Es ist absehbar, dass der EuGH anhand des umstrittenen Fahrtenvermittlungsmodells der Firma UBER in dem Vorlageverfahren eines spanischen Gerichts (C 434/15) demnächst wegweisend klarstellt, wo bei hybriden Internetdiensten die Grenzlinie zwischen analog erbrachten Dienstleistungen und solchen der digitalen Welt verläuft.
Gretchenfrage: Dienst der Informationsgesellschaft?
Die Gerichte der Mitgliedsstaaten haben bislang versucht, ihr Taxigewerbe auf unterschiedliche Art gegen Konkurrenz „privater“ Fahrer zu schützen, die unter umstrittenen Arbeitsbedingungen von UBER vermittelte Fahrten durchführten (dazu ausführlich Lloyd, „Uber Drivers in London: “To Be Or Not To Be“ An Employee?“, CRi 2016, 161-165). Die Zulässigkeit der Reglementierung der Modalitäten des Betriebs von UBER nach nationalem Recht hat jedoch eine europarechtliche Dimension, in erster Linie die Dienstleistungsfreiheit, für  „Dienste der Informationsgesellschaft“ definiert in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG(2) und Art. 2 Buchst. a und h der Richtlinie 2000/31/EG(3) (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr).  Ähnliches gilt umgekehrt nach Art. 58 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123 hinsichtlich der Frage, ob der angebotene Dienst eine „Verkehrsdienstleistung“ im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.
Der koordinierte Bereich – und damit der Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips – erstreckt sich gemäß Art. 2 lit. h) ii) der Richtlinie  2000/31/EG nicht auf Anforderungen an Leistungen, die nicht online erbracht werden, insbesondere also auf Anforderungen betreffend die Ware als solche (vgl. Müller-Broich, TMG, § 3, Rn 5; Martiny in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 3 TMG, Rn 10, sowie Erwägungsgrund 18 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr).
Die Gretchenfrage ist also, ob man UBER als überwiegende Internet-Dienstleistung einordnet oder den Schwerpunkt der Vertragserfüllung in den durchgeführten Fahrten sieht. Im koordinierten Bereich hätten die Mitgliedsstaaten Pech gehabt, im ungünstigsten Fall wären ihre Vorschriften zur Reglementierung des nationalen Taxigewerbes europarechtswidrig. Der Personennahverkehr  bzw. Verkehrsdienstleistungen hingegen unterliegen der geteilten Zuständigkeit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, die bis zu einer unionsregierten Regelung – welche es bisher nicht gibt – ihre eigenen Vorschriften erlassen können.
Ansatz von Generalanwalt Szpunar
Nach Auffassung des Generalanwalts, der detailiert auf das Geschäftsmodell und die zum Einsatz kommende Software (App) eingeht, ist UBER kein bloßer Vermittler zwischen Fahrgästen und Fahrern, sondern organisiert und betreibt ein umfassendes System des Personennahverkehrs auf Abruf. Deshalb sei UBER nicht nur für die  Vermittlung der Fahrten, sondern auch für die Tätigkeit der Fahrer verantwortlich. Maßgebliches Kriterium sei, dass UBER eine Kontrolle über die wesentlichen Modalitäten der erbrachten Beförderungsleistungen, insbesondere über den Preis dieser Leistungen, ausübe (dazu „Schlussantrag des Generalanwalts: Elektronische Plattform Uber ist dem Verkehrssektor zuzuordnen – Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs gilt nicht„, CRonline News v. 11.5.2017)
Differenzierung nach Leistungsschwerpunkt
Man wird deshalb bei Geschäftsmodellen, deren Kernleistung wie beispielsweise die Lieferung von Waren  oder  die Erbringung von Dienstleistungen in der analogen Welt liegt und für die ein Internet-Unternehmer ungefragt eine digitale Dienstleistung „anflanscht“ , stets untersuchen müssen, ob der digitale Teil allein „überlebensfähig“ ist, oder ob er technisch bzw. organisatorisch die Preis- und Konditionenhoheit über den analogen Teil ausübt. In letzterem Fall bildet der analoge Teil die Schwerpunktleistung und „infiziert“ dadurch den digitalen Teil.
Klarere Kriterien für Ausgetaltung
Die zu erwartende Entscheidung des EuGH wird auch insoweit nützlich sein, als die technischen Anforderungen an die Entwicklung legaler Geschäftsmodelle besser einschätzbar sein werden. Ein gutes Beispiel zur Abgrenzung ist der Betrieb eines Reisevermittlungsportals, über welches Flugreisen vermittelt werden, solange der Betreiber nicht etwa an der Erbringung der Beförderungsleistung beteiligt ist oder Druck auf die Piloten ausübt. Ebenso wertvoll könnte die Entscheidung für die Beurteilung werden, bis zu welcher Grenze sog. CarSharing-Modelle zulässig sind.
Hier muss man für das Berliner Kammergericht (KG), welches einen vergleichbaren Fall mitsamt seines wettbewerbs- und verfassungsrechtlichen Unterbaus in Bezug auf das PBefG  unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben schon einmal mit gleichem Ergebnis untersucht hat (KG, Urt. v.  11.12.15 Az. 5 U 31/15, CR 2016, 615), eine Lanze brechen:
Taxi oder Mietwagen?
Ganz wesentlich für die Beurteilung zunächst nach deutschem Recht ist die etwas „hölzerne“, jedoch historisch bedingte Unterscheidung zwischen Taxi- und Mietwagengewerbe:
- Taxi:
Vereinfacht gesagt dürfen nur lizenzierte Taxis bzw. deren Fahrer in eigener Entscheidung Fahrgäste „on the fly“ aufnehmen.
- Mietwagen:
Mit Mietwagen dürfen gemäß § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die zuvor am Betriebssitz des Unternehmers eingegangen sind. Hierfür –  genau dies ist aber die Funktionalität der UBER-App – reicht es nicht aus, wenn der Unternehmer neben dem Fahrer auch eine Nachricht erhält, sondern der Unternehmer muss vorab entscheiden können, ob er die Fahrt an den Fahrer weiterreicht (zum personenbeförderungsrechtlichen Hintergrund vgl. (KG, Urt. v.  11.12.15 Az. 5 U 31/15, CR 2016, 615 (616) Rz 56). Die automatisierte Umleitung oder Weiterleitung eines an den Mietwagenunternehmer gerichteten Telefonanrufs auf den auf einer Fahrt befindlichen Fahrer wurde dementsprechend von der deutschen Literatur und Rechtsprechung  schon bisher weit überwiegend als unzulässig angesehen (vgl. KG, Urt. v.  11.12.15 Az. 5 U 31/15, CR 2016, 615 (616) Rz 57).
Europarechtliche Vorgaben
In den Rz. 97, 128 ff.  liefert das KG kurz und bündig eine Zusammenfassung der unionsrechtlichen Vorgaben unter Berufung auf § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG, der im deutschen Recht dem Art. 3 Abs. 2  der Richtlinie 2000/31 entspricht (KG, Urt. v.  11.12.15 Az. 5 U 31/15, CR 2016, 615 (617) Rz 97, 128 ff.).
Die Zusammenfassung des KG deckt sich im wesentlichen mit den Ausführungen des Generalanwalts. Zuletzt liefert die Entscheidung eindrucksvoll auch alle Antworten auf die sich anschließenden Fragen nach nationalem Wettbewerbsrecht, vor allem die Haftungszurechnung gegenüber der im EU-Ausland ansässigen UBER-Gesellschaft.
Rechtssicherheit für hybride Internet-Dienste
Da das spanische Ausgangsverfahren ähnlich liegt, ist es absehbar, dass bei einer Entscheidung des EuGH entlang der Auffassung des Generalanwalts demnächst europaweit eine rechtssichere Einordnung hybrider Internet-Dienste möglich ist.