Netzpolitik.org hat jetzt die Stellungnahme der Europäischen Kommission zum Vorratsdatenspeicherungsgesetz veröffentlicht, das die Bundesregierung verabschieden möchte („Wir veröffentlichen Stellungnahme der EU-Kommission zu Vorratsdatenspeicherung: Noch viele weitere Mängel“, netzpolitik.org v. 15.9.2015). Die Stellungnahme beschränkt sich nicht auf den Gesichtspunkt der Dienstleistungsfreiheit. Vielmehr wird deutlich, dass die EU-Kommission gravierende Zweifel hat, ob die Bundesregierung die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen beachtet hat, die sich aus den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union ergeben (EuGH, Urt. v. 8.4.2014 – Rs. C-293/12 und C-594/12, CR 2015, 86 ff.).
Keine Territoriale Begrenzung auf einzelnen Mitgliedstaat
Im ersten Teil der Stellungnahme geht es um die geplante Verpflichtung der Provider, Vorratsdaten ausschließlich in Deutschland zu speichern. Die EU-Kommission hält dies für europarechtswidrig. Warum Vorratsdaten, die in Österreich oder Schweden gespeichert sind, nicht genauso gegen den unbefugten Zugriff Dritter gesichert werden können, wie dies bei einer Speicherung in Deutschland der Fall ist, konnte die Bundesregierung bislang nicht überzeugend begründen.
Schutz für Kommunikation von Anwälten
Im zweiten Teil der Stellungnahme finden sich eine Reihe von kritischen Fragen zur Verfassungskonformität des Gesetzes. Unter anderem zeigt sich die EU-Kommission nicht überzeugt davon, dass die Kommunikation von Anwälten ausreichend geschützt ist. Einen gesteigerten Schutz hatte der EuGH klipp und klar gefordert. Die Bundesregierung möchte den Schutz auf ein Verwertungsverbot beschränken, bei der Speicherung selbst jedoch nicht auf Anwaltsdaten verzichten. Dass dies den Maßstäben des EuGH nicht entspricht, liegt auf der Hand (Härting, „‚Gefühlt erÂforÂderÂlich‘ ist lange nicht verÂfasÂsungsÂkonÂform“, lto.de v. 19.5.2015).
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Keine Notwendigkeit für Speicherung und Speicherfrist
Es gibt zudem Fundamentalkritik, verpackt in einer harmlos klingenden Bemerkung:
„Die faktischen Elemente und Nachweise (d. h. statistische Daten oder Studien), die der Bewertung zugrunde liegen, dass eine Speicherfrist von 4 bzw. 10 Wochen unbedingt notwendig ist, um das verfolgte Ziel des Allgemeininteresses zu erreichen, sollten bereitgestellt und erläutert werden.“
Dies ist eine Ohrfeige für den deutschen Justizminister, der es fertiggebracht hat, mit keiner Silbe zu begründen,
– weshalb eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt erforderlich (!) sein soll und
– weshalb die Speicherfrist 4 bzw. 10 Wochen (und nicht 2, 6, 8 oder 12 Wochen) betragen soll.
Fazit:
„Gefühlt erforderlich“ ist nicht dasselbe wie „unbedingt notwendig“. Ohne den Nachweis der Notwendigkeit wird das Maas-Gesetz sowohl in Karlsruhe als auch vor dem EuGH chancenlos sein.
Daher: Fakten („statistische Daten oder Studien“) auf den Tisch. Oder besser gleich in die Tonne.