Das Landgericht Hamburg hat mit Beschluss v. 18.11.2016 – 310 O 402/16, CR 1/2017, 47 unter Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils EuGH v. 8.9.2016- Rs. C-160/15, CR 1/2017, 43
(dazu Hrube, CR 2016, R112), entschieden, dass bereits eine Verlinkung eines Werks eine rechtswidrige öffentliche Widergabe im Sinne des § 19a UrhG sein kann (sog. Linkhaftung, Reaktionen bereits bei CR-online News).
Dies steht (zumindest grundsätzlich) im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, wonach das Setzen eines Hyperlinks grundsätzlich ein gefahrerhöhendes Verhalten darstellt, woraus prinzipiell eine Prüfungspflicht des verlinkten Inhalts auf seine Rechtmäßigkeit folgen kann (BGH, Urt. v. 18.06.2015, Az. I ZR 74/14, Rn. 23).
Soweit der Verlinkende mit Gewinnerzielungsabsicht handelte, wird ihm zugemutet, sich durch Nachforschungen zu vergewissern, ob der verlinkte Inhalt rechtmäßig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde oder nicht. Der Umfang dieser Nachforschungspflicht ist noch nicht abschließend geklärt – das Risiko, dass die eigenen Nachforschungen von einem Gericht nicht für ausreichend erachtet werden, liegt naturgemäß beim Linksetzenden (siehe dazu näher die oben verlinkten Reaktionen auf den Beschluss des LG Hamburg.
Damit stellt sich die Frage, ob der Linksetzende dieses Risiko auf den Inhaber der Website verlagern kann, auf die verlinkt wird. Dies ist insbesondere dann von Relevanz, wenn es sich bei dem Inhaber der Seite auf eine staatliche Institution handelt, da in diesen Fällen eventuelle Ansprüche gegen einen solventen Schuldner durchgesetzt werden können.
In Betracht kommt entweder ein unmittelbarer Amtshaftungsanspruch bereits aufgrund öffentlicher Zugänglichmachung der Informationen im Internet oder ein Amtshaftungsanspruch nach Auskunft auf konkrete Anfrage eines Einzelnen.
Amtshaftungsanspruch bereits aufgrund öffentlicher Zugänglichmachung
Ein Amtshaftungsanspruch gemäß Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB könnte bereits aus der bloßen Veröffentlichung der Informationen im Internet folgen.
Voraussetzung eines solchen Amtshaftungsanspruchs ist die Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht. Grundsätzlich bestehen Amtspflichten zunächst nur im Interesse des Staates und der Allgemeinheit, die Drittbezogenheit ist also die Ausnahme.
Ein Drittbezug ist aber anzunehmen, wenn die jeweilige Amtspflicht gerade auch den Sinn hat, Interessen des Einzelnen zu schützen. Maßgeblich ist dafür insbesondere, ob ein erkennbar abgrenzbarer Kreis Dritter identifiziert werden kann, auf deren Interessen Rücksicht zu nehmen ist (zu alledem BGH, Urt. v. 8.11.2012, III ZR 151/12, BSE-Test, Rn. 14 f.).
Nach diesen Maßstäben dürfte bei der Mehrheit der von staatlichen Institutionen auf Internetseiten veröffentlichten Informationen von keiner solchen Drittbezogenheit auszugehen sein: Bereits technisch sind sie einem unbestimmten Adressatenkreis zugänglich. Auch inhaltlich richten sie sich regelmäßig an sämtliche interessierten Bürger und damit gerade nicht an einen abgrenzbaren Personenkreis.
Ein Amtshaftungsanspruch gegen einen staatlichen Webseitenbetreiber mit Anknüpfungspunkt der bloßen Zugänglichmachung dürfte damit nicht bestehen.
Amtshaftungsanspruch nach erteilter Auskunft
Einen zweiten Anküpfungspunkt stellt die Auskunft einer staatlichen Institution auf gezielte Nachfrage nach der Rechtmäßigkeit der von ihr veröffentlichten bzw. verlinkten Webinhalte dar. Dafür gibt es bereits einen ersten Präzedenzfall:
Nachfrage beim LG Hamburg
Der Justiziar von Heise Online, Jörg Heidrich, hat die Rechtsprechung des LG Hamburg zum Anlass genommen, bei der Verwaltung des LG Hamburg nachzufragen, ob sämtliche im Rahmen der Webpräsenz des LG Hamburg verwendeten urheberrechtlich geschützten Inhalte rechtmäßig verwendet werden, und dabei auch um „verbindliche“ Bestätigung gebeten. Der Wortlaut des Schreibens ist bei Heise Onlineabrufbar.
Auskunft des LG Hamburg
Die Verwaltung des LG Hamburg hat darauf geantwortet, dass das Landgericht von der Rechtmäßigkeit der Zugänglichmachung sämtlicher Inhalte ausgehe, sich aber nicht zu rechtsverbindlichen Erklärungen „veranlasst [sehe]“. Der Wortlaut der Antwort ist hier abrufbar.
Rechtliche Verbindlichkeit dieser Auskunft?
Entgegen des Wortlauts des Schreibens dürfte es sich dabei sehr wohl um eine rechtlich verbindliche Auskunft gehandelt haben:
Das LG Hamburg handelte insoweit als Behörde und ist damit an die verwaltungsrechtlichen Grundsätze gebunden. Allgemein anerkannt ist, dass die Verwaltung in bestimmten Konstellationen eine Amtspflicht zur richtigen und vollständigen Auskunftserteilung treffen kann. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob eine Pflicht zur Auskunftserteilung besteht – selbst wenn der Amtsträger nicht zur Erteilung der Auskunft verpflichtet ist, muss diese, soweit sie erfolgt, unmissverständlich, richtig, klar und vollständig sein (statt aller Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 GG, Rn. 171).
Da hier durch die E-Mail des LG Hamburg vom 12.12.16, 8:23, eine entsprechende Auskunft erteilt worden ist, dürfte die Amtspflicht aktiviert worden sein.
Diese Amtspflicht ist auch drittbezogen. Die Amtspflicht auf sachgerechte Auskunft besteht gegenüber jedem Dritten, in dessen Interesse oder auf dessen Antrag die Auskunft erteilt wird (BGH, Urt. v. 16.06.1991, III ZR 76/90, NJW 1991, 3027, 3027).
Der Heise-Verlag ist – als der um die Auskunft Ersuchende und der Adressat der Antwort – vom persönlichen Schutzbereich erfasst. Der sachliche Schutzbereich ist angesichts des von Ihnen dargelegten berechtigten Interesses durch Linksetzung auf die LG Hamburg-Seite im Rahmen der Presseberichterstattung ebenfalls für den Heise-Verlag eröffnet.
Sollte Heise Online also nun auf die Seite des LG Hamburg verlinken und dem Verlag dann beispielsweise durch eine Abmahnung ein Schaden entstehen, dürfte dieser über Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB gegenüber dem Land Hamburg geltend gemacht werden können.
Ausschluss der Verbindlichkeit durch Betonung der Unverbindlichkeit?
Damit bleibt die Frage, was aus der klauselartigen Feststellung in der E-Mail folgen soll, dass sich das LG Hamburg zu „rechtsverbindlichen Erklärungen“ nicht veranlasst fühle.
Für einen Ausschluss der Verbindlichkeit der Auskunft sind hohe Maßstäbe anzusetzen. Auch dieser nachgeschobene Satz ändert nichts daran, dass der Aufkunftserteilende bei der Auskunftserteilung staatliche Autorität in Anspruch nimmt. Auch ist zu berücksichtigen, dass – ließe man zu, dass sich der Staat derart einfach aus seiner Pflicht zur Auskunftserteilung entziehen kann – der Anspruch auf sachgerechte Auskunft zu einer leeren Hülle verkommen würde.
Damit reicht dieser Satz nicht aus, eine Haftung aus o.g. Amtspflicht auszuschließen.
Es wäre aber interessant, die Präsidentin des LG Hamburg zu fragen, ob diese Feststellung ihrer Ansicht nach Auswirkung auf die Amtspflicht haben sollte.
Anspruch auf Auskunft?
Von einem Amtshaftungsanspruch bei erteilter Auskunft ist daher auszugehen. Dies gilt nicht nur in obiger Konstellation, sondern allgemein bei entsprechenden Auskünften staatlicher Stellen über die Rechtmäßigkeit ihres Webseiteninhalts, da die Konstellation verallgemeinerungsfähig ist.
Da es sich bei den vorgenannten Grundsätzen letztlich lediglich um eine Anwendung des allgemeinen Amtshaftungsanspruchs des Art. 34 GG handelt, kann er auch gegen jegliche staatliche Institution genutzt werden, vorausgesetzt, es liegt eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit in diesem Sinne vor.
Dem könnte die staatliche Verwaltung aber recht einfach entgehen, indem sie auf entsprechende Anfragen in Zukunft gar nicht mehr antwortete. Daher stellt sich die Frage, ob ein Anspruch gegen jegliche staatliche Stellen auf Auskunftserteilung bezüglich der Rechtmäßigkeit der von ihnen betriebenen sowie der von ihnen verlinkten Internetseiten besteht und somit auch bei fehlender Auskunft ein Staatshaftungsanspruch geltend gemacht werden kann.
Entsprechende Rechtsprechung existiert – soweit erkennbar – bislang nicht.
Auch die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder helfen nicht weiter, da auf dieser Grundlage nur tatsächlich bei der jeweiligen Behörde vorhandene Informationen verlangt werden können (Überblick bei Sümmermann, in: Telemedicus v. 07.04.2015). Davon dürfte hinsichtlich der Einschätzung über die Rechtmäßigkeit der eigenen Webseiteninhalte regelmäßig nicht auszugehen sein.
Für einen ungeschrieben Auskunftsanspruch spricht aber, dass der Staat durch den Betrieb der Webseiten freiwillig Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Um diese Informationen in den öffentlichen Diskurs einzuführen, muss es dem Bürger ermöglicht werden, auf diese Informationen mittels Link zu referenzieren, ohne selbst die Frage der Rechtmäßigkeit der Informationen und damit Abmahngefahr eines solchen Linksetzens tiefgehend überprüfen zu müssen. Dies kann nur geschehen, wenn ihm ein Auskunftsanspruch gegen den Staat zur Klärung dieser Fragen zusteht und dieser bei falscher oder fehlender Beauskunft über den Amtshaftungsanspruch abgesichert wird.
Ein eventuell mit der Beantwortung derartiger Anfragen verbundener Aufwand kann dagegen nicht gegen den Amtshaftungsanspruch ins Feld geführt werden. Es handelt sich bei dieser Konstellation um eine machtasymetrische Situation, dem Bürger kann die Prüfung der staatlichen Webseiten auf ihre Rechtmäßigkeit noch weniger zugemutet werden.
Auch ist ein solcher Auskunftsanspruch drittschützend (s.o.), da sich der Dritte durch die Anfrage bei der staatlichen Stelle zu erkennen gibt und so individualisiert wird.
Auch von einem solchen Auskunftsanspruch gegen staatliche Institutionen ist daher auszugehen.