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Kein Unterlassungsanspruch: Warum § 1004 BGB auf Datenschutzverstöße nicht anwendbar ist

avatar  Niko Härting

Die DSGVO sieht in den Art. 12 ff. zwar vielerlei Rechte des Betroffenen vor, nicht jedoch einen Unterlassungsanspruch. Und es ist keineswegs selbstverständlich, dass sich diese Lücke schließen lässt, indem man § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB anwendet. Es spricht vieles dafür, dass der Betroffene gegen eine rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten nicht mit einem Unterlassungsanspruch vorgehen kann.

1004 BGB: Beseitigung und Unterlassen

Wir haben es alle einst im Studium gelernt: § 1004 Abs. 1 BGB schützt das Eigentum gegen Störungen und besteht aus zwei Anspruchsgrundlagen – dem Beseitigungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB) und dem Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB). Seit jeher wird § 1004 Abs. 1 BGB zudem analog angewendet bei „Positionen, die mit dem Schutz des Eigentums wenig oder nichts zu tun haben“ (Baldus in Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1004, Rdnr. 19). Und daher besteht auch seit Jahrzehnten Einigkeit in Rechtsprechung und Schrifttum, dass § 1004 Abs. 1 BGB analog anzuwenden ist bei Störungen des Persönlichkeitsrechts.

Datenschutz und Persönlichkeitsschutz überschneiden sich

Nun gibt es aber zwischen dem Schutz des Persönlichkeitsrechts und dem Schutz personenbezogener Daten mannigfaltige Überschneidungen:

  • Wenn ein Unternehmen Daten über seine Kunden sammelt und auswertet, gelten die Vorschriften über den Datenschutz. Zugleich aber kann man die Sammlung der Daten und deren Auswertung als Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ansehen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG und § 823 BGB). Der Eingriff in die Datenschutzrechte und der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist deckungsgleich.
  • Es gibt auch Fälle, in denen der Persönlichkeitsschutz Eingriffe erfasst, die im Datenschutzrecht nicht abgebildet sind. Wenn beispielsweise Renate Künast gegen einen Beleidiger vorgeht, wehrt sie sich nicht gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten. Vielmehr geht es ihr um die Ehre – ein Gesichtspunkt, der über den bloßen Datenschutz hinausgeht.

Wie genau sich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zu dem Schutz personenbezogener Daten durch die DSGVO verhält, ist bislang unklar. Dies liegt nicht zuletzt an dem verworrenen Bild, das die Schutzzwecke der DSGVO bieten. Die Diskussion steht erst am Anfang. Intensiv geführt wurde die Debatte in Deutschland bislang lediglich im Zusammenhang mit Fotos. Das Verhältnis zwischen dem Recht am eigenen Bild nach den §§ 22 und 23 KUG und dem Datenschutz nach der DSGVO unterscheidet sich jedoch nicht von dem Verhältnis zwischen DSGVO und Persönlichkeitsschutz im Allgemeinen.

Art. 17 DSGVO: Löschung heißt „Beseitigung der Störung“

Nun zurück zu den Betroffenenrechten: Möchte ein Bürger dagegen vorgehen, dass ein Unternehmen unter Verstoß gegen die DSGVO personenbezogene Daten verarbeitet, kann er von dem Unternehmen als „Störer“ die Löschung der Daten verlangen. Der Anspruch auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO entspricht somit dem Beseitigungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Einen Anspruch auf „Unterlassung der Störung“ kennt die DSGVO nicht

Einen Unterlassungsanspruch, der § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB entspricht, sucht man dagegen in der DSGVO vergeblich. Geradezu reflexartig neigen wir dazu, diese Lücke schnell und einfach durch eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu schließen. Doch ganz so einfach ist dies keineswegs. Denn aus Sicht der DSGVO ist der Unterlassungsanspruch ein Betroffenenrecht, das die DSGVO – anders als den Beseitigungs-/Löschungsanspruch – nicht vorsieht. Und es fehlt auch an einer Öffnungsklausel in der DSGVO, die eine Erweiterung der Betroffenenrechte durch den nationalen Gesetzgeber (oder gar Rechtsanwender) erlauben würde. In Fällen, in denen der Verstoß gegen Datenschutzrechte deckungsgleich ist mit dem Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, spricht daher alles gegen einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB.

Der Betroffene wird nicht rechtlos gestellt

Der Betroffene wird durch den fehlenden Unterlassungsanspruch keineswegs rechtlos gestellt. Denn er kann sich per Beschwerde an die Aufsichtsbehörden wenden. Die Aufsichtsbehörden haben im Rahmen ihrer Befugnisse aus Art. 58 DSGVO jederzeit die Möglichkeit, eine rechtswidrige Datenverarbeitung zu unterbinden.

Und es bleibt beim Persönlichkeitsschutz auch durchaus etwas übrig von der Analogie zu § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Gegen Verleumder, denen es weniger um personenbezogene Daten als um einen Angriff auf die Ehre geht, kann man beispielsweise nach wie vor per Unterlassungsklage vorgehen.

(Auch diesen Beitrag habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Lasse Konrad verfasst: https://www.haerting.de/team/lasse-konrad.)

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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