Das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 16.2.2021 – I-20 W 11/21, CR 2021, 200) ist der Entscheidung des LG Düsseldorf (Beschl. v. 15.1.2021 – 38 O 3/21, CR 2021, 201), welches den fliegenden Gerichtsstand für im Internet begangene Wettbewerbsverstöße weiterhin angenommen hat, entschieden entgegengetreten und stellt in seinem jüngsten Beschluss die vom Gesetzgeber intendierte Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes für im Internet begangenen Wettbewerbsverstöße wieder her.
Der nachfolgende Beitrag entstand gemeinsam mit Dr. Steffen Wettig. Ausführlich zu diesen beiden Entscheidungen:
Wettig/Kiparski, „Wiederaufleben des fliegenden Gerichtsstandes contra legem!?“, CR 2021, 177-182
Dr. Steffen Wettig betreut das Verfahren vor dem LG Düsseldorf und dem OLG Düsseldorf inhouse für die Antragsgegnerin.
Dr. Gerd Kiparski, MBA ist Head of Legal der Antragsgegnerin.
Ansatz des LG Düsseldorf
Örtliche Zuständigkeit: Das LG Düsseldorf hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren bei dem Wettbewerbsverstöße in einer Fernsehwerbung, auf einer Webseite, in einem YouTube-Video und in einer Printanzeige gegenständlich waren, seine örtliche Zuständigkeit hinsichtlich sämtlicher Medien angenommen, obwohl die Antragsgegnerin ihren Sitz nicht im Gerichtsbezirk des LG Düsseldorf hat. Damit sah das LG Düsseldorf seine örtliche Zuständigkeit auch für unlauteres Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien begründet.
Begründung: Angenommen hat das LG Düsseldorf seine örtliche Zuständigkeit mit der Begründung, dass der Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht jedes unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfasse. Nach Sinn und Zweck soll sich der Ausschluss des fliegenden Gerichtsstandes nur auf solche unlauteren Handlungen beschränken, die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen.
Folge: Mit seiner Entscheidung hat das LG Düsseldorf dem fliegenden Gerichtsstand für kurze Zeit wieder zum Leben erweckt. Entsprechend viel Widerhall hat die Entscheidung bereits in sozialen Medien und in Fachveröffentlichungen gefunden.
OLG Düsseldorf beendet Wiederbelebungsversuche
Das OLG Düsseldorf ist nun in der sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin dem Ansinnen des LG Düsseldorf entschieden entgegengetreten:
Richtiges Rechtsmittel: Die Antragsgegnerin des Verfügungsverfahrens hatte gegen die Entscheidung des LG Düsseldorf sofortige Beschwerde eingelegt und darin die örtliche Unzuständigkeit des LG Düsseldorf für die im Internet und auf YouTube begangenen Wettbewerbsverstöße gerügt. Die sofortige Beschwerde hat das OLG Düsseldorf nun als unstatthaft zurückgewiesen. Die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde ergebe sich nicht aus § 17a Abs. 4 S. 2 GVG, da diese Norm nicht für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit gelte. Werde von einem Gericht in einem einstweiligen Verfügungsverfahren in der Beschlussverfügung die örtliche Zuständigkeit angenommen, könne der Antragsgegner dies nur im Wege des Widerspruchs nach § 924 ZPO angreifen.
Obiter Dictum zur örtlichen Zuständigkeit: Gleichwohl macht das OLG Düsseldorf umfangreiche Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit und weist mit deutlichen Argumenten die Ansicht des LG Düsseldorf zurück:
Notwendigkeit mündlicher Verhandlung: Zuerst hätte das LG Düsseldorf die einstweilige Verfügung nicht ohne mündliche Verhandlung erlassen dürfen. Der Antrag der Antragstellerin enthielt umfangreiche Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit des LG Düsseldorf, die die Abmahnung nicht enthielt. Aufgrund dessen ging nach Ansicht des OLG Düsseldorf der Antrag über die Abmahnung hinaus. In diesem Falle gebiete es die Rechtsprechung des BVerfG (1 BvR 2861/20), eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Kein fliegender Gerichtsstand: Zudem sieht das OLG Düsseldorf die Einschränkungen, die das LG in Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gemacht hat, weder vom Wortlaut der Norm, noch vom Sinn und Zweck, noch von der Gesetzessystematik und auch nicht von der Gesetzgebungshistorie gedeckt.
- Normwortlaut:
Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG stütze die vom LG Düsseldorf gemachte Einschränkung der Regelung auf solche lauterkeitsrechtlichen Verstöße, die nur im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangen werden können, nicht. - Sinn und Zweck:
Hintergrund der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes in § 14 UWG waren nach Ansicht des OLG Düsseldorf vom Gesetzgeber angenommene Unzuträglichkeiten der bisherigen Regelung. Diese ergeben sich vor allem bei der Verfolgung lauterkeitsrechtlicher Verstöße im Internet (BT-Drs. 19/12084, S. 35). Eine Einschränkung auf bestimmte im Internet begangene Verstöße ergebe sich aus der Intention des Gesetzgebers bei der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes hingegen nicht. - Systematik:
Auch zeigt der Vergleich mit der engeren Formulierung in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG, die im Normwortlaut eine Einschränkung auf „gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“ vorsehe, nach Ansicht des OLG Düsseldorf, dass der Gesetzgeber bei § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG eben keine solche Einschränkung gewollt habe. Zudem führe der Gesetzgeber selbst aus (BT-Drs. 19/12084, S. 32), dass es sich bei § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG nicht um spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln müsse, sondern es ausreichend sei, dass diese Verstöße in diesem Bereich auftreten. Bei § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG sei es gerade nicht erforderlich, dass diese Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten nur im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangen werden können.
=> Argumentationsfehler: Eine ausdrückliche Beschränkung, die der Gesetzgeber in den Wortlaut einer Norm aufgenommen habe, lasse sich aber nicht auf eine andere Norm auch noch in strengerer Weise übertragen, wenn diese andere Norm eine derartige Einschränkung nicht einmal im Ansatz im Wortlaut enthalte. - Gesetzgebungshistorie:
Eine teleologische Reduktion von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG verbiete sich überdies schon deshalb, weil der Gesetzgeber mögliche Einschränkungen des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vor Augen hatte, diese aber nicht in der Norm umgesetzt hat.
Trotz Stellungnahmen: So hatte im Gesetzgebungsprozess die GRUR Einschränkungen bei der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes gefordert (GRUR 2019, 59). Auch im Rahmen der Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages seien Vorschläge in Richtung einer Einschränkung der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes gekommen.
Keine Einschränkung: Dennoch habe der Gesetzgeber in Kenntnis dieser geforderten Einschränkungen in den Normwortlaut keinerlei Einschränkung aufgenommen. Hieraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass vom Gesetzgeber eine Einschränkung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht gewollt sei.
Maßgebliche ZPO-Vorgabe: Auch ergebe sich für das LG Düsseldorf keine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. Vielmehr bleibe es nach Ansicht des OLG Düsseldorf bei der Regelung des § 260 ZPO, wonach nur dann mehrere Ansprüche bei demselben Gericht zusammen anhängig gemacht werden können, wenn dieses Gericht für sämtliche Ansprüche zuständig sei. Zudem fehle es an der Notwendigkeit eines Gerichtsstandes Kraft Sachzusammenhangs, da alle Anträge am allgemeinen Gerichtsstand des Sitzes des Unternehmens gelten gemacht werden könnten.
Was bleibt?
Für den fliegenden Gerichtsstand: Mit diesem deutlichen Hinweis des OLG Düsseldorf dürfte der Versuch des LG Düsseldorf, den fliegenden Gerichtsstand wieder zum Leben zu erwecken gescheitert sein. Auch über einen Sachzusammenhang lässt sich die Zuständigkeit des Wunschgerichts nicht für Anträge begründen, die örtlich einem anderen Gericht zugewiesen sind.
Für die Gerichtszuständigkeit: Es ist bemerkenswert, dass das OLG Düsseldorf sich dazu veranlasst sah, in der Begründung eines an sich unzulässigen Rechtsmittels umfangreiche Ausführungen zur Begründetheit des Ersuchens zu machen. Hier will das OLG Düsseldorf anscheinend ein deutliches Zeichen setzen und einen Gerichtstourismus nach Düsseldorf unterbinden.
Für Abmahnungen: Zu beachten sind zudem die Ausführungen des OLG Düsseldorf zu den Anforderungen an eine Abmahnung. Hier muss der Abmahnende bereits ausführlich darlegen, wenn er die Zuständigkeit eines anderen Gerichtsstandes als gegeben sieht, damit sich der Abgemahnte hiergegen verteidigen kann.