Sind eigentlich Klingelschilder an einem Hauseingang personenbezogene Daten, auf die die DSGVO Anwendung findet (vgl. „Keine Namen auf Klingelschilder dank DSGVO“, Deutschlandfunk Nova v. 15.10.2018)? Muss ich die DSGVO beachten, wenn ich als Gastronom meine Mitarbeiter dazu anhalte, ein Namensschild zu tragen? Gilt die DSGVO auch für Papierakten? Auf all diese Fragen findet man in der DSGVO keine einfachen Antworten.
DSGVO gilt nicht nur für digitale Daten
Eines ist zunächst einmal sicher: Die DSGVO gilt nicht nur für die „automatisierte“ elektronische Datenverarbeitung. Vielmehr kann die DSGVO auch für Papierakten gelten bzw. – so Art. 2 Abs. 1 DSGVO –
„für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen“
Außerhalb der elektronischen Datenverarbeitung gilt die DSGVO somit nur dann, wenn es ein Dateisystem gibt, in dem eine Speicherung der Daten erfolgt.
Was unter einem „Dateisystem“ zu verstehen ist, erklärt Art. 4 Nr. 6 DSGVO:
„jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird“.
Personenbezogene Daten auf Papier oder auch auf einem Schild sind somit nur dann ein Fall für die DSGVO, wenn sie
- Teil einer „strukturierten Sammlung“ sind und
- die Daten „nach bestimmten Kriterien zugänglich sind“.
Was heißt dies nun?
Erstens: Daten auf einem Schmierzettel unterfallen nie der DSGVO, mögen diese Daten auch noch so sensibel sein. Denn auf diesem Zettel mögen sich zwar Personendaten befinden, die „gesammelt“ wurden. Es fehlt jedoch an einer „Struktur“.
Eine „Struktur“ entsteht noch nicht durch das Abheften von Schriftstücken in einem Aktenordner. Daher ist das Datenschutzrecht auch nicht auf jede Papierakte anwendbar. Die erforderliche „Struktur“ lässt sich nur dann bejahen, wenn die Schriftstücke, die sich in der Akte befinden, nach einem bestimmten Schema oder System abgeheftet sind. Dasselbe gilt, wenn die Akte Bestandteil einer Aktensammlung ist und die Akten insgesamt einem bestimmten System folgen, wie dies etwa bei Anwaltsakten der Fall ist.
Zweitens: Nicht für jede „strukturierte Sammlung“ gilt die DSGVO. Vielmehr müssen personenbezogene Daten „nach bestimmten Kriterien zugänglich sein“. Um dieses Tatbestandsmerkmal zu verstehen, ist es notwendig, die Entstehungsgeschichte und Schutzzwecke des Datenschutzrechts zu berücksichtigen. Dem Datenschutzrecht geht es nicht pauschal um den Schutz jedweder Personendaten vor unbefugter Kenntnisnahme. Vielmehr geht es um den Schutz vor den Gefahren einer vereinfachten Datenauswertung. Eine vereinfachte Datenauswertung wird durch die elektronische Datenverarbeitung ermöglicht, aber auch durch eine Datensammlung auf Papier, wenn diese Sammlung so geführt wird, dass sich größere Datenbestände nach bestimmten Kriterien durchsuchen lassen.
Wann lässt sich sagen, dass Daten aus einer „nicht-automatisierten“ Datensammlung „nach bestimmten Kriterien zugänglich sind“?
Dies war bereit nach altem (im Wesentlichen unveränderten!) Recht nicht immer einfach zu beantworten (vgl. nur Dammann in Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 3, Rdnr. 85 ff.). Man wird darauf abstellen müssen, ob Datenbestände so aufbereitet sind, dass sie auf vereinfachte Weise nach Merkmalen bzw. Kategorien durchsucht werden können. Für Aktenbestände bedeutet dies beispielsweise, dass die DSGVO gilt, wenn jede Akte ein Deckblatt hat mit Personendaten („Personalakte des Mitarbeiters XYZ“; „Anwaltsakte zu dem Fall XY ./. YZ“; „Versicherungsakte des Versicherten NN“). Fehlt es an einem solchen Deckblatt und bietet die – etwa nur nach Zeitabschnitten „strukturierte“ – Akte auch sonst keinen Anknüpfungspunkt für eine erleichterte Erschließung von Personenakten, so ist die DSGVO nicht anwendbar.
Keine Anwendung findet die DSGVO daher beispielsweise auch auf eine einfache, handschriftliche Liste der Teilnehmer einer Veranstaltung (so auch Dammann, a.a.O, Rdnr. 99). Die Namen mögen zwar übersichtlich aus der Liste hervorgehen, es fehlt jedoch an einer über eine „Struktur“ hinausgehenden „Zugänglichkeit“.
Keine Anwendung findet die DSGVO zudem auf Namensschilder der Teilnehmer einer Veranstaltung. Hier ist bereits die „Struktur“ fraglich. Es fehlt jedenfalls aber an einer vereinfachten „Zugänglichkeit“. Aber: Der Gastronom, der von seinen Mitarbeitern Namensschilder verlangt, kommt in Deutschland dennoch nicht an dem Datenschutzrecht vorbei, da § 26 Abs. 7 BDSG vorsieht, dass § 26 Abs. 1 bis 6 BDSG auch dann zu beachten ist, wenn es an einem „Dateisystem“ fehlt.
Was heißt dies für die Klingelschilder am Hauseingang?
Die DSGVO findet auf die Klingelschilder Anwendung, wenn sie auf einem Monitor sichtbar sind. In einem solchen Fall sind sie Bestandteil einer elektronischen Datenverarbeitung, sodass sich Fragen nach einer „Struktur“ und einer „Zugänglichkeit“ gar nicht erst stellen.
Das Haus, in dem ich wohne, ist „old school“, was die Klingelschilder angeht. Sie sind in Messing geprägt und so angeordnet, dass man nicht erkennen kann, wer in welchem Stockwerk wohnt. Es fehlt somit an jeder „Struktur“. Datenschutzrechtliche Fragen stellen sich nicht. Das Datenschutzrecht bleibt vor der Tür.
Wenn die Klingelschilder so angeordnet sind, dass sich das jeweilige Stockwerk des Bewohners erkennen lässt, fehlt es zwar nicht an einer „Struktur“. Wohl aber stellt sich die Frage einer weitergehenden „Zugänglichkeit“. Diese „Zugänglichkeit“ kann sich nicht bereits aus den Stockwerksangaben ergeben, da „Struktur“ und „Zugänglichkeit“ zwei getrennte Tatbestandsmerkmale des Art. 4 Nr. 6 DSGVO sind, die kumulativ vorliegen müssen. Eine Datenauswertung, die über die Informationen hinausgeht, die sich aus den Klingelschildern selbst ergeben, wird durch die Beschilderung nicht ermöglicht. Auch hier fehlt es demnach an einem „Dateisystem“, das die Anforderungen des Art. 4 Nr. 6 DSGVO erfüllt. Das Datenschutzrecht bleicht auch hier außen vor.
Mietrecht und WEG-Recht nicht vergessen
Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer oder eine Mieterin eine anonyme Beschilderung verlangen kann, ist damit noch nicht gesagt. Fragen Sie bitte eine Miet- oder Wohnungseigentumsrechtlerin Ihres Vertrauens.