Die Bundesregierung plant einen neuen Straftatbestand der „Datenhehlerei“ (auf netzpolitik.org geleakter Referentenentwurf v. 15.5.2015 für ein Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten). Ein Vorhaben, das den freien Informationsfluss massiv bedroht.
Die neue Strafnorm kommt in harmlosem Gewand und gibt vor, das „formale Datengeheimnis“ zu schützen. Liest man jedoch den letzten Vorschlag aus dem Hause Maas genauer, wird deutlich, dass es weniger um „Datengeheimnisse “ geht als um „Geheiminformationen“. Wer sich Informationen verschafft, die ein anderer geheim halten möchte, läuft demnächst Gefahr, sich strafbar zu machen.
Geplanter Straftatbestand
Nach dem geplanten Straftatbestand soll sich strafbar machen, wer sich „Daten“ verschafft, die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat. Dabei soll jede beliebige Tat reichen. Dies bedeutet beispielsweise einen erweiterten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, aber auch eine erweiterte Strafbarkeit bei Dokumenten, die eine Behörde als „vertraulich“ eingestuft hat.
Die Gesetzesbegründung betont, dass die Norm für eine breite Palette von Vortaten gelten soll. So soll schon der einfache Diebstahl von Daten jeden zum Straftäter machen, der sich die gestohlenen Daten verschafft.
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Kriminalisierung von Indiskretion!
In Zeiten der umfassenden Digitalisierung ist der Begriff der „Daten“ nichts anderes als eine Chiffre für „Informationen“. Wer somit – wie der Bundesjustizminister – einem umfassenden Schutz des „formalen Datengeheimnisses“ das Wort redet, schützt zugleich die („formale“) Vertraulichkeit von Informationen. Die Mitwirkung an einer Indiskretion wird zum Strafbarkeitsrisiko.
Nehmen wir das Beispiel Wikileaks:
Wenn vertrauliche Papiere in die Hände von Aktivisten gelangen, machen sich derzeit nur diejenigen strafbar, die diese Papiere herausgegeben haben (Beamte, Parlamentarier o.ä.).
Der Gesetzesentwurf aus dem Hause Maas möchte diese Strafbarkeit auf alle Personen erstrecken, die sich die vertraulichen Informationen „beschaffen“. Die Betreiber einer Enthüllungsplattform wie Wikileaks würden ein Strafverfahren riskieren, wenn sie in Zukunft vertrauliche Dokumente aus Deutschland veröffentlichen.
Konflikt mit Pressefreiheit
Den Konflikt mit dem freien Journalismus nimmt der Bundesjustizminister in Kauf. Im Gesetzesentwurf gibt es eine Ausnahme für den Fall, dass die Beschaffung von Informationen „ausschließlich der Erfüllung … beruflicher Pflichten“ dient. Ein investigativer Journalist, der sich im Besitz gestohlener Dokumente befindet, wird somit demnächst nachweisen müssen, dass er die Dokumente „ausschließlich“ zu beruflichen Zwecken erlangt hat. Der Blogger wird sich darüber streiten müssen, ob er sich auf die Ausnahme überhaupt berufen kann, solange er nicht beruflich als Journalist tätig ist.
Förderung rechtstreuer Staatsdiener
Weitaus umsichtiger geht der Gesetzesentwurf mit Beamten um, die sich rechtswidrige Informationen verschaffen:
Solange ihre Beschaffungshandlungen der Erfüllung „rechtmäßiger … dienstlicher Pflichten dienen (sic!)“, brauchen sie nichts zu befürchten. Und in einem ausführlichen Nachsatz wird außer Zweifel gestellt, dass dies auch für den Fall des Ankaufs illegal erworbener Steuer-CDs gilt.
Wes Geistes Kind ist der Referentenentwurf?
Geheiminformationen sollen geheim bleiben. Und die Aufdeckung von Missständen ist in erster Linie eine staatliche Aufgabe, die nicht in die Hände von Bloggern oder Enthüllungsjournalisten gehört. Von diesem Geist ist der Gesetzesentwurf geprägt.