Die große Koalition hat bei ihrem „WLAN-Gesetz“ eine Kehrtwende vollzogen: Anbieter von WLAN-Hotspots werden nach dem jüngsten Gesetzesentwurf von einer Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen Dritter voraussetzungslos freigestellt.
Dies ist uneingeschränkt zu begrüßen. Vereinzelte Hinweise auf das fortbestehende Risiko von Unterlassungsansprüchen gehen an der Sache vorbei.
Ursprünglich: Haftungsbefreiung nur bei Passwortschutz + Nutzererklärung
Nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf sollten Anbieter von WLAN-Anschlüssen nur dann von Haftungssorgen frei sein, wenn sie den Anschluss durch ein Passwort schützen und zudem den Nutzer erklären lassen, dass er keine Rechtsverletzungen begehen wird.
Ein umständliches Verfahren, das die Ausbreitung des WLAN im öffentlichen Raum hierzulande deutlich behindert hätte. Warum der TMG-RefE v. 11.3.2015 die Verbreitung von WLANs nicht gefördert hätte, haben Mantz/Sassenberg in CR 2015, 298 ff. ausführlich dargelegt.
Während Städte wie New York auf dem Weg sind, flächendeckend kostenlose WLAN-Verbindungen im gesamten Stadtgebiet einzurichten, wäre dies in Berlin weiterhin ferne Zukunftsmusik geblieben.
Revidiertes Haftungsmodell: Gleichstellung von WLAN-Anbieter mit Access Provider
Der schwarz-rote Gesetzesentwurf stellt die Anbieter öffentlicher WLAN-Hotspots den Access Providern gleich. Dies ist eine sinnvolle gesetzliche Klarstellung, da es bislang keine BGH-Entscheidung zum gewerblich betriebenen WLAN gibt.
- Stand der BGH-Rechtsprechung
Für den privaten Haushalt verlangt der BGH schon lange ein Passwort, um eine Haftung des Anschlussinhabers auszuschließen. Ob dies auch bei gewerblichen Anschlüssen der Fall ist, ließ der BGH bislang stets offen.
- Unüberschaubare Haftungsrisiken
Dies führte bei Betreibern öffentlicher Einrichtungen, bei Inhabern von Hotels und Gaststätten und auch bei Städten und Gemeinden zu der Sorge vor unüberschaubaren Haftungsrisiken für den Fall, dass über ein WLAN Urheberrechtsverletzungen oder andere Rechtsverstöße begangen werden.
Ansatz der Kritik
In manchen Kommentaren zu dem jetzigen Stand des Gesetzesentwurfs wird bemängelt, dass eine Klarstellung zu Unterlassungsansprüchen fehle. Und in der Tat: Nach wie vor werden die Betreiber öffentlicher WLANs damit rechnen müssen, dass Rechteinhaber versuchen, ihnen per Abmahnung Kontrollpflichten abzuverlangen.
Leerlaufen der Kritik
Allerdings tut es gut, die Kirche an dieser Stelle einmal im Dorf zu lassen:
- Berechtigung zur Abmahnung:  Kein Gesetzgeber der Welt kann ein Unternehmen davor schützen, dass bei den Unternehmen Abmahnungen eingehen. Ein Großteil dieser Abmahnungen wird unberechtigt sein. Ein Gang zum Anwalt hilft.
- Keine Unterlassungsurteile gegen Access Provider:  Der schwarz-rote Gesetzesentwurf stellt gewerbliche WLAN-Betreiber den großen Access Providern wie der Deutschen Telekom gleich. Die Access Provider sehen sich seit 2004 dem Risiko von Unterlassungsansprüchen ausgesetzt. Und was könnte der Musikindustrie Besseres passieren als ein Urteil, das die Telekom zur Unterlassung der Verbreitung von Raubkopien verpflichtet? Nur gibt es ein solches Urteil trotz zahlreicher Angriffsversuche der Rechteindustrie bis zum heutigen Tag nicht. Die Anforderungen des BGH an einen Unterlassungsanspruch sind äußerst hoch, die Latte also kaum zu überspringen.
Grundlage für Möglichkeit von Unterlassungsansprüchen
Und selbst wenn der Gesetzgeber wollte: Unterlassungsansprüche lassen sich nicht mit einem genialen Federstrich ausschließen. Dass diese Unterlassungsansprüche gegen alle Provider – ob Google, eBay, Telekom, Forenbetreiber oder Anschlussinhaber – bestehen, schließt der BGH in ständiger Rechtsprechung seit dem Internet-Versteigerung I-Urteil (BGH, Urt. v. 11.3.2004 – I ZR 304/01, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann) aus dem Wortlaut des Gesetzes:
„Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt.“
(§ 7 Abs. 2 Satz 2 TMG; Hervorhebung hinzugefügt)
Europarechtliche Vorgabe
§ 7 Abs. 2 Satz 2 TMG ist die Umsetzung geltenden EU-Rechts (E-Commerce-Richtlinie). Der deutsche Gesetzgeber kann diese Vorschrift nicht ändern, ohne vertragsbrüchig zu werden.
Richtiger Adressat für Kritik:  EU-Gesetzgeber
Richtiger Adressat für die berechtigten Forderungen zu weiteren Einschränkungen der Störerhaftung ist somit Brüssel, nicht Berlin. In Brüssel jedoch werden zur Zeit erhebliche Verschärfungen der Haftung für Intermediäre diskutiert, weitere Haftungsbeschränkungen sind aus Brüssel nicht zu erwarten.