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Immersiver Journalismus – Virtual Reality als Herausforderung für das Medienrecht

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Am 5. April 2018 ist der Film „Ready Player One“ von Steven Spielberg in den Kinos angelaufen und zeigt die gesamte Wirkungsmacht der Virtual Reality-Technik. Im Film wird der journalistische Einsatz von Virtual Reality (VR) zwar nicht thematisiert. Der journalistische Einsatz von VR lässt die Nutzer aber ebensowenig unberührt wie die VR-Nutzer im Film und führt zu besonderen medienrechtlichen Herausforderungen. Während hier das Phänomen und die neuartige Suggestivkraft von Journalismus in der virtuellen Realität aufgezeigt wird, erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Regelungsbedarf dieser Suggestivkraft und den potentiellen Adressaten neuer Regulierungen gesondert.

Das Phänomen

Virtual Reality und Augmented Reality gelten als „das nächste große Ding“ der Mensch-Maschine-Interaktion (für einen 360°-Blick auf alte Rechtsfragen in neuem Gewand siehe Hilgert, Augmented Reality, CR 2017, 472). Die Entwicklung von Google Glass und der Erwerb von Oculus Rift durch Facebook markieren das Interesse der großen Technologiefirmen an dieser Technik.

  • Journalistischer Einsatz von VR:
    Während in der öffentlichen Wahrnehmung etwa von „Pokémon Go“ die spielerischen Elemente im Vordergrund stehen (dazu Hilgert, „Pokemon Go und das ‚digitale Hausrecht‘“, CRonline Blog v. 28.8.2016), gibt es absehbar auch immer mehr journalistische Anwendungen. So war es etwa das Ziel von „Project Syria“, die grausame Lebenswirklichkeit im Bürgerkrieg möglichst eindringlich wiederzugeben. Auch bauen Videoplattformen wie Youtube, Zeitungen wie die Süddeutsche Zeitung, Fernsehsender wie Euronews und die öffentlichrechtlichen Mediatheken systematisch Bestände von 360°-Filmen auf.
  • Mediale Wirkungsmacht von VR:
    Bei der Nutzung immersiver Medieninhalte tauchen Nutzer in eine Welt ein, in der die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen. Der Tauchgang der Rezipienten erfolgt mittels „Head-Mounted Displays“ (Virtual Reality-Brillen, Augmented Reality-Brillen) und vergleichbarer Geräte, bislang noch nicht mit Haut und Haar, wohl aber mit den Augen und auch den Ohren (Spatial Audio). Vor allem die verringerte und teilweise im Bewusstsein überspielte Distanz von Betrachten und Erleben wirft dabei Probleme und Fragen auf, insb. bei journalistischen Inhalten. Hier ist man an den rundfunkrechtlichen Topos von der „besonderen Suggestivkraft“, die herkömmlich dem linearen Rundfunk zugeschrieben wird, erinnert. Jedenfalls ist die mangelnde Distanz zwischen Rezipient und Inhalt besonders im journalistischen Kontext kritisch.

Immersive Medien als neues Medium

Mit dem Begriff der „Neuen Medien“ sind die multimedialen Inhalte im Internet bezeichnet worden, die rechtstechnisch (größtenteils) unter „Telemedien“ subsumiert werden. Der Begriff der „Neuen Medien“ verdeckt, dass es nach diesen freilich noch neuere geben kann. Und tatsächlich ist die Mediengeschichte geradezu dadurch gekennzeichnet, dass die jeweils nächste Entwicklungsstufe durch das Aufkommen neuer Medientechniken – oft als „Medienrevolution“ bezeichnet – erreicht wurde; so waren die ersten Kinobilder, die Stimme des „Führers“ aus dem Volksempfänger zu ihrer jeweiligen Zeit genauso „neu“ wie Farbfernsehen, Egoshooter und nun eben VR-Brillen.

  • Individualisierte Medienerfahrung:
    Nicht die Neuheit der VR als solche unterscheidet immersive Medien, sondern dass Nachrichten und andere Medieninhalte durch das Head Up-Display und Spatial Audio unmittelbar an den Nutzer heranrücken. Dadurch wird der Rezipient in der Mediennutzung isoliert, ein „gemeinsames mediales Lagerfeuer im digitalen Dorf“ (um es mit Marshall McLuhan zu sagen) gibt es nicht mehr. Mit dem technischen Wandel verändert sich auch die Rolle von Journalisten als Gatekeeper und Gatewatcher, weil die allgemeine (Medien‑)Öffentlichkeit sich immer mehr in Öffentlichkeiten und das individuelle Erleben und Erfahren aufsplittert.
  • Jenseits bisheriger Medienkategorien:
    Nun sind Juristen als „Nachhut des Fortschritts“ stets bemüht, überkommene und bewährte Regelungskonzepte auf neue Phänomene und Entwicklungen zu übertragen. Dies geschieht nicht aus Faulheit oder Phantasielosigkeit, sondern weil für bewährte Konzepte eine Gerechtigkeits- und Billigkeitsvermutung streitet. – Allerdings ist ein Allgemeiner Teil des Medienrechts nicht sehr stark entwickelt, weil das deutsche Medienrecht durch eine sektorielle Betrachtung und v.a. durch die im Rundfunkbereich strukturprägende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts („dienende Rundfunkfreiheit“) gekennzeichnet ist. Hierfür wird als Topos und Argument die „besondere Suggestivkraft“ des Bewegtbildes angeführt. Nun kann heute die Suggestivkraft linearer zweidimensionaler Bilder und erst recht des Hörfunks als solche sicherlich bezweifelt werden. Als rechtliches Argument für eine besondere und spezifische Regelungsbedürftigkeit allerdings ist die „besondere Suggestivkraft“ nach wie vor plausibel – vor allem bei immersiven Medien.

Fazit: Regelungsbedürftige Suggestivkraft

Teilweise wird man aktuelle Ausprägungen von VR-Journalismus noch in die Kategorien der gegebenen Medienordnung einordnen können. So werden entlang eines Sendeplans ausgestrahlte 360°‑Videos nach Maßgabe des RStV als Rundfunk einzuordnen sein. Bei virtuellen Welten, in denen sich der Nutzer mehr oder minder frei bewegen und mit denen er interagieren kann, wird es an einer solchen Linearität indes fehlen. Ob auch dann die Kategorie der Telemedien passend ist, wäre erst noch zu überlegen.

Hinweis: Am 1./2.3.2018 fand an der Universität Passau die Tagung „Immersiver Journalismus – Technik, Wirkung, Regulierung“ statt.

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