Ariane Friedrich ist Hochspringerin. Sie hat eine Facebook-Fanseite mit rund 8.500 Fans. Und sie hat über Facebook eine Nachricht erhalten. Die Nachricht stammt von einem Herrn D. aus A. Sie lautet:
“ Willst du mal einen schönen Schw*** sehen, Gerade geduscht und frisch rasiert.“
Beigefügt eine Datei – mutmaßlich ein Foto.
Ariane Friedrich wehrte sich. Den Wortlaut der Mail nebst Namen und Wohnort des Absenders kann man auf ihrer Fanseite nachlesen.
Darf man sich auf diese Weise gegen einen Stalker wehren?
Die Antwort lautet: „Ja“. Dass Herr D. aus A. eine Facebook-Nachricht mit anzüglichem Inhalt geschrieben hat, ist eine Tatsachenbehauptung. Die Verbreitung von Tatsachen steht unter dem Schutz des Art. 5 GG. Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, in welcher Form die Behauptung aufgestellt wird. Niemand würde bezweifeln, dass Ariane Friedrich Freunden, Verwandten und Bekannten den Namen des Stalkers nennen darf. Dass die Mitteilung an 8.500 Fans erfolgte und sich daraufhin – medial unterstützt – sehr weit verbreitete, stellt per se keinen Grund dar, der Meinungsfreiheit Grenzen zu setzen.
Der Sohn einer FDP-Politikerin, ein Rechtsanwalt und zwei Schauspielersöhne haben dies erfahren müssen, als sie beim BVerfG vergeblich Verbote von Online-Veröffentlichungen erwirken wollten und dabei auf die „Prangerwirkung“ der Netzkommunikation hinwiesen:
- Online-Zitierung aus anwaltlichen Schreiben: BVerfG, Beschl. v. 18.2.2010 – 1 BvR 2477/08, CR 2010, 380 = ITRB 2010, 224
- Online-Meldung über strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Sohn einer Politikerin: BVerfG, Beschl. v. 9.2.2010 – 1 BvR 1891/05
- Online-Berichterstattung über Schauspielersöhne: BVerfG, Beschl. v. 25.1.2012 – 1 BvR 2499/09 und 1 BvR 2503/09
Auch im Streit um das Lehrerbewertungsportal spickmich.de hatten Lehrer die „Prangerwirkung“ des Netzes beklagt. Vergeblich, denn was offline erlaubt ist, ist auch online grundsätzlich legal (BGH, Urt. v. 23.6.2009 – VI ZR 196/08, CR 2009, 593 ff. = ITRB 2009, 195 – spickmich.de).
Natürlich gibt es Grenzen: Wenn Herr D. aus A. die Nachricht nicht geschrieben haben sollte, ist die von Frau Friedrich aufgestellte Behauptung falsch. Herr D. kann Frau Friedrich dann auf Unterlassung und Widerruf verklagen (§§ 823, 1004 BGB). Und auch für die Verbreitung wahrer Behauptungen gibt es Grenzen: Aus der Form, in der einer (wahre) Behauptung verbreitet wird, kann sich eine strafbare Beleidigung nach § 192 StGB ergeben. Die Veröffentlichung einer über Facebook erhaltenen Nachricht bei Facebook ist indes nicht beleidigend. Beleidigend ist allein die obszöne Nachricht, die die Geschichte ins Rollen gebracht hat.
3 Kommentare
Ich bin verschiedentlich gefragt worden, ob nicht das Perönlichkeitsrecht des Herrn D. und die Meinungsfreiheit der Frau F. sorgfältiger abzuwägen sind, als dies in meinem Posting zum Ausdruck kommt. Und: Ja, natürlich bedarf es auch bei einer wahren Tatsachenbehauptung einer solchen Abwägung, wenn Persönlichkeitsrechte betroffen sind. Die Abwägung ist aber gegenüber dem „Wahrheitsbeweis“ nachrangig. Denn wenn die Aussage unwahr (oder jedenfalls nicht erweislich wahr) ist, gibt es nichts abzuwägen. War Herr D. aus A. jedoch tatsächlich der Stalker, wird die Abwägung zu seinen Lasten ausfallen. Denn dann wird man ihm die „Bloßstellung“ (was für ein Begriff bei diesem Sachverhalt) zumuten können und müssen.
Jetzt sogar in der New York Times: http://www.nytimes.com/2012/04/25/world/europe/rebuke-over-facebook-leads-to-battle-over-rights-in-germany.html?_r=1&ref=technology
Hier von einem Stalker zu sprechen, ist doch wohl mehr als übertrieben. Wer schon mal solch einen Geisteskranken am Hals hatte, weiß das.
D. scheint eher der Vollpfosten des Monats zu sein, der sich ein Eigentor geschossen hat. Nur wenn man ständig solche Mails erhält, wenn auch von verschiedenen Subjekten, kann man in der Gesamtbetrachtung von Stalking reden.
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[…] nach einer Meinung zu fragen ist natürlich wie immer witzlos: Härting meint, sie darf, Stadler sagt wohl sie darf nicht, und Dosch verweist auf die Grundsätze unserer […]
[…] zulässig war, streiten seitdem nicht nur Juristen im Netz. Die einen halten die Aktion für rechtlich zulässig (da das Persönlichkeitsrecht des Absenders der Nachricht bei einer zutreffenden Abwägung […]
[…] spielt sich es dann auch in der Blawgosphäe ab; beim Internet-Law meint man das war rechtswidrig, Niko Härting behauptet das Gegenteil, Udo Vetter wiederrum glaubt, dass Friedrich in ihrer Ausbildung zur […]