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Wenn der Datenschützer zum „Big Brother“ wird – Law and Order auf dem DJT

avatar  Niko Härting

Deutsche Juristen fordern Law and Order im Netz. So lässt sich der ausführliche Bericht des Tagesspiegels vom Deutschen Juristentag (DJT) zusammenfassen („Juristen fordern Trojander-Einsatz und Vorratsdatenspeicherung“, Der Tagesspiegel Online v. 20.9.2012).

Anwälte waren auf dem DJT nur schwach vertreten. Ansonsten wären die Abstimmungen gewiss anders ausgefallen. Aber ein wenig mehr rechtsstaatliches Bewusstsein hätte man sich doch gewünscht.

Law and Order:

Dies war auch das Leitmotiv der Beschlüsse zum Daten- und Persönlichkeitsschutz, die der Tagesspiegel so zusammenfasst:

„Die Rechtsexperten wandten sich gegen ein eigenes Grundrecht auf freie Internetnutzung. Hier genügten die Rechte zur Presse- und Meinungsfreiheit aus dem Grundgesetz sowie die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es gebe grundsätzlich auch kein Recht auf anonyme Nutzung. Jeder Nutzer müsse auch unter Pseudonym identifizierbar sein. Nur dann ließen sich Rechtsverstöße wirksam verfolgen. Internetdienste sollen Klarnamen und Netzverbindung ihrer Nutzer registrieren.“

Freiheit als Gefahr?

Freiheit im Internet wird nicht als elementares Recht, sondern als Gefahr gesehen. Anonyme Meinungsäußerungen: In der Vorstellungswelt vieler Datenschützer keine legitime Grundrechtsausübung, sondern missbrauchsträchtig. Das Gegenmittel soll die identifizierende Demaskierung per Gerichtsbeschluss sein. Und dies sagen zum Teil dieselben Personen, die sich eine Generation zuvor noch vehement gegen „Vermummungsverbote“ eingesetzt haben.

Funktion der Datenschutzbehörden?

Im Zeichen eines einäugigen Schutzes des Persönlichkeitsrechts laufen wir Gefahr, dass staatliche Behörden, deren Aufgabe es ist, einen Überwachungsstaat zu verhindern,  selbst zum „Big Brother“ werden, der Netzaktivitäten im Zeichen eines irrlichternden Datenschutzes umfassend überwacht im stetigen Bestreben, bei jedweder „behaupteten“ Verletzung eines Persönlichkeitsrechts (Härting, „Verkehrte Welt auf dem DJT: …“,  CRonline Blog v. 20.9.2012) einzuschreiten.

Fazit: Wo bleibt der Protest?

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

Ein Kommentar

  1. avatar woksoll
    Veröffentlicht 21.9.2012 um 11:39 | Permalink

    Ich bin ziemlich fassungslos über die extremen politischen Forderung des DJT. Wo kommt das her, dass im Internet alles anders sein soll, wenn es nach diesen Juristen geht? Werden wir dann in Kneipen Namensschilder tragen müssen, bevor wir unsere Meinung sagen müssen? Werden wir uns am Briefkasten mit dem Personalausweis bei Einwurf von anonymen Briefen ausweisen müssen, wenn es nach den absurden Vorstellungen des DJT geht? Woher kommt diese Weltfremdheit?

    Es ist auch befremdlich, von Juristen lesen zu müssen, dass sie massiv (und nicht nur ein bisschen wie das Verfassungsgericht) mit den Grundfesten unserer Rechtsordnung brechen wollen, wenn sie 6 Monate Vorratsdatenspeicherung fordern, als anlasslose, verdachtslose Überwachung der gesamten Bevölkerung (wie es der Bundestag versucht hatte im Zugangserschwerungsgesetz mit der Überwachung sämtlicher WWW-Zugriffe alle Bürger, um sie dann mit geheimen Listen zu vergleichen, wo dann die Rechtssprechung von der Justiz auf die Polizei übergehen sollte).

    Ich habe das Gefühl, dass hier einige Juristen entarten. Das WLAN ist ein gutes Beispiel: auf dem Trip der Störerhaftung, die es im Ausland nicht gibt, sagen Richter (nicht etwa der Gesetzgeber, wie es in einer Demokratie erwartet würde), dass bestimmte Technologien zur Verschlüsselung und zur Zugangserschwerung genutzt werden müssen. Absurd.

    In anderen Demokratien bei unseren NATO-Partnern fröhnt man nicht dieser deutschnationalen Sonderbehandlung. In New York zum Beispiel reisst sich der Bürgermeister Bloomberg den Popo auf, dass seine Bürger ungehindert, unüberwacht, kostenlos auch in den Parks Zugriff auf’s Internet haben:
    „To connect to the internet through one of the free AT&T Wi-Fi access points in parks, simply look for and select the network name “attwifi” in the list of networks in your device’s Wi-Fi settings screen. That’s it – no username or password is required.“ http://www.nycgovparks.org/highlights/places-to-go/wi-fi

    Wie kommt es da, dass sich deutsche Juristen auf dem DJT so weit von der westlichen Wertegemeinschaft entfernt haben und Dinge fordern, wie sie in Iran oder China Verkehrssitte sind? Warum wollen die DJT-Herren uns von unseren Verbündeten abspalten mit ihren nationalen Sonderbehandlungen der Deutschen? Oder sind die Machenschaften um die NSU herum nur das, was aus Versehen an die Öffentlichkeit drang?

    Wenn es schlimm kommt, gelangen wieder entartete Entwürfe in den Bundestag wie das Zugangserschwerungsgesetz (>140.000 Zeichner bei der Petition), das Melderecht (>190.000 Unterschriften heute morgen vor dem Bundestag abgeben) oder ACTA (nach Aufklärung durch den Souverän im EU-Parlament gescheitert). Doch der Souverän wird den Mist wieder aufräumen und nicht dulden. Diese furchtbaren Juristen schaden dem Staat. Die Nutzung globaler Medien in der Wissensgesellschaft wird sich durch nationale Entartungen nicht aufhalten lassen.

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