Eine Ex-First Lady wehrt sich gegen Gerüchte, die seit vielen Monaten in diversen Blogs verbreitet werden. Es geht um Bettina Wulff, es geht um Rotlicht und um verschiedene Mutmaßungen über das „Vorleben“ der Ex-Präsidentengattin. Frau Wulff klagt jetzt gegen Google („Bettina Wulff wehrt sich gegen Verleumdungen“ SZ-online v. 7.9.2012). Ihr missfällt – sehr verständlich -, dass der Nutzer der Google-Suchmaschine bei der Eingabe des Namens „Bettina Wulff“ Begriffe wie „Rotlicht“ und „Postituierte“ als Suchvorschläge angezeigt bekommt.
Wie kommt es zu den Suchvorschlägen?
„Während Ihrer Eingabe werden mithilfe des Google-Algorithmus basierend auf den Suchaktivitäten anderer Nutzer und auf Inhalten der von Google indexierten Webseiten Suchanfragen vervollständigt und angezeigt.“ So beschreibt Google die Funktionsweise der „Autocomplete“-Funktion („Automatische Vervollständigung“ auf Google.com / Alles über die Suche). Die Suchvorschläge werden somit durch eine der vielen (streng geheimen) „Zauberformeln“ generiert, durch einen Algorithmus, der aus den Suchanfragen der Google-Nutzer und aus Wortkombinationen indexierter Websites Wahrscheinlichkeiten berechnet. Man gebe einmal den Namen eines Nationalspielers bei Google ein – häufig bekommt man das Wort „schwul“ als Suchvorschlag. Dies lässt darauf schließen, dass Google-Nutzer sich besonders häufig für Gerüchte über die sexuelle Orientierung der Fußballer interessieren.
Wofür haftet Google eigentlich?
Zu der Autocomplete-Funktion von Google gibt es bislang zwei veröffentlichte Entscheidungen:
- Das LG Köln wies vor einem knappen Jahr die Klage eines Managers ab, dessen Name in den Suchvorschlägen unter anderem mit „Scientology“ und „Betrug“ in Verbindung gebracht wurde. Begründung: Die Suchvorschläge würden – anders als beispielsweise Google-Snippets (zu Suchergebnissen vgl. etwa KG, Besch. v. 3.11.2009 – 9 W 196/09, ITRB 2010, 230 (Schreiber)) – nicht als Aussagen über die Person verstanden, sondern lediglich als „Kombination von Suchvariablen …, die zu den unterschiedlichsten Ergebnissen und Aussagen führen können“. Mit anderen Worten „N.N. Scientology“ wird nicht als Behauptung verstanden, dass N.N. ein Scientologe ist. Da es an einer Tatsachenbehauptung (oder einer sonstigen Meinungsäußerung) fehlt, kommt eine Persönlichkeitsverletzung nicht in Betracht (LG Köln, Urt. v. 19.10.2011 – 28 O 116/11)
- Ähnlich wie das LG Köln hatte kurz zuvor auch das OLG München entschieden und in einem komplizierten Fall, in dem um Betrugsvorwürfe gegen den Betreiber eines Online-Branchenbuchs ging, eine Persönlichkeitsverletzung durch Google-Suchvorschläge verneint (OLG München, Urt. v. 29.9.2011, – 29 U 1747/11, CR 2011, 126 = ITRB 2012, 8 (Engels)).
„Erna Müller Escort“ – Wenn die Autocomplete-Funktion bei Google diese Suche vorschlägt, enthält dies allenfalls die Aussage, dass besonders viele Google-Nutzer sich dafür interessieren, ob es Informationen zu einer entsprechenden Tätigkeit der Frau Müller gibt. Diese Aussage („Google-Nutzer interessieren sich für …“) ist wahr. Eine Persönlichkeitsverletzung liegt daher fern. Frau Wulffs Anwälte werden große Mühe haben, die Gerichte vom Gegenteil zu überzeugen.
Warum findet man im Netz noch so viele Blogbeiträge mit dem Rotlicht-Gerücht?
Den jüngsten Presseberichten zufolge ist Bettina Wulff gegen eine Vielzahl von Publikationen (auch in Blogs) vorgegangen, in denen das Rotlicht-Gerücht verbreitet wurde. Traditionelle Medien – ob in Print oder digital – sind nur selten betroffen, da sie sich bei der Verbreitung des Gerüchts sehr zurückgehalten haben. Denn den Juristen der Verlagshäuser und Medienunternehmen wird bewusst gewesen sein, dass die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung gelten. Ein Gerücht, das Perönlichkeitsrechte beeinträchtigt, darf nur dann verbreitet werden, wenn es greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für einen Wahrheitsgehalt gibt. Für journalistische Publikationen gilt das Gebot „journalistischer Sorgfalt“. Wenn nur schlampig recherchiert wird, dürfen Journalisten keine Gerüchte kolportieren (vgl. zuletzt EGMR vom 4.5.2010, Az. 38059/07 – Effecten Spiegel AG v. Germany).
Journalistische Sorgfalt und Blogger
Ob das Gebot „journalistischer Sorgfalt“ auch für Blogger gilt, ist bislang völlig ungeklärt. Blogger haben im Normalfall weder den Einfluss, den herkömmliche Medien haben. Noch haben sie vielfach die Möglichkeit, aufwändige Recherchearbeit zu leisten. Dies könnte dagegen sprechen, an Blogger dieselben Sorgfaltsmaßstäbe anzulegen wie an traditionelle Medien. Folge: Die grundrechtlich geschützte Kommunikationsfreiheit des Bloggers (Art. 5 GG, Art. 11 EU-GRCh; Art. 10 EMRK) reicht möglicherweise weiter, als dies etwa beim Print-Journalismus der Fall ist.
Wie weit reichen die Sorgfaltspflichten eines Bloggers wirklich? Gibt es Gerüchte, die auch ein Blogger nicht verbreiten darf? – All diese Fragen bleiben unbeantwortet. Es sei denn, die Ex-First Lady entscheidet sich doch noch, gegen einzelne Blogger gerichtlich vorzugehen.
2 Trackbacks
[…] – Bigotterie[7] – Satire[8] – Jauch[9] – Bloggerrechtsunklarheiten[10][11] – Suchmaschinenrecht[12] – das eigentliche […]
[…] CR Online: Bettina Wulff: Dürfen Blogger Gerüchte kolportieren? […]