Anbieter, die über das Internet realisierte Kommunikationsdienste anbieten wie Instant-Messenger oder E-Mail-Dienste, sog. Over-the-top-Player (OTTs), könnten in Zukunft der sektorspezifischen Regulierung nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) unterfallen:
- In diese Richtung äußerte sich jedenfalls das VG Köln mit Urteil vom 11.11.2015 (Az: 21 K 450/15).
- In diese Richtung überprüft derzeit auch die EU-Kommission im Rahmen ihrer Strategie für den digitalen Binnenmarkt die telekommunikationsrechtlichen Regulierungsvorgaben der EU.
Entscheidung des VG Köln
Das VG Köln bestätigte eine vorangegangene Entscheidung der Bundesnetzagentur (BNetzA), wonach Google im Zusammenhang mit dem Angebot des Dienstes GMail als Diensteanbieter i.S.d. TKG eingestuft wurde (Volltext kommt in CR 2016). Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wird sich also noch mit der Fragestellung befassen.
Zusätzliche Pflichten für OTTs
Sollte die Entscheidung des VG Köln Bestand haben, könnte dies weitreichende Folgen für OTTs nach sich ziehen. Diese unterlägen dann nicht nur Meldepflichten gegenüber der BNetzA (§ 6 TKG), sondern wären auch an zusätzliche Anforderungen zu Datenschutz und Datensicherheit gebunden (§§ 88 ff. TKG). Darüber hinaus wären besondere Maßgaben zum Kundenschutz zu berücksichtigen, z.B. zur Transparenz (§ 43a ff. TKG), zum Anbieterwechsel (§ 46 TKG) oder zur Berücksichtigung der Interessen behinderter Endnutzer (§ 45 TKG). Weiterhin könnten OTTs zur Wahrung sektorspezifischer Regelungen zur öffentlichen Sicherheit verpflichtet sein, wonach etwa die Möglichkeit des Absetzens von Notrufen (§ 108 TKG) oder die Herausgabe von Daten an Sicherheitsbehörden (§ 111 TKG) gewährleistet sein müssen.
Pflicht auch zur Interoperabilität?
Kühling/Schall, CR 2015, 641-655, haben sich im Oktoberheft dafür ausgesprochen, dass OTTs sogar zur Interoperabilität verpflichtet werden könnten, was sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 18 TKG, einer Regelung zur Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen, ergebe.
Dies hätte zur Folge, dass Anbieter von OTTs ihre Systeme derart ausgestalten müssten, dass Kommunikationsvorgänge auch mit anderen Plattformen ermöglicht würden:
- Bei E-Mail-Plattformen ist dies selbstverständlich.
- Für Messenger-Dienste wie etwa Whatsapp wären hingegen weitreichendere Folgen verbunden, wenn deren geschlossenen Systeme für Nachrichten von Wettbewerberplattformen geöffnet werden müssten, um im deutschen Markt mit der Regulierung im Einklang zu sein.
Kaum Klärung im Gerichtsverfahren
Im laufenden Gerichtsverfahren geht es zunächst nur um die Frage, ob OTTs überhaupt als Telekommunikationsdienst unter den Anwendungsbereich des TKG fallen können. Sofern diese Frage zu bejahen sein sollte, wäre erst im nächsten Schritt zu fragen, welche sektorspezifischen Regulierungsvorgaben in welcher Ausprägung konkret auf OTTs anwendbar sein können, denn die vorstehend genannten sektorspezifischen Regelungen des TKG adressieren in erster Linie Anbieter, die über eigene Netzinfrastruktur verfügen.
Da sich das anhängige Gerichtsverfahren nur mit einem E-Mail-Dienst beschäftigt, wäre zudem zu klären, für welche Art von OTTs etwaige Verpflichtungen gelten würden. Denn die am Markt agierenden OTTs bieten nicht nur äußerst verschiedene Funktionalitäten (z.B. E-Mail, Messaging, VoIP, Datentransfer oder Video-Streaming), sondern sind auch in der technischen Umsetzung höchst unterschiedlich ausgestaltet (z.B. Peer-to-Peer vs. serverbasierte Steuerung oder verschlüsselte vs. unverschlüsselte Kommunikation; dazu ausführlich Kühling/Schall, CR 2015, 641 (642-644)).
Künftige Klärung durch EU-Gesetzgeber?
Der EU-Gesetzgeber führt derzeit im Rahmen der Strategie für den digitalen Binnenmarkt eine Überprüfung des Rechtsrahmens der telekommunikationsrechtlichen Regulierung durch.
Hierzu fand vom 11.9. bis zum 7.12.2015 eine Konsultation statt, in der u.a. die Frage aufgeworfen wurde, ob der Begriff der „elektronischen Kommunikationsdienste“ in Art. 2 lit. c) der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie), die dem deutschen TKG und dem darin enthaltenen Begriff des Diensteanbieters zugrunde liegt, noch den technischen Entwicklungen – gerade mit Blick auf OTT-Dienste –gerecht wird (siehe „Public consultation on the evaluation and the review of the regulatory framework for electronic communications networks and Services“).
Insofern steht die Überlegung im Raum, ob das derzeit für die Begründung der Diensteanbietereigenschaft geltende Erfordernis einer „Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze“ beibehalten wird. Eine Streichung dieses Kriteriums würde – unabhängig von dem laufenden Gerichtsverfahren beim BVerwG – eine Ausweitung der regulatorischen Vorgaben für OTTs bedeuten. Die Frage, welche konkreten Verpflichtungen hieraus letztlich für die jeweiligen Arten von OTTs erwachsen würden, würde dadurch umso dringlicher.
Die EU-Kommission wird die Ergebnisse der Konsultation in den nächsten Monaten veröffentlichen. Die Anpassung des Rechtsrahmens soll spätestens Ende 2016 abgeschlossen sein.