Die Thematik der Kostenlosigkeit von Aus- und Wiedereinbau im Rahmen der Nacherfüllung, hier „Lieferung einer mangelfreien Sache“, § 439 Abs. 1, 2. Alt., BGB, war dem EuGH vorgelegt worden. Dieser hatte mit Urt. v. 16.6.2011 entschieden, dass im Falle der Ersatzlieferung der Verkäufer verpflichtet ist, „entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsgut notwendig sind.“ Dies gehört zur Kostenlosigkeit der Nacherfüllung. Nun hat der BGH aufgrund dieser EuGH-Entscheidung seinerseits mit Urt. v. 21.12.2011 in der Angelegenheit „Bodenfliesen“ entschieden (BGH v. 21.12.2011 – VIII ZR 70/08). Danach ist § 439 Abs. 1, 2. Alt., BGB, dahingehend richtlinienkonform auszulegen, „dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante „Lieferung einer mangelfreien Sache“ auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache erfasst“ (LS 1) mit Hinzufügung „im Anschluss an EuGH …“.
In LS 2 wird festgestellt, dass das in § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB dem Verkäufer eingeräumte Recht, die einzig mögliche Form der Abhilfe wegen absolut unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, mit Art. 3 der Richtlinie nicht vereinbar ist. Es entsteht eine Regelungslücke. Diese ist nach Meinung des BGH „bis zu einer gesetzlichen Neuregelung durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB für alle Fälle des Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu schließen. Und wörtlich weiter: „Die Vorschrift ist beim Verbrauchsgüterkauf einschränkend dahingehend anzuwenden, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zurecht verweigert.“
Die Fragen, die sich hierbei u.a. auftun, sind: Greift die Entscheidung auch B2B? Bislang gibt es einen „Streit“ insoweit zwischen Stefan Lorenz (nur B2C) einerseits und Büdenbender/Binder, DB 2011, 1736 andererseits. Zu Lorenz s.a. NJW 2011, 2241.
Die Formulierung des BGH im Hinblick auf die kommende Regelung und die Lückenausfüllung bis dahin könnte so verstanden werden, dass die richtlinienkonforme Rechtsfortbildung nur B2C erforderlich ist und nur B2C greift.
Dagegen spricht die überschießende Umsetzung. Praktisch würde § 439 BGB zwei Mal zu regeln sein. Einmal B2B und einmal B2C. Dies hätte dann aber sinnvollerweise seinen Platz in Spezialvorschriften.
Die weitere Frage ist, ob mit einer ebenso klaren Regelung im Gesetz gerechnet werden kann oder ob die Lückenausfüllung zunächst einmal gemäß BGH geschieht und dann später mit einer evtl. noch anders lautenden Regelung gerechnet werden könnte. Wenn dies der Fall wäre, wäre eine erhebliche Unsicherheit gegeben, was die Abfassung von Verträgen derzeit betrifft. Dies gilt natürlich insbesondere für AGB.
Die Regelungen, die speziell den Fall des § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB betreffen, nehmen zwar nur meist einen geringen Anteil der AGB ein. Da sie aber im Kontext der Mängelregelung bzw. Mängelrechte des Kunden geregelt werden, könnte eine insoweit unwirksame Regelung die gesamte Klausel erfassen. Insofern ist also die Frage nach der zeitlichen Dimension der Wirkung nicht uninteressant.
Schließlich ist für den IT-Bereich festzustellen, dass schon aufgrund der EuGH-Entscheidung die Notwendigkeit gegeben war, dass ggf. der Lieferant dem Kunden den Aufwand ersetzt, den bei diesem etwa Berater erzeugen, wenn sie für den Kunden die Software ausbauen (zurücksetzen) und die neue Version wieder einbauen. Beides kann, nicht zuletzt im Hinblick auf die Kombination mit den Datenbeständen, einen erheblichen Aufwand auslösen. Die Frage ist, ob in Kombination mit der Frage nach B2B dieser Aufwand jeweils erstattungsfähig ist.