weiter absinken.